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Bundestag (Archiv) © Deutscher Bundestag / Kira Hofmann / photothek

Einbürgerung und Abschiebung

Bundestagsdebatte: Grüne melden Gesprächsbedarf an

Die Ampel tut sich mit einigen ihrer Vorhaben zur Migrationspolitik schwer. Besonders FDP und Grüne liegen weit auseinander. Oft steht am Ende ein Kompromiss, mit dem nur die SPD gut leben kann, wie sich nun im Bundestag zeigte.

Donnerstag, 30.11.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.11.2023, 16:37 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bei Beratungen über beschleunigte Einbürgerungen und die Beseitigung von Abschiebungshindernissen hat sich gezeigt, dass die trennende Linie in der Migrationspolitik nicht immer zwischen Koalition und Opposition verläuft. Während es bei der ersten Lesung im Plenum des Bundestages am Donnerstag von der Union zumindest Lob für den verlängerten Ausreisegewahrsam und von der Linken Zuspruch für die erleichterte Einbürgerung gab, meldete die Grünen-Politikerin Filiz Polat bei beiden Gesetzesvorhaben Nachbesserungsbedarf an.

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Mit ihrer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts will die Bundesregierung Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen und die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration anerkennen. Es gehe darum zu zeigen, dass Deutschland eine liberale Demokratie sei und keine „Blut-und-Boden-Gemeinschaft“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

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Zuwanderer sollen künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können. Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein. Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll den alten dafür nicht mehr aufgeben müssen. Das gilt jetzt schon für EU-Bürger und einige Sonderfälle, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei.

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Die geplante Reform ermögliche es mehr Menschen, in Deutschland heimisch zu werden, ohne dass sie dafür ihre Wurzeln abbrechen müssten, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.

Debatte um Sicherung des Lebensunterhalts

Polat erinnerte sichtlich bewegt an Mevlüde Genç. Die gebürtige Türkin, die 1993 durch einen von Neonazis verübten Brandanschlag auf ihr Haus in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hatte, war 1995 Deutsche geworden.

Auf schriftliche Deutsch-Prüfungen und einen Einbürgerungstest soll bei Älteren, die über staatliche Anwerbeabkommen als Arbeitskräfte ins Land gekommen waren, verzichtet werden. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich im Alltag ohne nennenswerte Probleme auf Deutsch verständigen können. Die Anforderung, selbst komplett für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen, soll für diese Menschen nicht gelten. Vor allem Frauen aus dieser Gruppe bekommen aufgrund von langjähriger Beschäftigung im Niedriglohnsektor oft nur eine geringe Rente. Polat sagte, in den weiteren Beratungen sollten auch andere Menschen, „die unverschuldet arbeitslos geworden sind“, berücksichtigt werden.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU) sprach von einem „Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz“. Für ausländische Fachkräfte sei eine schnelle Einbürgerung unwesentlich. Wichtiger seien zügige Visaverfahren, ein rascher Familiennachzug sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche.

Faeser wirbt für Verfahrensvereinfachungen bei Abschiebung

Abgeordnete der Ampel-Koalition betonten, der Entwurf sehe Regelungen vor, um eine Einbürgerung von Rassisten und Antisemiten zu verhindern. Gökay Akbulut (Linke) sagte: „Solche Gesinnungsprüfungen finde ich wenig hilfreich.“ Klare Kante gegen Antisemitismus und Rassismus sei wichtig, doch sollte dies für Deutsche und Nicht-Deutsche gleichermaßen gelten. Generell sei es aus Sicht ihrer Fraktion aber gut, „dass das Staatsbürgerschaftsrecht endlich reformiert werden soll“.

Für die geplanten Verfahrensvereinfachungen zur Abschiebung warb Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin sagte, wer vollziehbar ausreisepflichtig sei, müsse Deutschland auch verlassen. Sie sagte: „Der Rechtsstaat darf sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen.“ Der Entwurf für ein „Rückführungsverbesserungsgesetz“ sehe teils Maßnahmen vor, die einen „Eingriff in elementare Grundrechte“ darstellten, kritisierte Polat. Ihre Fraktion wolle daher genau prüfen, ob dies gerechtfertigt sei. Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sagte dagegen, dies sei eine Reform mit Augenmaß.

Das Vorhaben soll dafür sorgen, dass Abschiebungen nicht mehr so oft im letzten Moment scheitern, etwa weil die Betroffenen nicht auffindbar sind. Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit 10 auf 28 Tage verlängert werden. Ferner sind erweiterte Befugnisse von Behörden vorgesehen, etwa sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen. Schleuser sollen zudem schneller ausgewiesen werden können.

Linke kritisiert: Druck von Rechts gebeugt

Es sei zwar zu begrüßen, dass die Ampel nun erste Anstrengungen unternehme, um Abschiebungshindernisse zu beseitigen, sagte der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries. Diese seien aber nicht ausreichend. Noch wichtiger wäre es, die Kontrolle darüber, wer einreise, zurückzugewinnen.

In den Jahren 2021 und 2022 gab es pro Jahr rund 12.000 Abschiebungen. Im Gesetzentwurf heißt es, es werde angenommen, dass durch die verschärften Regelungen jährlich rund 600 Ausreisepflichtige mehr als bisher abgeschoben werden könnten. Ende Oktober hielten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums 250.749 Ausreisepflichtige in Deutschland auf. Darunter waren 201.084 Menschen, die eine Duldung besaßen, also eine temporäre Aussetzung der Abschiebung. Gründe für eine Duldung können etwa eine Erkrankung sein oder fehlende Ausweisdokumente.

Das Gesetzesvorhaben zeige, dass sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP „dem gesellschaftlichen Druck von Rechts“ gebeugt habe, kritisierte Clara Bünger (Linke). Bernd Baumann (AfD) sagte, ein Ausreisegewahrsam unter einem halben Jahr „bringt gar nichts“. (dpa/mig) Leitartikel Politik

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