„Rote Linie überschritten“
Polizei beendet Kirchenasyl mit Großaufgebot
Zwei junge Männer sollen abgeschoben werden. Als sie Betroffenen nicht freiwillig kommen, dringt die Polizei in die Wohnung ein. Der Flüchtlingsrat prangert den Bruch des Kirchenasyls an. Die Polizei habe „die rote Linie überschritten“
Mittwoch, 20.12.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.12.2023, 15:55 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mit einem Großaufgebot und Spezialkräften hat die Polizei in Schwerin den Widerstand gegen eine geplante Abschiebung beendet. Wie eine Polizeisprecherin sagte, hatte sich am frühen Mittwochmorgen eine sechsköpfige Familie in der Wohnung einer Kirchengemeinde verschanzt, als Polizisten die Abschiebung von zwei jungen Männern durchsetzen wollten. Die Verwandtschaftsverhältnisse blieben zunächst unklar.
Nach etwa vierstündigen Bemühungen, mit der Familie im Gespräch zu bleiben, seien die Einsatzkräfte schließlich in die Wohnung eingedrungen. Dabei sei festgestellt worden, dass einer der beiden jungen Männer verletzt gewesen sei und eine Frau sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. Beide wurden mit einem bereitstehenden Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Wie sich der junge Mann die Verletzung zuzog und welcher Art sie ist, wurde nicht mitgeteilt. Die anderen vier Personen, darunter zwei Kinder, blieben vorerst in dem Gebäude.
Nach Angaben eines Sprechers der Nordkirche handelte es sich um eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan, deren zwei erwachsene Söhne abgeschoben werden sollten. Dies sei auf Anordnung der Ausländerbehörde in Kiel erfolgt. Beide sollten den Angaben zufolge nach Spanien gebracht werden.
Laute Schreie
Die Polizei hatte zunächst von zwei 18 und 22 Jahre alten Männern aus dem Irak gesprochen. Laut Kirchensprecher hielt sich die Familie in einer Wohnung am Rande eines Schweriner Plattenbaugebietes auf, die von der dortigen Kirchgemeinde für Flüchtlinge bereitgestellt wird.
Wie ein Anwohner berichtete, waren am Morgen zwei Funkstreifenwagen vor dem Gemeindehaus vorgefahren. Kurz darauf seien laute Schreie einer Frau zu gehören gewesen. Nach Darstellung der Polizei hatte sie versucht, die Abschiebung der beiden jungen Männer zu verhindern. Ob es noch im Tagesverlauf dazu kommen sollte, konnte die Polizeisprecherin am Mittag noch nicht sagen.
Landes-Flüchtlingsrat: „Rote Linie überschritten“
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern hat den Bruch des Kirchenasyls angeprangert. „Das allererste Mal wurde in Mecklenburg-Vorpommern die rote Linie überschritten und durch Polizei ein Kirchenasyl gebrochen“, kritisierte der Flüchtlingsrat am Mittwoch. „Das ist ein erschreckendes Signal an Geflüchtete, die in Deutschland Schutz suchen“, erklärte der Flüchtlingsrat. „Nicht einmal zu Weihnachten dürfen sie sich sicher fühlen.“ Dieses Signal richte sich aber auch an Kirchengemeinden, die nun verunsichert seien, ob sie Geflüchteten weiterhin Zuflucht und Hoffnung bieten könnten. Eine Sprecherin beklagte zudem, dass der Amtshilfe-Einsatz offenbar auf der Basis falscher Angaben erfolgt sei, da zunächst von Irakern die Rede gewesen sei.
Als Kirchenasyl wird die befristete Aufnahme von Flüchtlingen in kirchlichen Räumen bezeichnet, denen bei Abschiebung Gefahr für Leib und Leben oder die Verletzungen ihrer Menschenrechte droht. Solche Fälle gab es in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr häufiger als in der jüngsten Vergangenheit. Bis Ende November waren es landesweit 25 Menschen, wie die Nordkirche mitteilte. Ein höherer Wert sei zuletzt 2018 erreicht worden, als im Nordosten 51 Menschen Kirchenasyl gewährt wurde. 2022 seien es zehn gewesen, in den beiden Jahren davor 21 und sieben. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama
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