„Unfassbar“
Verfahren gegen Polizisten in „NSU 2.0“-Komplex eingestellt
Im August 2018 ging bei einer Frankfurter Rechtsanwältin ein erstes Drohschreiben ein, das mit „NSU 2.0“ unterzeichnet war. Ermittlungen gegen zwei Polizeibeamte in dem Fall wurden nun eingestellt. Dabei sind die Vorwürfe erdrückend.
Montag, 05.02.2024, 14:59 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 05.02.2024, 15:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Fall der „NSU 2.0“-Drohserie hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen zwei Polizeibeamte eingestellt. Das teilte die Behörde am Montag auf Anfrage mit. Ermittelt worden war gegen einen Polizisten und eine Polizistin. Das erste Fax der Serie war im August 2018 bei der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız eingegangen, es enthielt persönliche Daten. Diese waren unbefugt von einem Dienstcomputer im 1. Polizeirevier abgefragt worden, an dem die Polizistin eingeloggt war. Kurz darauf wurde das Fax versandt. Der Polizist war zu diesem Zeitpunkt im Dienst.
Das Ermittlungsverfahren sei am 7. Dezember 2023 eingestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Ein hinreichender Tatverdacht habe nicht begründet werden können. Dabei stehen gegen den Polizisten schwere Vorwürfe im Raum: Jugendfotos zeigen ihn mit Hitlergruß; in einer Polizei-Chatgruppe soll er über Migranten hergezogen und NS-Bilder gepostet haben. Auf seinem Handy wurden Onlinesuchen nach „Yıldız in Frankfurt“ und Filmzitate gefunden, die später auch in „NSU 2.0“-Schreiben auftauchten. Und: Seine Hochzeitstorte zierte ein Soldat in SS-Uniform, ein Obersturmbannführer. So nannte sich der „NSU 2.0“-Schreiber, der die Faxe über einen Onlinefax-Anbieter versandte, verschlüsselt über einen Tor-Browser, über deren Bedienung der beschuldigte Polizist Vorträge gehalten hatte.
Wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilte, sei gegen die Verfahrenseinstellung Beschwerde eingelegt worden. Dies bestätigte die Anwältin von Başay-Yıldız, Antonia von der Behrens, auf Anfrage. Die Betroffene zeigte sich auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) sichtlich enttäuscht über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Sie schreibt: „Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Daten meiner Tochter werden im 1. Polizeirevier in Frankfurt von Polizisten abgerufen. Mit exakt diesen abgerufenen Daten bekommen wir 90 Minuten später ein Drohfax. Verfahren gegen Polizisten eingestellt. Unschuldsvermutung, aber Justizproblem.“ Zahlreiche X-Nutzer drücken Başay-Yıldız ihre Solidarität aus: „Unfassbar“, „furchtbar“, „unglaublich“, „das macht mich wütend“.
Başay-Yıldız bezweifelt Einzeltäter-Theorie
Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0 waren anschließend an zahlreiche weitere Personen des öffentlichen Lebens versandt worden, vor allem Frauen. Als Verfasser war 2022 ein 54 Jahre alten Mann aus Berlin zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Der Verurteilte wies alle Vorwürfe zurück. Diese seien nicht belegt. Staatsanwaltschaft und Polizei verbreiteten Lügen, um den Verdacht auf ihn als angeblichen Einzeltäter zu lenken, sagte er in einem letzten Prozess-Vortrag.
Unter anderem die Nebenklägerin Başay-Yıldız bezweifelte in dem Verfahren ebenfalls, dass ein Einzeltäter für die Serie verantwortlich war. Ihre Anwältin von der Behrens hatte in dem Prozess mehrfach Anträge zur weiteren Aufklärung der Vorgänge im 1. Polizeirevier und der Rolle dortiger Polizisten bei der 20-minütigen Abfrage persönlicher Daten von Başay-Yıldız und ihrer Angehörigen gestellt.
Polizei-Chat mit Hitler-Bildern und Hakenkreuzen
Im Zusammenhang mit Ermittlungen zu der illegalen Datenabfrage war eine Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten innerhalb des 1. Polizeireviers aufgedeckt worden. Der Fall liegt aktuell zur Prüfung beim Oberlandesgericht Frankfurt. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hatte Beschwerde eingelegt, nachdem das Landgericht kein Hauptverfahren eröffnen wollte.
Die Generalstaatsanwaltschaft geht im Fall von fünf Polizisten davon aus, dass in der Gruppe Inhalte im strafrechtlichen Sinn verbreitet worden waren. Nach früheren Angaben wurden unter anderem Darstellungen von Adolf Hitler, Hakenkreuze und weitere nationalsozialistische Symbole sowie Verharmlosungen des Holocaust geteilt. (epd/mig) Aktuell Panorama
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