EU-Gericht bejaht Schächtverbot
Juden und Muslime sollen Fleisch importieren
Belgien darf Juden und Muslimen die religiöse Schächtung von Tieren verbieten. Das hat der EU-Menschenrechtsgerichtshof entschieden. Tierschutz und die öffentliche Moral rechtfertigten den Eingriff in die Religionsfreiheit. Muslime kritisieren: EU-Gerichte hätten dem Tierschutz bei Klagen gegen die Fleischindustrie weniger Gewicht beigemessen.
Mittwoch, 14.02.2024, 12:44 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 14.02.2024, 13:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Belgien darf das Schächten von Tieren ohne vorherige Betäubung verbieten. Ein solches Verbot verstoße weder gegen die Religionsfreiheit, noch sei es diskriminierend, entschieden die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg.
Geklagt hatten 7 muslimische Organisationen in Belgien sowie 13 belgische Staatsbürger muslimischen und jüdischen Glaubens. In dem Land ist das Schlachten von Tieren ohne Betäubung verboten. Diese Vorschrift galt jedoch zunächst nicht für religiöse Schlachtungen. Eine Reform schaffte die Ausnahmeregelung 2014 ab.
EU-Gericht: öffentliche Moral entscheidend
Die Kläger gingen über alle Instanzen dagegen vor und erklärten, mit dem Verbot sei es für jüdische und muslimische Gläubige schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Tiere gemäß den Geboten ihrer Religion zu schlachten oder Fleisch von solchen Tieren zu erhalten. Das Verbot habe ihr Recht auf Religionsfreiheit verletzt.
Der Gerichtshof erklärte dagegen, das Verbot des Schächtens stelle einen legitimen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, weil es ein gerechtfertigtes Ziel verfolge, nämlich das Leid der Tiere bei der Schlachtung zu mindern. Entscheidend sei zudem, dass die Gesellschaften in Europa dem Tierwohl eine wachsende Bedeutung zumesse. Damit legte das EU-Gericht den Schutz der öffentlichen Moral erstmals auch im Blick auf den Tierschutz aus.
Muslime kritisieren Entscheidung
Zugleich betonten die Richter, dass das Schächtverbot nicht bedeute, dass religiöse Muslime und Juden keinen Zugang zu Fleisch hätten. Sie könnten geschlachtetes Fleisch aus dem Ausland importiert. Zudem sei das religiöse Schächten auch in der dritten belgischen Hauptstadtregion Brüssel erlaubt. Eine dortige Gesetzesinitiative zum Verbot fand zuletzt keine Mehrheit.
Muslime kritisieren, EU-Gerichte hätten in früheren Entscheidungen den wirtschaftlichen Interessen großer Fleischbetriebe bei der Massentierhaltung und der industriellen Fleischproduktion deutlich mehr Gewicht beigemessen als dem Tierschutz. Im Übrigen schreibe die Religion bei der rituellen Schlachtung größtmögliche Sorgfalt vor, um die Schächtung so schmerzfrei wie möglich zu halten. Das sei kaum gewürdigt worden.
Rituelle Schlachtung hat hohen Stellenwert
Laut dem Gerichtshof ist dies das erste Urteil, das sich mit der Frage befasst, inwieweit der Tierschutz und der Schutz der Religionsfreiheit abgewogen werden müssen. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung getroffen. Es ist noch nicht rechtskräftig. Ein Einspruch ist innerhalb von drei Monaten möglich. Bei Annahme des Einspruchs würde die große Kammer des Menschenrechtsgerichtshof die Beschwerden noch einmal behandeln.
Im Islam und Judentum hat die rituelle Schlachtung ohne Betäubung einen hohen Stellenwert. Gläubige dürfen Fleisch nur verzehren, wenn das Tier ausgeblutet ist. In Deutschland ist das Schächten für Muslime und Juden in strengen Ausnahmefällen und nach behördlicher Genehmigung erlaubt. (epd/mig) Aktuell Recht
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