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Sophia Hiss, MiGAZIN, Rassismus, Freiburg, Kommentar
Sophia Hiss © privat, Zeichnung: MiG

Pro-Palästina-Proteste

Die Ignoranz der Politik frustriert

Seit Monaten fordern Studierende auf Demos die Politik auf, sich für einen Stopp der Gewalt im Gazastreifen einzusetzen – vergeblich. Die einzige Reaktion ist bislang die Härte der Polizei. Das frustriert.

Von Dienstag, 05.03.2024, 12:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.03.2024, 12:26 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In den letzten Monaten haben sich Studierende aus der Hauptstadt in der „Student Coalition Berlin“ zusammengeschlossen, um sich für eine angemessenere politische Reaktion auf das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung einzusetzen, insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Bombardements des israelischen Militärs im Gazastreifen. In der Gruppe finden sich Studierende fast aller Berliner Hochschulen; auch eine Vielzahl jüdischer Organisationen hat sich der Koalition angeschlossen. Gemeinsam organisieren sie seit Wochen Protestaktionen und Vorträge, mit dem Ziel, Aufmerksamkeit auf die Situation der Palästinenser:innen zu lenken, die im Gazastreifen anhaltender Vertreibung ausgesetzt sind.

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Bei allen Zweifeln, die man mit Blick auf die Angemessenheit der Proteste der Studierenden und ihrer Forderungen haben mag, ist eines klar: Das Schweigen politischer Entscheidungsträger:innen ist frustrierend. Weder die Proteste, die seit Ende Oktober durchgehend auf Berlins Straßen stattfinden, noch die kritische Situation an deutschen Hochschulen sind Thema offizieller Stellungnahmen. Gleichzeitig geht man in den letzten Wochen zunehmend restriktiv gegen Wissenschaftler:innen und Professor:innen vor, die sich kritisch gegenüber Israels Politik äußern.

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Dr. Ghassen Hage, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle/ Saale, verlor etwa aufgrund eines Tweets seine Position – nur zwei Tage, nachdem ihm in der „Welt am Sonntag“ vorgeworfen worden war, „Israel-Hass“ zu predigen. Wissenschaftler:innen deutschlandweit äußerten ihre Fassungslosigkeit über den Vorfall. So schreibt etwa der wissenschaftliche Mitarbeiter am Leibniz-Zentrum Moderner Orient Samuel Schielke im Magazin zenith: „Die Max-Planck-Gesellschaft wurde vor die Wahl gestellt: Die Tradition des kritischen Diskurses und Weltoffenheit fortzusetzen – oder aber sich auf Druck einiger Aktivisten und Medien einzumauern und einen ihrer renommiertesten Wissenschaftler de facto zu zensieren. Sie hat sich für letzteres entschieden.“

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„Die einzig spürbare Reaktion ist bislang die Härte des Einschreitens der Polizei gegen die Demonstrierenden.“

Dieses Gefühl der Zensur und Machtlosigkeit teilen auch die Mitglieder der „Student Coalition.“ Was zu Beginn der Demonstrationen auf offizieller Ebene zu Recht thematisiert und verurteilt wurde, waren die Teilnahme und problematischen Parolen antisemitischer Gruppierungen direkt nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober. Die Demonstrationen, die heute – fast 6 Monate später – auf Berlins Straßen stattfinden, zu denen auch die der „Student Coalition“ zählen, sind allerdings von grundlegend anderem Charakter. Ihre Protestform – der Ausdruck für Solidarität mit Palästina und die Forderung nach einem Waffenstillstand – finden in der Politik dennoch keine Resonanz. Sie fühlen sich zunehmend „wegignoriert“: Die einzig spürbare Reaktion ist bislang die Härte des Einschreitens der Polizei gegen die Demonstrierenden.

Man sollte meinen, in einer gefestigten Demokratie sei die natürliche Reaktion auf öffentlichen Protest, diesen zunächst offen zu thematisieren und die Differenzen danach gemeinsam zu diskutieren. Aktuell scheitert die deutsche Politik jedoch bereits am ersten Schritt. Repressiv gegen Kritik und Proteste vorzugehen, ohne sich mit deren Inhalten und Forderungen auseinanderzusetzen, gleicht einem Kontrollverlust über die Situation. Das sollte in Deutschland nicht passieren und kann sich schlimmstenfalls anfühlen, als vertrauten Entscheidungsträger:innen unserer Demokratie nicht mehr.

„Auch für den deutschen Diskurs dürfte es hilfreich sein, die Legitimität von Israelkritik nicht an der Herkunft ihrer Autor:innen zu messen.“

Was tun gegen die Gefahr einer Desillusionierung junger Menschen, denen das Schicksal der zivilen Opfer auf beiden Seiten des Krieges in Gaza am Herzen liegt? Die Proteste und deren Inhalte zu thematisieren wäre ein erster Schritt. Eine öffentliche Diskussion, die verschiedene Positionen abbildet – aus Israel und Palästina – wäre ein zweiter. Auch für den deutschen Diskurs dürfte es hilfreich sein, die Legitimität von Israelkritik nicht an der Herkunft ihrer Autor:innen zu messen.

Die jüngsten Ereignisse auf der Berlinale machen das besonders deutlich: Der israelische Filmemacher Yuval Abraham, der sich zuvor mit seinem palästinensischen Kollegen für einen Waffenstillstand ausgesprochen hatte, sagte in einem Interview: „Als Sohn von Holocaust-Überlebenden auf deutschem Boden zu stehen und zu einem Waffenstillstand aufzurufen – und dann als antisemitisch abgestempelt zu werden, ist nicht nur empörend, sondern bringt buchstäblich jüdisches Leben in Gefahr.“

Maja Sojref, jüdische Aktivistin und geschäftsführende Direktorin des New Israel Funds aus Berlin, spricht in ihrem Kommentar zu den Äußerungen vermutlich einer Vielzahl von Studierenden und Wissenschaftler:innen an deutschen Universitäten aus der Seele: „Leute, hier läuft etwas gewaltig schief.“ Meinung

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