Appelle an Israel
Mehr als eine Million Menschen in Gaza von Hungersnot bedroht
Rund fünf Monate nach Beginn des Nahost-Krieges verschärft sich die humanitäre Not im Gaza-Streifen. Mehr als eine Million Menschen stehen kurz vor einer schweren Hungersnot. Israel müsse mehr Hilfe zulassen, fordern UN-Vertreter – und inzwischen auch Deutschland.
Mittwoch, 20.03.2024, 11:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.03.2024, 11:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Gaza-Streifen sind laut den Vereinten Nationen mehr als eine Million Menschen von einer schweren Hungersnot bedroht. In dem Gebiet hätten 1,1 Millionen Menschen ihre Nahrungsmittelvorräte aufgebraucht und seien nun von katastrophalem Hunger betroffen, erklärte das UN-Welternährungsprogramm (WFP) in Rom. „Die Menschen in Gaza verhungern“, sagte WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain. Es bleibe nur noch ein „sehr kleines Zeitfenster“, um eine Hungersnot abzuwenden.
Das WFP bezog sich auf einen Bericht zum Hunger im Gaza-Streifen. Demnach fallen 1,1 Millionen Menschen – etwa die Hälfte der Bevölkerung – unter die höchste Stufe der Ernährungsunsicherheit in dem international anerkannten Klassifikationssystem IPC. Dabei drohen extreme Unterernährung bis zum Hungertod.
Guterres: Menschengemachte Katastrophe
UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Lage der Bevölkerung im Gaza-Streifen entsetzlich. Es handele sich um eine von Menschen verursachte Katastrophe, die gestoppt werden könne, sagte er und mahnte eine sofortige humanitäre Waffenruhe an. „Ich fordere die israelischen Behörden auf, den vollständigen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsgüter im gesamten Gaza-Streifen zu gewährleisten.“
Israel ist nach Auffassung der Vereinten Nationen und internationaler Rechtsexperten Besatzungsmacht, weil es praktisch alle Zugänge und die Versorgung des Gazastreifens kontrolliert. Als Besatzungsmacht hat Israel die Pflicht, die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und medizinischer Betreuung zu versorgen. Israel weist dies zurück, weil es sich 2005 militärisch aus dem Gazastreifen zurückgezogen hat.
UN-Hochkommissar Türk sieht Anzeichen für Kriegsverbrechen
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht Anzeichen dafür, dass Israel den Hunger im Gazastreifen als Kriegsmethode einsetzt. „Das Ausmaß, in dem Israel die Einfuhr von Hilfsgütern in den Gazastreifen weiterhin einschränkt, sowie die Art und Weise, in der es die Feindseligkeiten fortsetzt, kann auf den Einsatz von Hunger als Kriegsmethode hinauslaufen, was ein Kriegsverbrechen darstellt“, erklärte Türk am Dienstag in Genf.
Die israelische Botschaft in Genf warf Türk eine einseitige Sichtweise vor. Er schiebe Israel die alleinige Schuld an der Lage zu und entbinde die Vereinten Nationen und die Hamas von jeder Verantwortung. „Israel tut alles in seiner Macht Stehende, um den Gazastreifen mit humanitärer Hilfe zu fluten“, teilte die Botschaft mit.
UN ruft Israel auf, Hilfslieferungen zuzulassen
Im Norden des Gaza-Streifens wird nach Angaben des WFP bis Mai mit einer Hungersnot gerechnet. Dort seien 300.000 Menschen von den Kämpfen eingeschlossen. In den südlichen Regierungsbezirken drohe eine Hungersnot bis Juli 2024.
Das UN-Hilfswerk rief Israel auf, mehr Hilfe für die Menschen im Gaza-Streifen zuzulassen. Das WFP und humanitäre Partner seien darauf angewiesen, dass mehr Zugänge in den Gaza-Streifen geöffnet werden und ein direkter Grenzübergang in den Norden ermöglicht wird. Für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln müssten täglich mindestens 300 Lastwagen in den Gaza-Streifen einfahren.
Luftbrücke: Zwei deutsche Transportflugzeuge dabei
Nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober hatte Israel eine Militäroffensive im Gaza-Streifen gestartet. Tausende Menschen wurden dabei getötet. Hilfsorganisationen beklagen seit Monaten, dass zu wenig Hilfslieferungen in die Gebiete gelangen.
Auch die Bundesregierung mahnte zuletzt mehr Hilfslieferungen für die Menschen in Gaza an. Eine Waffenruhe fordert Deutschland bislang nicht. Unter anderem beteiligen sich zwei Transportflugzeuge der Bundeswehr an einer Luftbrücke, mit der Lebensmittel und Medikamente über dem Gaza-Streifen abgeworfen werden.
Beispielloses Hungerkriese laut IPC
Die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation „International Rescue Committee“ (IRC) in Deutschland, Corina Pfitzner, sprach mit Blick auf die humanitäre Krise in Gaza von einem „Tropfen auf den heißen Stein“. Hilfslieferungen über den Luft- und Seeweg seien extrem teuer und ineffizient. Sie seien nur nötig, weil die israelischen Behörden nicht die Bedingungen für eine sicherere und effektive Verteilung über den Landweg schafften, sagte Pfitzner.
Das Klassifikationssystem IPC („Integrated Food Security Phase Classification“) wird von den UN und internationalen Hilfswerken herangezogen, um Hungerkrisen einzuordnen und die Hilfe zu planen. Laut dem Welternährungsprogramm fielen noch nie zuvor so viele Menschen unter die höchste Stufe (IPC5) wie nun im Gaza-Streifen. (epd/dpa/mig) Aktuell Ausland
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