Dunkle Wolken über Cambridge
Britische Elite-Unis warnen vor migrationsfeindlicher Politik
Nicht nur deutsche Hochschulen kämpfen um internationale Studierende. Selbst Oxford und Cambridge, Universitäten von Weltruf, müssen sich im Wettbewerb behaupten. Nun warnen sie, die migrationsfeindliche Regierung gefährde ihren Erfolg.
Von Benedikt von Imhoff Montag, 13.05.2024, 10:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.05.2024, 14:21 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Oxford ganz oben, Cambridge nicht weit dahinter – und auch weitere britische Hochschulen wie King’s College oder die SOAS University aus London fehlen in kaum einer Liste der weltbesten Universitäten. Alles eitel Sonnenschein also für die britische Hochschullandschaft? Mitnichten. Vereinigungen wie die Russell Group, in der die 24 besten Forschungseinrichtungen des Landes versammelt sind, oder der Verband Universities UK sehen dunkle Wolken über den Elite-Unis aufziehen. Der Grund: die Migrationspolitik der konservativen britischen Regierung.
Zuletzt lag die Nettozuwanderung auf einem Rekordhoch von gut 600.000 Menschen. Diesen Trend wollen die Tories von Premierminister Rishi Sunak unbedingt umkehren. Auch weil es die Bevölkerung angeblich so will. Das scharfe Vorgehen gegen Migrantinnen und Migranten soll ihnen Punkte bringen bei den Wählern. Noch in diesem Jahr soll ein neues Parlament gewählt werden. In Umfragen liegen die Konservativen bis zu 30 Prozentpunkte hinter der Oppositionspartei Labour.
Konservative Regierung will Zuwanderung drastisch reduzieren
Innenminister James Cleverly sucht überall nach Möglichkeiten, die Zuwanderung zu beschränken: Das jährliche Mindestgehalt für ausländische Beschäftigte wurde stark erhöht, Pflege- und Gesundheitsfachkräfte dürfen ihre Angehörigen nicht mehr mitbringen. Wirtschaft und Verbände warnen vor einschneidenden Folgen für den britischen Arbeitsmarkt.
Das ficht die Tories bisher nicht an. Cleverly hat vielmehr auch die Hochschulen im Blick. In einem Brief an das Beratungsgremium Migration Advisory Committee (MAC) forderte er, eine Streichung der „graduate visa route“ zu prüfen. Dieses Programm erlaubt ausländischen Studierenden, bis zu zwei – und im Falle von Doktoranden bis zu drei – Jahre nach ihrem Studienabschluss in Großbritannien zu leben und zu arbeiten.
Kritiker sind der Ansicht, dass Migranten die Regelung missbrauchen, um als Fachkräfte langfristig im Land zu bleiben. Dem widersprechen Experten wie der Wirtschaftswissenschaftler Jonathan Portes vom King’s College London. „Die Tatsache, dass sie sich freiwillig dafür entscheiden, zunächst einen Abschluss zu machen (und dafür zu bezahlen), lässt darauf schließen, dass sie den Abschluss an sich als lohnenswert erachten“, betonte Portes. Zwar würden viele zur Finanzierung ihres Studiums in gering bezahlten Jobs arbeiten. „Na und? Die überwiegende Mehrheit wird einen positiven wirtschaftlichen und steuerlichen Beitrag leisten, genau wie junge Arbeitnehmer britischer Herkunft.“
Universitäten warnen vor finanziellen Einbußen
Auch von den Universitäten kommt Widerstand gegen die Regierungspläne. Ein solcher Schritt würde einen schweren finanziellen Schaden bedeuten, zitierte die Zeitung „Financial Times“ am Samstag aus einem Brief des Chefs der Russell Group, Tim Bradshaw, an den MAC-Vorsitzenden Brian Bell. Eine Studie von London Economics zeigt, dass die Universitäten der Russell Group fast 38 Milliarden Pfund (44 Mrd. Euro) zur britischen Wirtschaft beitragen.
„Alle weiteren Änderungen, um die Zuwanderung von Studierenden zu beschränken, könnten zu einer erheblichen Destabilisierung der Branche führen sowie zu geringeren Ausgaben in den lokalen Gemeinden, weniger Möglichkeiten für inländische Studenten und weniger britischer Forschung“, heißt es in Bradshaws Brief weiter.
Ähnlich äußert sich Universities UK. „Graduiertenvisa sind für Arbeitsplätze und Wachstum im Vereinigten Königreich sowie globale Ambitionen von entscheidender Bedeutung“, warnte der Verband. Verbandschefin Sally Mapstone sagte dem Sender Sky News am Sonntag, es wäre eine „Tragödie und katastrophal“ für das gesamte Vereinigte Königreich, falls die Regierung „völlig unnötige Maßnahmen“ ergreife, um die Zahl der internationalen Studierenden zu begrenzen.
Die Regierung spricht oft von britischer „soft power“, wenn sie den Forschungssektor lobt. Aber dieser Aspekt ist nach Ansicht der Hochschulen wegen der verschärften Zuwanderungsregeln gefährdet. Schon seit dem Brexit ist die Zahl der Studierenden aus der EU um rund die Hälfte gesunken. Sie benötigen nun teure Visa, außerdem sind Studiengebühren für sie nicht mehr gedeckelt. Doch auch aus anderen Ländern schreiben sich deutlich weniger Menschen an britischen Unis ein, wie Erhebungen zeigen.
Harter internationaler Wettbewerb um Studierende
Das britische Kulturinstitut warnte, die britischen Universitäten seien mit langsameren Wachstumsraten und einem zunehmenden Wettbewerb um internationale Studierende konfrontiert. Vor allem die USA verzeichneten wieder deutlich steigende Bewerbungszahlen. Zudem mache das starke britische Pfund das Vereinigte Königreich unattraktiver für Studierende aus wichtigen Märkten wie Nigeria, China oder Indien.
An diesem Dienstag will das MAC seinen Bericht vorstellen. Auf dieser Grundlage will das Kabinett dann über eine Abschaffung entscheiden. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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