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Gymnasium (Symbolfoto)

Bayern

Kommunen lassen Schulnamensgeber überprüfen

Die Umbenennung des Otfried-Preußler-Gymnasiums hatte in Bayern für heftige Diskussionen gesorgt. Es gibt aber noch weitere Schulen, bei den die Eignung der Namensgeber fraglich ist. Kommunen stellen nun zahlreiche Namen auf den Prüfstand.

Von Montag, 13.05.2024, 10:48 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.05.2024, 10:58 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Das Thema NS-Vergangenheit von Schul-Namensgebern beschäftigt weiter die Behörden im Freistaat. Nach der hitzigen Debatte um die Umbenennung des Otfried-Preußler-Gymnasiums in Pullach gibt es nun Diskussionen über die Namensgeber weiterer Schulen in Schwaben und Oberbayern. So wird in Augsburg wie bereits vor mehreren Jahren die Umbenennung der nach dem Komponisten Werner Egk benannten Grundschule geprüft. In Neuburg an der Donau geht es um die nach Paul Winter, ebenfalls ein Komponist, benannte Realschule. In allen Fällen spielen die Aktivitäten der Namensgeber während der Zeit der Nazi-Diktatur eine Rolle.

Bereits vor fünf Jahren lief in Augsburg eine breite Diskussion um die Werner-Egk-Grundschule im Stadtteil Oberhausen, weil dem Namensgeber Mitläufertum während der Nazizeit vorgeworfen wurde. Letztlich kam es aber nicht zu einer Umbenennung der Schule, der Stadtrat war dagegen. Nun gibt es einen neuen Anlauf dafür, nachdem es auch neue wissenschaftliche Stellungnahmen zu Egk (1901-1983) gibt.

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Der Komponist wurde im schwäbischen Donauwörth geboren und war ein Schüler von Carl Orff. 1936 wurde er Kapellmeister an der Berliner Staatsoper, zwei Jahre später erschien seine Oper „Peer Gynt“ (1938), die Adolf Hitler gefallen haben soll. Auch für die von den Nazis zu Propagandazwecken missbrauchte Olympischen Spiele 1936 lieferte er Musik.

Wissenschaftler brachten neue Debatten in Gang

Eine Musikwissenschaftlerin hatte zuletzt im Auftrag der Geburtsstadt eine Untersuchung über Egk erstellt. Nach Angaben der Stadt soll das Dokument auch demnächst veröffentlicht werden. Der „Augsburger Allgemeinen“ liegt die Studie nach eigenen Angaben bereits in Auszügen vor. Über die Arbeit der Wissenschaftlerin mit bislang verschlossen, im Donauwörther Stadtarchiv verwahrten Briefen Egks berichtet das Blatt: „Sie fand darin Äußerungen, wegen denen man kaum anders kann, als den Komponisten einen gehässigen Antisemiten zu nennen, zumal seine Äußerungen privat und lang vor 1933, also nicht unter Druck der Diktatur, getätigt wurden.“

Eine Mehrheit des Augsburger Stadtrats, darunter die schwarz-grüne Rathauskoalition und die SPD, hat mittlerweile einmal mehr die Umbenennung der Grundschule auf den Weg gebracht. „Als Opportunist und Nutznießer der nationalsozialistischen Herrschaft, der nach 1945 nach dem jetzt vorliegenden Wissensstand nicht zur kritischen Selbstreflexion bereit war, ist Werner Egk in den Augen der Fraktionen menschlich kein Vorbild und ergo kein geeigneter Namenspatron“, heißt es in dem Antrag.

Die Stadt erwartet nun zunächst eine Stellungnahme der Schule, dann wird der Antrag nach Angaben eines Sprechers im Stadtrat behandelt. Nachdem die CSU als größte Fraktion mittlerweile im Gegensatz zu 2019 auch für eine Umbenennung ist, wird dort eine breite Zustimmung erwartet. Final gehen solche Anträge dann an das Kultusministerium in München zur Entscheidung.

Auch der Stadtrat von Donauwörth, wo Egk als Ehrenbürger geführt und mit einem Museum gewürdigt wird, will sich aufgrund der neuen Studie nochmals mit dem Umgang mit dem Komponisten beschäftigen. Bislang gebe es aber noch keine konkreten Ergebnisse, sagte eine Stadtsprecherin. In mehreren anderen Orten wie der Landeshauptstadt München wird Egk ebenfalls gewürdigt, indem Straßen nach ihm benannt wurden.

Stadt und Landkreis wollen auch Komponist Winter überprüfen

In Neuburg gibt es Diskussionen um einen anderen Musiker, Paul Winter (1894-1970). Er war im Zweiten Weltkrieg ein hochrangiger Soldat und ist heute ebenfalls in seiner Heimatstadt als Schul- und Straßen-Namensgeber sowie Ehrenbürger verewigt. Dort sorgt ebenfalls eine neue Untersuchung eines Historikers für Diskussionen. Der Wissenschaftler kommt zum Schluss, dass Winters „Aktivitäten von 1938 bis 1945 im Oberkommando der Wehrmacht als bürokratischer Sachverwalter und Vorbereiter des Unheils, von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sowie seine Affinität zum NS-System besonders schwer“ wögen.

Die Neuburger Stadtverwaltung strebt weitere Untersuchungen zu Winters Vergangenheit an. Der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, der Träger der Neuburger Paul-Winter-Realschule ist, hat sich gemeinsam mit der Stadt ans Kultusministerium gewandt. Das Ministerium in München soll den Kommunalbehörden Unterlagen zu einer früheren Untersuchung über NS-belastete Schul-Namensgeber, bei der es auch um Winter ging, zur Verfügung stellen.

Entscheidung zu Preußler-Gymnasium steht bevor

Eine Ministeriumssprecherin erläuterte, dass immer wieder Namensgeber von Schulen kritisch geprüft würden, bezogen auf die jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Der Prozess einer solchen Würdigung von Schul-Namensgebern könne entsprechend dem aktuellen Kenntnisstand über biografische Be- und Entlastungsfaktoren immer nur vorläufiger Natur sein, erläuterte sie. Der Prozess sei „somit definitiv nie abgeschlossen“.

Im Ministerium liegt derzeit jedenfalls schon der Antrag auf Umbenennung der Pullacher Schule, die den Namen des international erfolgreichen Kinderbuchautors Otfried Preußler (1923-2013) trägt. Die Diskussion um die Benennung des Gymnasiums hatte wegen der Prominenz des Schöpfers von „Der Räuber Hotzenplotz“ und anderer Klassiker bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Als einen Grund für die beantragte Neubenennung nannte die Schulleitung Preußlers frühe Zeit als Soldat sowie sein Frühwerk „Erntelager Geyer“, das um 1940 und 1942 entstand und in dem er das Leben in der Hitlerjugend beschönigt. Die Entscheidung des Ministeriums wird in Kürze erwartet. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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