BKA-Statistik
Deutliche Zunahme „fremdeinfelindlich“ motivierter Straftaten
Neue Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität zeigen: Hassvergehen nehmen zu. Einen besonders starken Anstieg verzeichnete die Polizei bei „fremdenfeindlich“ motivierten Straftaten. Fast die Hälfte aller registrierten Fälle gehen auf das Konto von Rechtsextremisten.
Dienstag, 21.05.2024, 14:18 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.05.2024, 14:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Zahl der polizeibekannten politisch motivierten Straftaten hat mit 60.028 Delikten 2023 den höchsten Stand seit der Einführung der Statistik 2001 erreicht, mit einem leichten Zuwachs von weniger als 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In 3.561 Fällen handelt es sich um Gewalttaten, knapp 12 Prozent weniger als 2022. Das geht aus der am Dienstag in Berlin von Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Statistik zur politischen Kriminalität.
Danach haben rechts motivierte Straftaten deutlich um 23,21 Prozent auf 28.945 Fälle zugenommen. Damit machen diese Taten weiterhin knapp die Hälfte aller von der Polizei registrierten Fälle aus.
Mehr Hass auf vermeintlich Fremde
Deutlich zugelegt (um 47,63 Prozent) hat den Angaben zufolge die Hasskriminalität mit insgesamt 17.007 Fällen. Gemeint sind Taten, bei denen jemand aus Vorteilen gegen bestimmte Gruppen gehandelt hat. Die weitaus größte Gruppe bilden mit 15.087 sogenannte „fremdenfeindliche“ Taten, die meist in den Phänomenbereich rechts fallen. Die Statistik führt getrennt auch „ausländerfeindliche“ Motive an, hier geht es gezielter um die tatsächliche oder vermutete Nationalität. Ebenfalls weit verbreitet sind antisemitische und rassistische Motive.
Staat und Religion als Ziele
Straftaten gegen Religionsgemeinschaften haben sich auf 7.029 mehr als verdoppelt, meistens traf es dabei religiöse Repräsentanten – darunter auch 70 Angriffe auf Moscheen und 42 auf Synagogen. Um mehr als ein Viertel ist hingegen die Zahl der Taten gegen den Staat und seine Vertreter gesunken, auf 15.050. Doch ganz so erfreulich, wie es den Anschein hat, ist diese Entwicklung nicht, denn zugleich hat die Zahl der Delikte gegen Menschen, die sich politisch engagieren oder ein staatliches Amt ausüben, erheblich zugenommen (um 29,12 Prozent auf 6.508).
Häufig haben diese Menschen demnach Beleidigungen, Nötigungen oder Bedrohungen und Propaganda erlebt. Die politische Motivation bleibt unklar, denn die allermeisten Taten fallen in den Bereich „sonstige Zuordnung“. Das heißt, die Polizei konnte sie weder rechts oder links noch bei ausländischer oder religiöser Ideologie verorten.
Antisemitismus
Einen massiven Anstieg gab es Angaben zufolge im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt, insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Die Zahl der polizeibekannten Taten aus diesem Kontext betrug mit 4.369 im vergangenen Jahr mehr als das Siebzigfache der 61 Delikte des Vorjahrs.
Insgesamt 1.927 dieser Taten gelten als antisemitisch, die allermeisten davon wurden ab dem 7. Oktober begangen. Mehr als die Hälfte der knapp 4.400 Taten ordnet die Polizei dem Bereich „ausländische Ideologie“ zu. Sie sieht also Anhaltspunkte dafür, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Ideologie entscheidend für die Tat war.
Propaganda, Beleidigungen, Internet
Den Löwenanteil der Straftaten machten mit einem Drittel Propagandadelikte aus, also zum Beispiel das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das können etwa Abzeichen wie der SS-Totenkopf sein oder Parolen. Auf Platz zwei folgten Sachbeschädigungen (15,50 Prozent), gefolgt von Beleidigungen (13,95 Prozent) und Volksverhetzungen (12,77 Prozent).
Erheblich angestiegen ist die Zahl der im oder mit Hilfe des Internets begangenen politisch motivierten Straftaten auf 15.488 – eine Zunahme um 60,08 Prozent. Eine sprunghafte Zunahme gab es insbesondere in den Bereichen religiöse sowie ausländische Ideologie. Den größten Anteil machten hier allerdings die rund 7.000 Taten aus dem rechten Spektrum aus.
Weniger Gewalttaten – mehr Gesundheitsschäden
Die Zahl polizeibekannter politisch motivierter Gewalttaten ist um fast 12 Prozent gegenüber 2022 gesunken. Die 1.270 Taten aus dem rechten Spektrum machen hier den Großteil aus, gefolgt von 916 Taten aus dem linken Spektrum. Zu den Gewalttaten gehören Körperverletzungen, aber auch 17 versuchte und drei vollendete Tötungsdelikte.
Insgesamt 1.759 Menschen und damit mehr als im Vorjahr (plus 5,96 Prozent) haben durch politisch motivierte Gewalt einen gesundheitlichen Schaden davongetragen. Die meisten dieser Taten geschahen aus rechten Motiven.
Jede zweite Straftat nicht aufgeklärt
Etwas weniger als die Hälfte der im Vorjahr erfassten Straftaten (46,85 Prozent) konnte aufgeklärt werden, bei den Gewalttaten lag die Quote mit 63,35 Prozent höher. Als aufgeklärt zählen nur Fälle, bei denen es bis zum 31. Januar des Folgejahres mindestens einen namentlich bekannten Tatverdächtigen gibt.
Bei der Statistik handelt es um eine sogenannte Eingangsstatistik, das heißt Taten werden dann erfasst, wenn sie der Polizei bekannt werden – es gibt also ein Dunkelfeld. Mehrfachzählungen sind möglich, wenn Delikte in mehr als eine Kategorie (Phänomenbereich) fallen. (dpa/mig) Leitartikel Panorama
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