Bürgergeld-Aus?
Innenministeirum für EU-Verteilung von Ukrainern
Der Schutz nach der „Massenzustrom-Richtlinie“ für Ukrainer läuft im März 2025 aus. Das Innenministerium dringt auf ein EU-weites Verteilregime. CSU fordert ein Ende des Bürgergelds. Einer aktuellen Studie zufolge braucht die Arbeitsmarktintegration von Ukrainern noch Jahre.
Sonntag, 26.05.2024, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.05.2024, 14:09 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Das Bundesinnenministerium dringt auf ein EU-weites Verteilregime für neue Ukraine-Flüchtlinge. Deutschland setze sich „nachdrücklich für eine solidarische Verteilung der Schutzsuchenden ein und ist der Ansicht, dass insbesondere eine Auseinandersetzung und Lösungsfindung mit Blick auf Sekundärmigration aus anderen Mitgliedstaaten der EU erforderlich ist“, sagte ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Zeitung „Welt“. Es solle daher EU-weit ein gleichmäßiges Verteilungsregime für Neuankömmlinge aus der Ukraine angestrebt werden. Bei Sekundärmigration zieht ein Migrant aus dem Land, in dem er zuerst angekommen ist, in ein anderes weiter.
Derzeit wird auf EU-Ebene über eine Anschlussregelung für Ukraine-Flüchtlinge verhandelt. Der vorübergehende Schutz nach der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie läuft am 4. März 2025 aus; wie genau eine Folgeregelung aussehen soll, ist noch nicht entschieden. Offen ist, ob es gegebenenfalls Änderungen zum bisherigen Verfahren geben wird, etwa durch ein neues Verteilregime. Wichtig sei, dass man „weiterhin mit der Ukraine zu allen wichtigen Fragen im Gespräch bleibe“, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.
CSU fordert Bürgergeld-Aus für Fahnenflüchtige
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert im Falle einer Verlängerung des Schutzstatus ein Ende des Bürgergelds. Der CSU-Politiker sagte dem Nachrichtensender Welt TV: „Das Mindeste ist, dass wir kein solches Bürgergeld zahlen und insbesondere nicht an Männer, die eigentlich zum Wehrdienst in ihrer ukrainischen Heimat verpflichtet sind.“ Die Männer würden für die Verteidigung der Ukraine gebraucht. „Wir wollen die Ukraine bestmöglich unterstützen, aber es kann nicht gleichzeitig sozusagen auch noch Prämien geben für diejenigen, die fahnenflüchtig sind“, sagte er.
Inzwischen seien mehrere Tausend wehrpflichtige Männer aus der Ukraine in Deutschland, die „hier eben das Bürgergeld kassieren und damit aber zur Verteidigung der Ukraine fehlen“. Dass Deutschland Ukrainern im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen sofort Bürgergeld zahle, habe die CSU immer für falsch gehalten. „Warum die mehr bekommen sollen als sonst ein Asylbewerber bekommt, ist nicht ersichtlich. Und das führt dazu, dass sie eben mit diesem sehr stattlichen deutschen Bürgergeld zunächst einmal keinen so unmittelbaren großen Anreiz verspüren, sich sofort nach Arbeit umzusehen.“
Ukrainische Geflüchtete: Arbeitsmarktintegration braucht Jahre
Einer aktuellen Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge braucht es noch Jahre, bis mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen ukrainischen Geflüchteten in Deutschland einen Job gefunden haben. Aus der Simulation gehe hervor, dass fünf Jahre nach der Ankunft der Ukrainerinnen und Ukrainer deren Erwerbstätigenquote auf 45 Prozent steigen könnte, teilte das Institut am Freitag mit. Nach zehn Jahren sei in diesem Szenario eine Quote von 55 Prozent möglich.
Die Unterschiede in den Erwerbstätigenquoten zwischen Männern und Frauen sind erheblich: Fünf Jahre nach der Ankunft erreichen Männer den Angaben zufolge eine Quote von 58 Prozent, während Frauen lediglich auf eine Quote von 41 Prozent kommen. Nach zehn Jahren erhöhen sich diese Werte auf 68 Prozent für Männer beziehungsweise 52 Prozent für Frauen. Zum Vergleich: Die Erwerbstätigenquote der 20- bis 64-Jährigen in Deutschland lag 2023 bei 77,4 Prozent.
Schlechte Gesundheit, gute Bildung
„Insbesondere der hohe Anteil alleinerziehender Mütter sowie der vergleichsweise schlechte Gesundheitszustand der ukrainischen Geflüchteten wirken sich dämpfend auf die Entwicklung der Erwerbstätigenquoten aus“, erklärte IAB-Bereichsleiterin Yuliya Kosyakova. Hingegen seien deren hohes Bildungsniveau und der Wegfall des Asylverfahrens günstig für die Integration in den Arbeitsmarkt. „Gezielte Sprachförderungsmaßnahmen verbessern nicht nur kurzfristig die Sprachfähigkeiten, sondern tragen auch mittel- bis langfristig zur Erhöhung der Erwerbstätigenquoten bei und können somit den Sozialleistungsbezug reduzieren“, sagte IAB-Bereichsleiter Herbert Brücker.
Die Simulationsstudie beruht auf einer Stichprobe von Geflüchteten, die vor 2022 nach Deutschland zugezogen sind, sowie anderer Migranten aus der früheren Sowjetunion. Dem Basisszenario liegen realistische Annahmen über demografische Faktoren, Familienkonstellationen, Bildung, Sprache, institutionelle und wirtschaftliche Faktoren zugrunde.
Die „Massenzustrom-Richtlinie“
Bislang können sich Ukrainer ihr Zielland in der EU frei aussuchen, sie können auch weiterreisen. Deutschland hat mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine aufgenommen. „Für Deutschland ist neben Fragen einer langfristigen Perspektive für die bereits aufhältigen Geflüchteten mit einer Schutzgewährung wichtig, innerhalb der EU ein gemeinsames Vorgehen, insbesondere eine solidarische Verteilung und die Verhinderung von Sekundärmigration für künftig ankommende Geflüchtete sicherzustellen“, sagte der Sprecher des Innenministeriums. „Dazu könnte die Anwendung von Artikel 11 einen Beitrag leisten.“
Artikel 11 der Massenzustrom-Richtlinie verpflichtet Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark eigentlich dazu, Schutzberechtigte zurückzunehmen, die unerlaubt in einen anderen EU-Staat weiterreisen wollen. Bislang findet er allerdings keine Anwendung. Sollte er nun angewendet werden, müssten neu ankommende ukrainische Flüchtlinge gegebenenfalls mit Rückführung rechnen, wenn sie innerhalb der EU weiterreisen. (dpa/mig) Aktuell Politik
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