Mecklenburg-Vorpommern
Mutmaßlich rassistischer Angriff auf zwei ghanaische Mädchen
Eine Gruppe junger Leute soll zwei ghanaische Mädchen in Grevesmühlen angegriffen haben. Eine Achtjährige und ihr Vater werden verletzt. Der Fall sorgt für Entsetzen – eine „abscheuliche und schockierende Tat“.
Sonntag, 16.06.2024, 10:48 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.06.2024, 8:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Ein mutmaßlich rassistischer Angriff einer Gruppe junger Leute auf zwei ghanaische Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern hat für Entsetzen gesorgt. Bei dem Vorfall in Grevesmühlen wurden ein achtjähriges Mädchen und sein Vater nach Polizeiangaben vom Samstag verletzt. Beide wurden mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht.
Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler waren das achtjährige Mädchen und seine zehn Jahre alte Schwester am Freitagabend gegen 19.30 Uhr aus einer Gruppe von etwa 20 Jugendlichen und Heranwachsenden heraus angegriffen worden. Dem jüngeren Mädchen sollen die Angreifer unter anderem ins Gesicht getreten haben. Als die Eltern der Kinder hinzukamen, soll es nach Polizeiangaben auch mit diesen zu einer Auseinandersetzung gekommen sein. Die Ermittlungen seien sehr umfangreich und würden noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Es habe zudem Hinweise gegeben, dass auf dem Stadtfest in Grevesmühlen (13. bis 16. Juni) rassistische Parolen zu einer bekannten Melodie von Gigi D’Agostino gesungen worden sein sollen. Im Zusammenhang mit dem Lied „L’amour toujours“ gibt es immer wieder Schlagzeilen, weil zuletzt vielerorts Menschen dazu rassistische Parolen gebrüllt hatten.
Innenminister verurteilt Attacke
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel verurteilte die Attacke aufs Schärfste. „Man greift keine Menschen an, erst recht keine Kinder und schon gar nicht aus rassistischen Motiven“, sagte der SPD-Politiker. Für Rassismus sei in der Gesellschaft kein Platz. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) schrieb auf der Plattform X: „Das verletzte Mädchen ist 8 Jahre – so jung wie meine Tochter. Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass & Hetze unsere Gesellschaft vergiften und Gewalt unsere Kinder bedroht.“
Auch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), verurteilte die Beleidigungen und Attacken scharf. „Bodenlose Hetze und enthemmte Gewalt gegen Kinder sind niederster Menschenhass“, sagte die Politikerin dem Berliner „Tagesspiegel“ am Sonntag. Göring-Eckardt forderte Konsequenzen aus dem Vorfall: „Es braucht einen Aufstand der Anständigen“, sagte sie. Rassismus sei in Deutschland nie weg gewesen, sondern habe sich in der Gesellschaft eingenistet. „Rassisten trauen sich heutzutage wieder, lauter und hemmungsloser zu hetzen. Dem muss eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft und ein wehrhafter Rechtsstaat konsequent und mit voller Härte Einhalt gebieten“, forderte Göring-Eckardt.
Rassistische Beleidigung
Wie ein Sprecher der Einsatzleitstelle der Polizei am Samstag der Deutschen Presse-Agentur sagte, stellten Einsatzkräfte nach dem Vorfall Personalien fest. Unter den bekannten Namen seien auch mögliche Tatverdächtige. Die Ermittler würden dem nun nachgehen.
Als die Polizei am Freitagabend vor Ort eintraf, soll eine Person aus der Gruppe die Opfer beim Weggehen auch rassistisch beleidigt haben. Aus der Gruppe hätten sich bis zu acht Menschen an der Attacke beteiligt, schilderte die Polizei. Sie ermittelt wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung. Die Beamten suchen Zeugen des Vorfalls.
Bürgermeister spricht von „bodenlosem Hass“
Grevesmühlens Bürgermeister Lars Prahler sagte NDR 1 Radio MV, „diese rassistisch motivierte Tat macht mich einfach fassungslos. Das zeugt von bodenlosem Hass und enthemmter Unmenschlichkeit und lässt sich nicht entschuldigen“. Es sei auch keine Entschuldigung, dass es sich um Jugendliche handele. Prahler sprach der Familie der Mädchen sein Mitgefühl aus und kündigte an, zeitnah Kontakt mit ihr aufnehmen zu wollen.
Das örtliche Stadtfest am Samstag soll trotz des Vorfalls stattfinden. „Weil wir uns von derlei Aktionen von Randgruppen nicht vorgeben lassen wollen, wie wir als Stadtgesellschaft miteinander leben wollen“, sagte Prahler.
„Ich glaube, wir leben gerade in sehr schwierigen Zeiten, wo komplexe Probleme auf der Straße liegen und diejenigen es einfach haben, die mit dumpfen Parolen und einfachen Lösungen Leute einfangen, als Menschenfänger“, sagte Prahler. Es sei an der Zeit, dass die Mehrheitsgesellschaft, die das Abdriften in rassistische Menschenbilder ablehne, sich Gehör verschaffe und Zeichen setze.
Integrationsbeauftragte: Abscheulich und schockierend
Mecklenburg-Vorpommerns Integrationsbeauftragte Jana Michael sprach am Samstag von einer „abscheulichen und schockierenden Tat“. Sie appellierte an die Mitglieder der Jugendgruppe, die Täter zu benennen und nicht aus Gruppendruck zu schweigen. „Jeder Zeuge, der schweigt, macht sich mitschuldig und verhindert die Aufklärung dieser widerlichen Gewalt an Kindern.“
Der Landrat von Nordwestmecklenburg, Tino Schomann (CDU), sprach von einem nicht zu tolerierenden Grenzübertritt. „Verabscheuungswürdige Taten wie diese lassen mich sprachlos zurück“. Im Landkreis sei kein Platz für Gewalt. „Taten wie diese sind eine Schande. Aus einer Gruppe heraus auf die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft loszugehen ist an Feigheit kaum zu übertreffen!“
Linken-Innenpolitiker Michael Noetzel sagte, „was zur Hölle ist in unserem Bundesland los? Der rassistische Angriff in Grevesmühlen ist an Niederträchtigkeit nicht zu überbieten.“ Angesichts einer derart grausamen und feigen Tat fehlten ihm die Worte. „Nicht nur in Grevesmühlen, auch in Schwerin, Rostock und anderen Orten des Landes fühlen sich rassistische und nazistische Täter offenbar zunehmend ermutigt und ermächtigt zuzuschlagen.“ (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama
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