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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Fremdenfreundliche Stimmung

Hunderttausende Ausländer machen Deutschland gerade zu einem fremdenfreundlichen Land – für wenige Wochen. Danach köcheln wieder Merz, FDP und „Bild“ – für die AfD.

Von Montag, 24.06.2024, 10:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.06.2024, 8:29 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Wenn ich dieser Tage in die Nachrichten oder die Zeitung schaue, scheint es, als gebe es nur ein einziges Problem in Deutschland. Spaziere ich hingegen durch meine Stadt, dann fallen mir so viele Dinge auf. Wo es aufgrund der ungesunden deutschen Hyperfixierung auf das Auto als Fußgänger oder Radfahrer ohnehin schon schwer ist voran zu kommen, ist es dieser Tage noch beispielsweise noch schlimmer. Fußwege, Radwege, Flaniermeilen, überhaupt große Teile der Stadt (außer natürlich der Straßen) sind aufgrund von Zugeständnissen an die lokale und internationale Trinkerszene für mehr als eine Woche beinahe vollständig abgeriegelt.

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Viele dieser Plätze sind auch ohne das hohe Aufkommen von Alkoholikern und Schaulustigen auf die zu dieser Zeit eigentlich zu erwartenden Temperaturen nicht vorbereitet – und dabei hat der Klimawandel noch gar nicht so richtig losgelegt. Öffentlich zugängliche Trinkwasserstellen gibt es kaum, das überall verfügbare Wasser ist völlig versalzen; es gibt zudem kaum Schatten spendende Bäume, die gleichzeitig die Luftqualität verbessern könnten.

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Der von den Straßen ausgehende Motor- und Rolllärm ist mindestens so lästig, wie die auf Gehwegen abgestellten Fahrzeuge – eingeschlossen sind dabei natürlich auch die verbotenerweise auf ebendiesen Gehwegen verkehrenden und stehenden E-Roller.

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Die Bewohner der Stadt leiden, wie in großen Teilen des Landes, unter dem Fehlen von bezahlbarem Wohnraum, nachdem nach und nach der Großteil des Immobilienbesitzes bei nur den Shareholdern verpflichteten Aktiengesellschaften gelandet ist. Es gibt eine kleine, hauptsächlich obdachlose Drogenszene, für die die Stadt, wohl um eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Problem zu vermeiden, seit Wochen das Laienschauspiel „Polizeistaat“ aufführt.

„Es geht halt doch: Auf großer Bühne gefällt sich Deutschland ‚vereint im Herzen Europas‘… Wahrscheinlich liegt es aber nur daran, dass diese Ausländer in ein paar Wochen wieder verschwunden sind.“

Nachdem Bayern mittlerweile nicht mehr unter Wasser steht, haben uns Klimaaktivisten zwar durch einen „Farb-Anschlag“ auf Stonehenge (von dem sich das 5.000 Jahre alte Bauwerk wohl nie wieder erholen wird) darauf aufmerksam gemacht, dass wir den Klimaschutz eigentlich schon wieder vergessen hatten, darauf, dass, wenn wir unseren Arsch nicht endlich hochkriegen, jedermann und seine Kinder so richtig in ebenjenen gekniffen sind und mit jedem vergehenden Jahr noch härter gekniffen sein werden. Doch bereits die Schweiz ist schon wieder weit genug weg, um die Nachrichten über Wetterextreme mit einem wohligen Schauer und den Händen in den Schoß gefaltet verfolgen zu können.

Was ich dieser Tage auch in den Medien sehe, sind hunderttausende Menschen unterschiedlichster Nationen, die nach Deutschland kommen, um es zu einem besseren Ort zu machen und die mit ihrer besonderen Art eine gelöste, fremdenfreundliche Stimmung in dieses Land bringen. Es geht halt doch: Auf großer Bühne gefällt sich Deutschland „vereint im Herzen Europas“. Wo schottische Fans auf dem Trockenen sitzen, werden schnell mal ein paar Bier vom Balkon in die Menge gereicht und die Hollandser sind ja auch so drollig mit ihrem mal nach links, mal nach rechts.

„Solange … wird die ‚Bild‘ ihr Schmierheftchen verkaufen, wird sie Friedrich Merz zum „Klartext-Politiker“ aufbauschen und der AfD Unmengen neuer Wähler verschaffen…“

Wahrscheinlich liegt es aber nur daran, dass diese Ausländer in ein paar Wochen wieder verschwunden sind – denn gleichzeitig sucht die deutsche Politik die Nähe der Taliban, um Menschen in deren terroristischen Staat abschieben zu können und so deren terroristische Führung auf eine Ebene mit anderen Staatenlenkern zu heben – weil jetzt plötzlich sicher ist, was zuvor so schlimm war, dass wir mit Soldaten (erfolglos) einmarschieren mussten, um ebendiese Verhältnisse zu beseitigen.

Was ich seltsamerweise nicht sehe, wenn ich offenen Auges durch die Stadt gehe, ist dieses schreckliche Migrationsproblem, von dem die Medien und die Parteien so besessen sind. Wenn das Problem aber so groß wäre, wie die öffentliche Aufmerksamkeit impliziert, müssten eigentlich marodierende Horden von Ausländern plündernd und brandschatzend durch die Stadt ziehen, Mord rufen und des Krieges Hund entfesseln. Andernfalls wäre es, wie so oft, wenn Union oder FDP mitreden dürfen, halt doch wieder nur ein Geldproblem, weil die selbsternannten Wirtschaftsexperten keinen Zusammenhang zwischen Investition und Rendite kennen: Würden Christian Lindner und Friedrich Merz zusammen eine Spedition eröffnen, würden sie wohl weder Lager noch Fahrzeuge oder Personal anschaffen, weil die dafür notwendigen Kredite nur die zukünftigen Quartalsziele gefährdeten. Stattdessen säßen die beiden schuldenlos den ganzen Tag bei Dosenbier an der Bushalte und lobten sich für ihr schuldenfreies Unternehmen. Gratuliere, ihr zwei Blitzbirnen.

Allerdings gibt es in diesem Land eben auch noch eine kleine Minderheit von Menschen – die sich durch die Allgegenwart der deutschen Tricolore gerade wieder mal als Teil einer fiktiven schweigenden Mehrheit fühlen wird und – die geradezu pathologisch besessen ist vom Thema Migration, sowie eine Reihe von Leuten, die diese Minderheit als nützliche Idioten einspannt, um mit ihnen politischen oder monetären Profit machen zu wollen – wir alle wissen, wer diese Menschen sind, von daher muss ich wohl weder erneut Friedrich Merz und die CDU/CSU, noch Mathias Döpfner und die „Bild“/Springer-„Presse“ benennen. Solange uns diese Kräfte einen ewigen Dialog über Zuwanderung aufzwingen können, weil wir den Konflikt stets weiter am Köcheln lassen, statt gerade den Kommunen mit Geld zur Seite zu stehen, um allen Ankommenden eine Perspektive und gelungene Integration anbieten zu können, wird die „Bild“ ihr Schmierheftchen verkaufen können, wird sie Friedrich Merz zum „Klartext-Politiker“ aufbauschen und werden der AfD Unmengen neuer Wähler zulaufen, für die am Ende der Reise selbst Springer System- und Lügenpresse und die Union eine linksgrüne Partei sind.

„Deniz Undav und Ilkay Gündoğan – Männer, die sicher nicht ständen, wo sie heute stehen, wenn sie jahrelang mit dutzenden anderen ohne Perspektive in einer Turnhalle eingepfercht worden wären.“

Wie viel hingegen könnte der Rest von uns erreichen, wenn wir uns einfach dazu entschlössen, diese bemitleidenswerten Kleingeister einfach rechts liegenzulassen und stattdessen die echten Probleme in den öffentlichen Diskurs holten und prominent stritten? Wenn wir dem Fritzl bei seinem nächsten Rechtsausleger einfach paternalistisch auf die Schulter klopften und ihn dann daran erinnerten, dass sich gerade Erwachsene unterhalten – über die geplante Abschaffung des Briefgeheimnisses als angebliches Mittel gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern zum Beispiel, darüber, wie wir auch in Zukunft noch unsere Wohnung im Winter warm bekommen, ohne dass im Sommer das ganze Haus samt Garten verbrennt, oder von mir aus sogar darüber, dass es seit Jahren zum ersten Mal wieder einer DFB-Auswahl gelungen ist, die Vorrunde eines großen Turniers zu überstehen, und dass das eben auch an echten Deutschen wie Deniz Undav und Ilkay Gündoğan liegt – Männer, die sicher nicht ständen, wo sie heute stehen, wenn sie jahrelang mit dutzenden anderen ohne Perspektive in einer Turnhalle eingepfercht worden wären. Meinung

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  1. Gerrit sagt:

    Ich bin seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe unterwegs.

    Für mich ist besonders erschreckend, daß viel gefährlicher Halbwissen und Nichtwissen existiert – zusätzlich geschürt durch beispiellose Polemik.

    Würden die angekommenen Menschen mehr und besser integriert, gäbe es viele, viele Probleme weniger. Leider ist „Integration“ für viele aus der Politik nur eine Worthülse und politische Meinungen ändern sich oft.