Schikane oder Steuern?
Ministerium kippt umstrittene Verpackungsregel für Shisha-Tabak
Shisha-Bars haben in Deutschland keinen guten Ruf. Deshalb rumorte es, mit der Kleinpackung-Pflicht und höheren Preisen habe die Politik die Szene schikanieren, die Branche kaputtmachen wollen. Bald soll es Wasserpfeifentabak aber wieder in großen Packungen geben – wegen Steuern.
Montag, 24.06.2024, 10:49 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.06.2024, 11:08 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nach scharfer Kritik kassiert das Bundesfinanzministerium eine umstrittene Verpackungsregel für Shisha-Tabak. Wie aus einer Verordnung des Ministeriums hervorgeht, wird die Höchstgrenze von 25 Gramm pro Packung Wasserpfeifentabak aufgehoben. Ab dem 1. Juli seien wieder alle Packungsgrößen freigegeben. Das Regelwerk liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Damit vollziehen das Ministerium und der Zoll einen Kurswechsel: Mitte 2022 war die Höchstgrenze eingeführt worden, um dem vermeintlichen Steuerbetrug in der Shisha-Branche Einhalt zu gebieten. Angaben zufolge kauften viele Bars große Packungen und verkauften kleine Einzelportionen an die Kundschaft weiter – eigentlich ein gewöhnlicher Vorgang in der Gastronomie. Dadurch sollen sie aber weniger Steuern an den Fiskus gezahlt haben, als sie es hätten tun müssen. Die Ordnungshüter gingen in Razzien immer mal wieder dagegen vor – ohne Erfolg.
Die Verpackungsregel sollte die Lösung sein: Weil ab Mitte 2022 nur noch 25-Gramm-Packungen erlaubt waren, war eine Aufteilung des Inhalts – also die „Vereinzelung“ – angesichts der geringen Menge gar nicht mehr möglich. Als Folge der neuen Regel würden die Steuereinnahmen anziehen, schätzte das Bundesfinanzministerium. Doch diese Annahme erwies sich als Trugschluss: Der Fiskus nahm nicht mehr ein, sondern deutlich weniger.
Schwarzmarkt boomt
Nach Lesart des Bundesverbandes Wasserpfeifentabak lagen die rückläufigen Steuereinnahmen an einem Boom des Schwarzmarktes. Der Konsum sei stabil geblieben, sagte Verbandsgeschäftsführer Folke Rega und begründete diese Annahme mit dem stabilen Verkauf von spezieller Shisha-Kohle. Ein Großteil davon werde genutzt, um den Schwarzmarkt-Tabak anzuzünden. Wegen der Verpackungsvorschrift hatten sich die Preise für den Wasserpfeifentabak etwa verdoppelt. Der legale Markt brach laut Verband auf nur noch ein Zehntel des Niveaus von 2021 ein, also von vor Einführung der Verpackungsregel. Erste Händler machten dicht, andere Firmen bekamen allmählich Schlagseite.
Die Kritik gegen die Verpackungsregel wuchs, die Unterstützer der Wasserpfeifen-Branche kamen aus ganz unterschiedlichen Ecken. So wiesen Umweltschützer darauf hin, dass es durch die Pflicht zur 25 Gramm-Packung – so viel reicht in etwa für einen Wasserpfeifen-Kopf, also eine Portion – deutlich mehr Verpackungsmüll gebe als vorher, als wenn man 200, 500 oder 1.000 Gramm-Packungen nimmt und in Relation zur Menge deutlich weniger Plastik nötig ist.
Positive Reaktionen auf Rücknahme
Mit der Verordnung ziehen das Bundesfinanzministerium und der ihm unterstellte Zoll nun die Reißleine, die noch von Schwarz-Rot eingeführte Regelung ist bald Geschichte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann zeigte sich erleichtert. „Mit der Einführung der Mengenbegrenzung bei Wasserpfeifentabak haben Union und SPD vor allem den Schmugglern und Betrügern ein Geschenk gemacht, die seitdem in großem Stil illegale Produkte auf den Markt gebracht haben.“ Leidtragende seien steuerehrliche Betriebe gewesen, die aufgrund der steigenden Preise und ausbleibender Kundschaft in die Insolvenz getrieben worden seien.
Info: Durch die Mitte 2022 eingeführte Vorschrift hat sich der Preis etwa verdoppelt. Um Geld zu sparen, besorgten sich viele Konsumenten illegale Produkte. Sie inhalierten daheim und nicht mehr in einer Shisha-Bar. Ein Blick auf die Steuerstatistik bestätigt den schlechten Zustand der Shisha-Branche. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2023 Steuerzeichen für 727 Tonnen Wasserpfeifentabak ausgegeben und damit deutlich weniger als 2022 (893 Tonnen). Im Vergleich zu 2021 – also dem Jahr vor der Einführung der Verpackungsvorschrift – waren es laut Generalzolldirektion 6.897 Tonnen gewesen. Der legale Markt macht aktuell also nur etwa ein Zehntel seines Volumens von 2021 aus.
Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Wasserpfeifentabak, Rega, äußerte sich ebenfalls positiv. „Für die Betriebe, die noch nicht aufgegeben haben, bedeutet die Regeländerung Rettung in letzter Sekunde. Die Existenz einer ganzen Branche war in Gefahr, sie hätte vor dem Schwarzmarkt kapitulieren müssen.“
Schikane oder doch nur Steuern?
Daumen rauf signalisierte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die Regelung war ein Geschenk an die organisierte Kriminalität“, sagte der Vorsitzende der GdP-Bezirksgruppe Zoll, Frank Buckenhofer. Nun begrüße man die Rücknahme dieser untauglichen Vorgabe.
Unzufrieden bis verärgert mit den bisherigen Regeln waren auch viele Kunden, die sich von der Politik schikaniert sahen. Shisha-Bars haben in Deutschland keinen guten Ruf und werden überwiegend von Jugendlichen mit Migrationshintergrund besucht. Sie gelten als sogenannte Safe-Spaces, Orte, an denen sich Gleichgesinnte treffen, sich austauschen und Zeit verbringen, ohne Diskriminierung befürchten zu müssen, der sie in anderen öffentlichen Räumen oft ausgesetzt sind. In der Szene rumorte es, die Politik wolle unter dem Vorwand der Steuerhinterziehung in Wahrheit die Branche kaputtmachen, damit die Bars schließen müssen.
Verband hofft auf weitere Änderungen
Der Verband appellierte an die Bundesregierung, einen weiteren Schritt zu gehen und den Verkauf von Portionen, die aus großen Packungen entnommen werden, in Shisha-Bars zuzulassen – also das seit langem geltende „Vereinzelungsverbot“ zu kippen. „Das wäre Rückenwind für die ehrlichen Barbetreiber, die sich an staatliche Regeln halten wollen.“ Diese Regeln müssten allerdings auch „alltagstauglich“ sein.
Ab dem 1. Juli ist der Verkauf großer Packungen also wieder erlaubt in Deutschland. Allerdings ist die Regeländerung sehr kurzfristig. „Daher kann es noch einige Zeit dauern, bis große Packungen wieder verfügbar sind“, sagte Rega. Ende Juli dürften die meisten Marken wieder in großen Packungen zu haben sein.
In Deutschland gibt es schätzungsweise 5.000 Shisha-Bars, in denen circa ein Viertel des in Deutschland verkauften Wasserpfeifen-Tabaks konsumiert wird – der Rest entfällt auf den privaten Bedarf. Laut Verbandsangaben gibt es circa 2.500 Verkaufspunkte wie Kioske und Tankstellen, sowie circa 200 Großhändler. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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