Folgen des EU-Pakts
Mob zündet in Türkei Geschäfte von Syrern an
Deutschland und die EU sind bemüht, Drittstaaten mit Flüchtlingspakten dazu anzuhalten, ihre Grenzen für Geflüchtete dichtzumachen. Damit wird das Problem aber nicht gelöst, sondern nur verlagert, wie ein Blick in die Türkei zeigt.
Donnerstag, 04.07.2024, 14:54 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 04.07.2024, 15:54 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Weil Länder und Kommunen sich unzureichend auf die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten vorbereiten, entsteht in der öffentlichen Wahrnehmung ein verzerrtes Bild. Weil Geflüchtete nicht gleichmäßig verteilt werden, machen in manchen Orten und Regionen Bilder von überfüllten Aufnahmeeinrichtungen die Runde. Kommunalpolitiker beklagen finanzielle Überforderung und fordern mehr Geld vom Land, die Länder wiederum sehen den Bund in der Pflicht.
Dieser öffentlich geführte Streit führt bei vielen Menschen dazu, dass ihre Aufnahmebereitschaft gegenüber Geflüchteten sinkt. In manchen Teilen der Bevölkerung so sehr, dass sie sich in Gewalt umschlägt. Experten weisen darauf hin, dass gewalttätige Übergriffe auf Geflüchtete und ihre Einrichtungen steigen, je mehr sich die Politik überfordert mit der Situation zeigt, je populistischer die Flüchtlingsdebatte geführt wird. Gleichzeitig will die Politik nicht, dass Deutschland auf internationaler Bühne mit Bildern von brennenden Flüchtlingsunterkünften von sich reden macht.
Deshalb sind die Bundesregierung und die Europäische Union (EU) bemüht, Pakte mit Drittstaaten auszuhandeln, damit weniger Menschen nach Europa kommen. Diese Vereinbarungen sehen in der Regel Geldzahlungen an die Drittstaaten vor. Im Gegenzug sollen diese Länder ihre Grenzen dichtmachen für Geflüchtete, damit sie nicht nach Europa flüchten können.
Mob greift Geschäfte von Syrern an
Wie ein Blick in die Türkei zeigt, wird mit solchen Pakten das Problem allerdings nicht gelöst, sondern nur verlagert. Am Donnerstag vergangener Woche etwa hat in der türkischen Provinz Kayseri ein Mob Geschäfte von Syrern angegriffen. Es seien auch Häuser und Fahrzeuge im zentraltürkischen Kayseri beschädigt worden, schrieb Innenminister Ali Yerliakya auf der Plattform X. Auf Videos war zu sehen, wie Menschen durch die Straßen zogen und Sprechchöre wie „Syrer raus“ und „Trete zurück, Erdogan“ riefen. „Es ist inakzeptabel, Häuser anzuzünden, Vandalismus zu betreiben und Straßen in Brand zu setzen“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu den Vorfällen.
Den Angriffen war die Festnahme eines syrischen Mannes vorausgegangen, der seine sieben Jahre alte Cousine sexuell missbraucht haben soll, schrieb die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu“. Der Verdächtige wurde mittlerweile verhaftet, das Mädchen in Obhut genommen. Insgesamt seien 67 Menschen nach den Angriffen festgenommen worden, so Yerlikaya.
Zunehmend feindliche Stimmung
In der Türkei herrscht eine zunehmend feindliche Stimmung gegenüber Syrern und anderen Menschen aus arabischen Ländern. Einer Umfrage von 2022 zufolge wollen 80 Prozent der Türken, dass Syrer das Land verlassen. Viele Menschen in der Türkei kritisieren die Flüchtlingspolitik von Präsident Recep Tayyip Erdoğan als verfehlt. In den sozialen Medien häufen sich auch rassistische Anfeindungen. In der Türkei leben rund dreieinhalb Millionen Menschen aus Syrien sowie viele weitere aus anderen afrikanischen, arabischen und asiatischen Ländern wie Afghanistan.
Die Menschen sind gefangen in dem Land, weil die EU mit der Türkei bereits 2016 einen Flüchtlingsdeal geschlossen hat. Das Land bekommt EU-Gelder und soll dafür sorgen, dass Geflüchtete nicht über die Landesgrenzen nach Europa weiterziehen. Die Türkei steckt allerdings in einer Wirtschaftskrise und ist überfordert mit der Aufnahme und Integration der Menschen. Eine Reaktion der Bundesregierung oder der EU auf die Vorfälle in Kayseri gab es nicht. (epd/mig) Aktuell Ausland
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