OECD-Bericht
Gute und schlechte Noten für Integration in Deutschland
In der aufgeheizten Debatte um Migration meldet sich die OECD mit einer Studie zu Wort, wonach Deutschland im internationalen Vergleich Erfolge vorweisen kann: Viele Einwanderer sind erwerbstätig. Die größten Defizite liegen im Bildungswesen.
Donnerstag, 04.07.2024, 15:50 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 04.07.2024, 15:50 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im internationalen Vergleich steht Deutschland bei der Integration von Eingewanderten gut da. So lag die Erwerbstätigenquote 2022 insgesamt bei 70 Prozent und war damit höher als in den meisten anderen EU-Vergleichsländern, wie aus einem OECD-Bericht über den Stand der Integration von Eingewanderten hervorgeht, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.
Schlechtere Ergebnisse als andere Länder erzielt Deutschland hingegen im Bildungswesen. Die schulischen Leistungen eingewanderter Kinder und Jugendlicher können nicht mit denen der Kinder deutscher Eltern und von in Deutschland geborenen Kindern eingewanderter Eltern mithalten.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, erklärte, die Integration funktioniere viel besser als ihr Ruf. Der Bericht könne mehr Sachlichkeit in die aufgeheizte Debatte um Migration bringen. Sie kritisierte aber, dass das Bildungssystem noch immer nicht auf die Einwanderungsgesellschaft ausgelegt sei, die Deutschland längst sei. Nachlegen müsse man auch bei der Erwerbsintegration von Frauen und Geringqualifizierten.
Gute Noten für Integrationskurse – mit Einschränkungen
Gute Noten stellt der Bericht Deutschland für die Sprachförderung im Rahmen der Integrationskurse aus. Mehr als jeder zweite Eingewanderte im Erwerbsalter nimmt an einem Kurs teil – damit liegt Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt. Unter Asylsuchenden, denen die Kurse prinzipiell offenstehen, sind es allerdings deutlich weniger, weil es an Plätzen fehlt. Von den Menschen, die bereits bei ihrer Ankunft über Sprachkenntnisse verfügten, sprechen nach fünf Jahren mehr als 80 Prozent fließend Deutsch.
Frauen, insbesondere Müttern mit kleinen Kindern, haben es indes schwer, in Deutschland wirklich anzukommen. Nur rund 40 Prozent der 2021 erfassten Einwanderinnen – also im letzten Jahr vor der kriegsbedingten Ankunft vieler Ukrainerinnen – waren erwerbstätig. Zum Vergleich: Unter den im Inland geborenen Müttern waren es mehr als 70 Prozent. Diese Lücke ist in Deutschland deutlich größer als in den meisten Vergleichsländern.
Schlechte Noten für die Bildung
Ein erhebliches Problem stellt der Studie zufolge auch der Anteil besonders niedrig qualifizierter Zugewanderter dar: Jeder Sechste hat keinen Schulabschluss. Von diesen Geringqualifizierten ist nur jeder Zweite erwerbstätig. Zugewanderte machen 70 Prozent der Menschen ohne Schulabschluss in Deutschland aus. Auf der anderen Seite lebten zum Untersuchungszeitpunkt 600.000 hochqualifizierte Akademiker im Land, die nicht entsprechend ihrer Kenntnisse beschäftigt waren.
Hier liege angesichts des Fachkräftemangels ein riesiges Potenzial, sagte der Migrations-Experte der OECD und Mitautor der Studie, Thomas Liebig. Bei der Bewertung der Integrationserfolge müsse viel genauer hingesehen werden, als es in der öffentlichen Debatte der Fall sei. Dort stünden vor allem Problemgruppen im Mittelpunkt. „Trotz allem Schatten sehen wir aber viel Licht“, sagte Liebig. Die erheblichen Investitionen in die Integration hätten sich ausgezahlt.
14 Millionen Eingewanderte in Deutschland + 1 Million Ukrainer
Deutschland ist nach den Vereinigten Staaten das OECD-Land mit der in absoluten Zahlen zweitgrößten Einwanderungsbevölkerung. 2022 lebten mehr als 14 Millionen Eingewanderte im Land, seitdem kamen über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer hinzu sowie rund 600.000 Asylsuchende.
Der OECD-Bericht wurde von der Integrationsbeauftragten Alabali-Radovan gefördert. Es wurden zwei Bevölkerungsgruppen untersucht: außerhalb Deutschlands Geborene und im Inland Geborene mit zwei im Ausland geborenen Elternteilen. Der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gehören 38 Länder an. Für die Studie wurden 15 Vergleichsländer herangezogen. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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