Polizei, Magazin, Verschwörung, compact, Rechtsextremismus
Das rechtsextreme "Compact"-Magazin in einem Polizei-Fahrzeug (2016) © JG-Stadtmitte @ Twitter

Bundesweite Razzien

Faeser verbietet rechtsextremes „Compact“-Magazin

Am frühen Morgen durchsucht die Polizei Gebäude in vier Bundesländern. Es geht um das Magazin „Compact“ und eine Filmproduktion. Die Bundesinnenministerin will gegen rechtsextreme „Brandstifter“ vorgehen und verbietet das Medium. Experten sehen steigenden Druck gegen rechts.

Dienstag, 16.07.2024, 16:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.07.2024, 16:30 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte „Compact“-Magazin sowie die Conspect Film GmbH verboten. Nach Angaben ihres Ministeriums durchsuchten Einsatzkräfte in den frühen Morgenstunden Räumlichkeiten der Organisation sowie Wohnungen führender Akteure, der Geschäftsführung und von Anteilseignern in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ziel der Razzia sei die Beschlagnahmung von Vermögenswerten und Beweismitteln, hieß es in einer Mitteilung. Unter anderem wurde ein Haus im brandenburgischen Falkensee durchsucht, dessen Adresse im Impressum des Magazins genannt wird.

Faeser begründet das Verbot damit, dass „Compact“ ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ sei. Sie sagte: „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.“ Das Verbot zeige, „dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen.“

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„Demokratiefeindliche und menschenwürdewidrige Positionen“

Schon 2022 urteilte der Verfassungsschutz, das von Chefredakteur Jürgen Elsässer geleitete Magazin trage „als multimediales Unternehmen demokratiefeindliche und menschenwürdewidrige Positionen in die Gesellschaft“. Die führenden Akteure des Magazins unterhalten Kontakte zu wichtigen Akteuren der sogenannten Neuen Rechten. Im Online-Shop von „Compact“ kann man unter anderem auch eine Münze mit dem Konterfei des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke erwerben. Elsässer bringt seine Zuhörer bei Veranstaltungen mit Sprüchen wie „Ami go home und Freundschaft mit Russland“ zum Johlen.

Für das Verbot einer Organisation reicht es nicht, wenn diese eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Weitere Voraussetzung ist, dass sie dies auch in aggressiv-kämpferischer Form tut. Das Bundesinnenministerium führt in seiner Mitteilung aus, es sei zu befürchten, dass Leser und Zuschauer der Medienprodukte von „Compact“ durch die Publikationen, die auch „offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“.

Innenminister begrüßen Verbot

Ohne eigenes Zutun machte das Magazin im Jahre 2016 von sich reden. Eine Ausgabe des Heftes, das das Gesicht der ehemaligen AfD-Chefin Frauke Petry zeigt, hinter der Windschutzscheibe eines Einsatzwagens der Polizei am Rande einer AfD-Kundgebung löste eine Welle der Empörung im Netz aus. Zahlreiche Nutzer stellten daraufhin die politische Neutralität der Polizei infrage. Die Thüringer Polizei entschuldigte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter (heute X).

Der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) begrüßte das Verbot. Das Magazin stehe für „Hass und Hetze in Hochglanz“, erklärte er in Potsdam. „Diese Plattform der Demokratiefeinde verfolgt ein Ziel, und das ist die Zerstörung unserer freiheitlichen Gesellschaft.“ Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) bewertete das Verbot als „klares Signal gegen Rechtsextremismus, Demokratie- und Menschenfeindlichkeit“. Mit dem Verbot des Magazins werde ein Nährboden für rechtsextremistisches Gedankengut erstickt.

Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, betonte, die Entscheidung des Bundesinnenministeriums sei „dringend geboten“ gewesen. „Es zeigt die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegen ihre Feinde“, sagte Kramer dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

Forscher Fielitz: Wichtigstes rechtsextremes Medium

Nach Einschätzung des Rechtsextremismusforschers Maik Fielitz ist „Compact“ das wichtigste Medium der rechtsextremen Szene. „Es ist ein Medium, das verschiedene Strömungen des Rechtsextremismus und verschiedener Verschwörungstheorien miteinander vereint“, sagte der Bereichsleiter Rechtsextremismus und Demokratieforschung am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena der Deutschen Presse-Agentur. Seit 2015 verstehe sich das Magazin als Hausblatt der AfD.

Das Verbot ist laut Fielitz „eine der schwersten Waffen der wehrhaften Demokratie“. Die Marke habe sich über viele Jahre gebildet und sei ein fester Anlaufpunkt für rechtsextreme Ideen geworden. In verschiedenen Telegramgruppen seien bereits Solidarisierungseffekte zu beobachten, es werde von Zensur und einer Beeinträchtigung der Pressefreiheit gesprochen. Es gebe viele Medien, die in die Bresche springen und die Lücke schließen können.

Kailitz: Steigender Druck gegen rechts

Der Extremismus-Experte Steffen Kailitz rechnet damit, dass dem Verbot des Magazins „Compact“ in Kürze weitere staatliche Schritte gegen die rechtsextreme Szene folgen werden. „Ich gehe davon aus, dass der Repressionsdruck steigen wird“, sagte der Wissenschaftler vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden dem Evangelischen Pressedienst. Das Verbot des Magazins ergebe nur Sinn, wenn die Szene daran gehindert werde, andere Kanäle für ihre Botschaften zu suchen.

Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums vom Dienstag sei deshalb möglicherweise „ein Baustein innerhalb einer größeren Strategie“. Denkbar sei, dass die Behörden nun die Identitäre Bewegung oder den rechtsextremistischen Teil der AfD um den Thüringer Parteichef Björn Höcke verstärkt ins Visier nehmen. Das Verbot hält Kailitz für gerechtfertigt. „Es sind dafür gute Gründe vorhanden“, erklärte er. Unter anderem nannte er Hass und Hetze gegen muslimische und insbesondere arabischstämmige Menschen in Deutschland. (dpa/epd/mig) Leitartikel Panorama

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