Sachsen-Anhalt
Landkreis verpflichtet Flüchtlinge zur Arbeit bei Hochwasserbekämpfung
Ein Landrat in Sachsen-Anhalt hat Asylbewerber verpflichtet, gemeinnützige Arbeit bei der Hochwasserbekämpfung zu leisten. Stundenlohn: 80 Cent. Ansonsten drohten ihnen Geldkürzungen. Vor Ort kommt die Maßnahme gut an, doch es gibt auch Kritik: Die Maßnahme schüre Ressentiments.
Von Oliver Gierens Dienstag, 16.07.2024, 13:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.07.2024, 13:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der sonst eher beschauliche Landkreis Mansfeld-Südharz im Südwesten Sachsen-Anhalts gerät in diesen Wochen bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate bundesweit in die Schlagzeilen. Zum Jahreswechsel 2023/24 kämpften Teile der Region, zu der unter anderem die Lutherstädte Eisleben und Mansfeld gehören, wochenlang mit einem Hochwasser, sogar der Katastrophenfall wurde ausgerufen.
Eine der Konsequenzen war, dass Landrat André Schröder (CDU) unter anderem Flüchtlinge und Migranten dazu verpflichtete, beim Schleppen der Sandsäcke und der Deichverteidigung gemeinnützige Arbeit zu leisten, ansonsten drohte er mit Kürzungen der Asylbewerberleistungen. Damit erregt er aktuell deutschlandweites Aufsehen. Während viele Bürger die Maßnahmen befürworten, kommt Kritik von Flüchtlings- und Migrantenorganisationen.
Lamsa: Migranten keine billigen Arbeitskräfte
Migranten seien keine billigen Arbeitskräfte, heißt es etwa vom sachsen-anhaltischen Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen (Lamsa) aus Halle. Eine Aussage, der Schröder durchaus zustimmt: „Ich sehe das genauso“, sagte er dem „Evangelischen Pressedienst“. Doch seine Maßnahmen sieht er durch das Asylbewerberleistungsgesetz gedeckt.
„Wir haben eine große, tiefe Überzeugung, die uns auch in der Bevölkerung mehrheitlich eint“, betont der Mansfelder Landrat, „dass diejenigen, die Leistungsempfänger des Staates sind, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten dem Staat auch etwas zurückgeben sollen.“ Nach Starkregen seien entlang des Flusses Helme rund zwei Millionen Sandsäcke verbaut worden, die nach Ende der Hochwasserlage wieder eingesammelt werden mussten. Dazu habe der Landkreis auch insgesamt 64 Flüchtlinge angeschrieben.
Landrat: „„Das ist keine Schikane“
„Das ist ein richtiges Verwaltungsverfahren“, betont Schröder. Ein großer Teil sei zum Einsatz gekommen, habe sich bewährt und gute Arbeit geleistet. Andere hätten sich entschuldigt, etwa weil sie erkrankt waren oder gerade an einem Integrationskurs teilgenommen hätten. „Die wurden ebenfalls nicht belangt“, unterstreicht der Landrat. Am Ende seien 16 Menschen die Leistungen gekürzt worden. Diese Maßnahme sei im Gesetz ausdrücklich vorgesehen.
Man habe einen gemeinnützigen Träger verpflichtet, über den die Flüchtlinge betreut worden seien. Unter anderem hätten auch Übersetzer zur Verfügung gestanden. „Das ist keine Schikane, darauf lege ich Wert“, betont der CDU-Politiker.
Stundenlohn: 80 Cent
Das Migrantennetzwerk Lamsa sieht die Maßnahmen jedoch weiterhin kritisch. Arbeitsgelegenheiten seien kein Instrument der beruflichen Qualifizierung, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Mika Kaiyama: „Eine Pflicht zur Aufnahme einer Arbeit, die mit einem Stundenlohn von 80 Cent vergütet wird, ist nicht unbedingt geeignet, nachhaltige Integration und Zugang zum Arbeitsmarkt zu fördern.“
Dem schließt sich der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt an. Man habe integrationspolitische und sogar verfassungsrechtliche Bedenken, sagte Pressesprecherin Christiane Bölian, etwa beim Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, beim Gleichheitsgrundsatz sowie dem Verbot von Arbeitszwang.
„Das schürt eher Ressentiments.“
Gespräche mit Flüchtlingen in einer Unterkunft in Hettstedt hätten zudem ergeben, dass die Betroffenen nicht ausreichend darüber informiert worden seien, welche Konsequenzen ihnen drohen, wenn sie nicht zustimmen. Zudem habe Landrat Schröder in der öffentlichen Darstellung den Fokus sehr stark auf die Menschen gelegt, die nicht gearbeitet haben. Das sei für die Stimmung hochproblematisch, meinte Bölian: „Das schürt eher Ressentiments.“
Für Schröder sind diese Argumente nicht stichhaltig. Man habe positive Erfahrungen mit den Flüchtlingen gemacht, betont er: „Diejenigen, die da waren, haben fleißig geholfen.“ Die Firma sei sogar auf zwei Migranten aufmerksam geworden, die jetzt eine Anstellungsperspektive erhalten sollen. (epd/mig) Aktuell Panorama
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