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Antrag auf Arbeitserlaubnis für Ausländer abgelehnt

Hochqualifiziert und abgelehnt

Asylbewerber können nicht einfach in die Arbeitsmigration wechseln

Deutschland hat in vielen Branchen mit Fachkräftemangel zu kämpfen. Hochqualifizierte Asylbewerber könnten Abhilfe schaffen – doch das ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Welche Chancen dadurch vertan werden, zeigt ein Beispiel aus Fürstenfeldbruck.

Von Mittwoch, 24.07.2024, 14:45 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.07.2024, 14:45 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Max Kohlhaas muss nicht lange überlegen. Den Fachkräftemangel bekommt auch er zu spüren. „Es ist schwierig für uns, Nachwuchs zu finden. Jemand wie Saeed ist absolut wichtig für uns“, sagt der Geschäftsführer von „kohlhaas*partner“ in Germering bei München, einem Unternehmen für Innen- und Markenarchitektur. Mit Saeed meint er seinen iranischen Mitarbeiter, der in England, Polen und Malaysia Bauingenieurwesen studiert hat und seit fast zwei Jahren für ihn als Projektmanager arbeitet.

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Saeed Kamankesh ist 2020 vor dem iranischen Regime nach Deutschland geflohen und hat Asyl beantragt. Im Frühjahr 2021 wurde sein Asylgesuch abgelehnt, dagegen hat der heute 36-Jährige geklagt – und wartet seitdem auf eine richterliche Entscheidung. In Deutschland – genauer gesagt in Fürstenfeldbruck, wo er wohnt, – fühlt er sich längst zu Hause. „Heimat ist da, wo ich frei bin und mir ein Leben aufbauen kann“, sagt er. Für seine Zukunftspläne spiele der Iran keine Rolle mehr.

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6.000 Euro an Schleuser bezahlt

Zu schlecht seien die Erinnerungen an sein Herkunftsland, erzählt Kamankesh. Das Regime habe Wind bekommen von seiner kritischen Haltung. Als dann noch in seine Wohnung eingebrochen wurde und sein Laptop und seine Papiere geklaut wurden, sei ihm klar geworden, dass sein Leben in Gefahr ist. Er sei dann einfach nur noch weggerannt. Bis nach Griechenland habe er sich durchgeschlagen, in Thessaloniki habe er 6.000 Euro an Schleuser gezahlt, damit sie ihn im Lkw versteckt nach Deutschland bringen.

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Die Gesamtschutzquote für iranische Asylbewerber liegt laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei derzeit 28,7 Prozent. Im vergangenen Jahr haben in Bayern 975 Menschen aus dem Iran erstmals einen Asylantrag gestellt, zwischen Januar und Ende Mai dieses Jahres waren es 290. Mehr als 9.000 Asylverfahren von iranischen Staatsangehörigen waren bis Ende Mai beim Bundesamt anhängig. Seit Januar werden in Bayern wieder vermehrt Menschen in den Iran abgeschoben.

Hintergrund: „Spurwechsel“ von Asylsuchenden

Das deutsche Zuwanderungsrecht unterscheidet zwischen legaler Migration, etwa der Arbeitsmigration, und der irregulären Migration, etwa Asylmigration oder unerlaubten Einreisen. Hintergrund ist das Interesse des Staates, die Zuwanderung zu steuern. Es gilt daher ein grundsätzliches „Spurwechselverbot“ zwischen diesen beiden Zuwanderungsarten. Für Asylsuchende bedeutet das: Sie bekommen während ihres Asylverfahrens oder nach einer Ablehnung grundsätzlich keinen Aufenthaltstitel.

Nur bei gut integrierten Geduldeten – also bei abgelehnten Asylbewerbern, die sich unter anderem ihren Lebensunterhalt selbstständig durch eine Beschäftigung sichern können – kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. So ein „Spurwechsel“ soll laut Bundesinnenministerium aber die Ausnahme bleiben. „Denn dieser würde das Signal senden, die bestehenden Einreisebestimmungen zu umgehen und über erkennbar erfolglose Asylanträge den Weg in den Aufenthalt zu Arbeitszwecken zu ermöglichen („Pull-Faktor“).“

Asylbewerber, die wegen einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder eines akademischen Abschlusses als Fachkräfte gelten, können noch während ihres Verfahrens eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung jeder qualifizierten Beschäftigung (Aufenthaltsgesetz §18a, 18b) beantragen. „Hierdurch ist ein bedeutender Anstieg an Titelerteilungen zu erwarten, ein zusätzlicher Pull-Effekt in Asylverfahren soll aber vermieden werden“, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Die oberste Landesbehörde muss zudem zustimmen.

Außerdem gilt das Chancenaufenthaltsrecht, das heißt: In Deutschland geduldete Ausländerinnen und Ausländer können eine Aufenthaltserlaubnis für 18 Monate beantragen. Wird der Antrag positiv beschieden, können sie in diesen eineinhalb Jahren die notwendigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht erfüllen. Dazu gehören wichtige Integrationsleistungen wie beispielsweise die Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbstätigkeit, Deutschkenntnisse und ein Bekenntnis zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung.

„Spurwechsel“ nicht vorgesehen

Saeed Kamankesh ist ein klassisches Beispiel für einen hochqualifizierten Geflüchteten, der Deutschland eigentlich im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen könnte. Das Verzwickte an der Situation: Er ist über den Asylweg nach Deutschland gekommen, ein „Spurwechsel“ hin zur Arbeitsmigration ist laut Bundesinnenministerium grundsätzlich nicht vorgesehen. Hintergrund sei das Interesse des Staates, die Zuwanderung zu steuern, erläutert das Bundesinnenministerium auf Anfrage des „Evangelischen Pressedienstes“.

Nur bei gut integrierten Geduldeten – also bei abgelehnten Asylbewerbern, die sich unter anderem selbst ihren Lebensunterhalt durch eine Beschäftigung sichern können – kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. Ein solcher „Spurwechsel“, so die offizielle Sprachregelung, soll aber die Ausnahme bleiben: „Denn dieser würde das Signal senden, die bestehenden Einreisebestimmungen zu umgehen und über erkennbar erfolglose Asylanträge den Weg in den Aufenthalt zu Arbeitszwecken zu ermöglichen.“

Risiko für Arbeitgeber

Für Max Kohlhaas als Arbeitgeber bedeutet dieses starre System ein unternehmerisches Risiko. Damit Saeed Kamankesh für ihn arbeiten kann, brauchte es einen unbefristeten Arbeitsvertrag. „Ich musste also in Vorleistung gehen – und im schlimmsten Fall darf Saeed nicht bleiben“, sagt Kohlhaas. Auch Dienstreisen ins Ausland seien nicht gestattet. Kohlhaas wünsche sich hier mehr Verbindlichkeit vonseiten des Staates. Saeed sei menschlich wie fachlich ein hervorragender Mitarbeiter.

Aus einem Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge geht hervor, dass ein relativ großer Teil der Asylsuchenden hochqualifiziert ist – hier stechen vor allem Menschen aus dem Iran und Venezuela hervor: Rund 83 Prozent beziehungsweise 78 Prozent von ihnen, die im ersten Halbjahr 2023 Angaben zu ihrem Bildungsstatus gemacht haben, haben einen hohen Schulabschluss, vergleichbar mit dem deutschen Abitur. 46,3 beziehungsweise 40,5 Prozent hatten einen Hochschul- oder Universitätsabschluss.

Asylbewerber und ihr Bildungsstatus

Im vergangenen Jahr haben rund 330.000 Menschen in Deutschland erstmals einen Asylantrag gestellt. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg fragt inzwischen auch „Soziale Komponenten“ ab. Dazu zählen unter anderem der berufliche und schulische Hintergrund. Der aktuelle Bericht dazu bezieht sich auf das erste Halbjahr 2023: Rund 150.000 Menschen haben in diesem Zeitraum einen Asylantrag gestellt, darunter 103.000 Volljährige. 69.000 von ihnen haben Auskunft über ihren Bildungs- und Berufshintergrund gegeben.

Die Hauptherkunftsländer

Die meisten volljährigen Menschen, die im ersten Halbjahr 2023 erstmals in Deutschland Asyl beantragt haben, kommen aus Syrien (29.150), Afghanistan (18.896), der Türkei (13.850), dem Iran (4.683), Georgien (3.457), dem Irak (3.127), Russland (2.780), Venezuela (1.435), Somalia (1.340) und Indien (1.273).

Schul- und Hochschulabschlüsse

Bei hohen Bildungsabschlüssen stechen zwei Länder hervor: Knapp 83 Prozent der Geflüchteten aus dem Iran und rund 78 Prozent der Geflüchteten aus Venezuela hatten einen hohen Schulabschluss – also vergleichbar mit dem deutschen Abitur. Nur 3,3 Prozent der Iraner und 3,6 Prozent der Venezolaner hatten gar keinen Schulabschluss.

Auch bei Hochschulabschlüssen lagen diese zwei Länder vorn: 46,3 Prozent der Iraner hatten einen Hochschul- oder Uniabschluss und 40,5 Prozent der Venezolaner. Dazu kommen 14,9 beziehungsweise 14,3 Prozent mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung.

Gut ausgebildet sind auch Geflüchtete aus Russland, von denen 93,2 Prozent einen hohen oder mittleren Schulabschluss haben, 33,7 Prozent einen Hochschul- oder Uniabschluss sowie 24,5 Prozent eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Beruflicher Hintergrund

In den Branchen, in denen es in Deutschland große Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften gibt, sind ebenfalls der Iran, Venezuela und Russland vorn: 6,6 Prozent der geflüchteten Iraner sind technische Fachkräfte oder Ingenieure; 5,4 Prozent sind IT’ler; 5,1 Prozent kommen aus dem Erziehungs- und Bildungssektor und 7,1 Prozent aus dem Gesundheits- und Pflegesektor. Bei den Venezolanern sind es 3,3 Prozent technische Fachkräfte/Ingenieure (Russland: 3,5 Prozent), 4,1 Prozent IT’ler (Russland: 5,5), 6,6 Prozent kommen aus dem Erziehungs- und Bildungssektor (Russland: 7,0) und 7,5 Prozent aus dem Gesundheits- und Pflegesektor (Russland: 6,5).

Warten auf ein Urteil

Seit fast drei Jahren wartet Saeed Kamankesh auf eine richterliche Entscheidung, ob die Ablehnung seines Asylantrags rechtens war – eine Hängepartie, die ihn zunehmend belastet. Juristischen Beistand bekommt er von einer Anwältin. Bleibt die Ablehnung bestehen, wird er offiziell ausreisepflichtig und könnte abgeschoben werden – auch wenn er wegen seiner Qualifikation, Deutschkenntnisse und Beschäftigung, mit der er sich seinen Lebensunterhalt selbst finanziert, ein Kandidat für einen „Spurwechsel“ wäre.

Außerdem ist Saeed gut integriert. Durch Zufall ist er kurz nach seiner Ankunft im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bei der evangelischen Erlöserkirche und Pfarrer Valentin Wendebourg gelandet. Über die Kontakte in der Kirchengemeinde habe er Wohnung und seine erste Arbeit gefunden, erzählt Kamankesh. Dafür sei er dankbar und wolle etwas zurückgeben. Er helfe daher regelmäßig beim Mittagstisch und bei der Integration von Flüchtlingen. „Für uns ist Saeed mit seiner freundlichen und integrativen Art ein Glücksfall“, sagt Pfarrer Wendebourg. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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