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Auschwitz (Archiv) © DzidekLasek @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Gedenktag

Daimagüler fordert konkrete Verbesserungen für Sinti und Roma

Am 2. August vor 80 Jahren wurden in Auschwitz die letzten noch lebenden Sinti und Roma in dem Lager ermordet. Deutschland bekenne sich zu seiner historischen Verantwortung, sagte Bundestagspräsidentin Bas bei einem Gedenkakt. Regierungsbeauftragter Daimagüler und Roma-Verbände fordern konkrete Verbesserungen.

Sonntag, 04.08.2024, 11:53 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.08.2024, 11:53 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Spitzen-Repräsentanten des deutschen Staates haben in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau an die im Holocaust ermordeten Sinti und Roma erinnert. „Auschwitz steht für das größte Verbrechen, das Menschen Menschen jemals angetan haben. Es steht für den Zivilisationsbruch, der von Deutschland ausging“, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Freitag im polnischen Oswiecim während des Gedenkakts zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Bas ist die erste Spitzenvertreterin des Bundestags, die in das ehemalige NS-Konzentrations- und Vernichtungslager reist.

Auschwitz stehe für den Willen, das europäische Judentum zu vernichten und für den Völkermord an den Sinti und Roma. „Hier in Auschwitz endete der Rassenwahn der Nationalsozialisten in der grausamen Auslöschung von Menschenleben“, sagte die SPD-Politikerin. Deutschland bekenne sich zu seiner historischen Verantwortung. Dies bedeute zugleich die Verpflichtung, Antiziganismus heute entschlossen entgegenzutreten.

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Beauftragter Daimagüler fordert konkrete Verbesserungen

Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma, Mehmet Daimagüler, forderte konkrete Verbesserungen für Roma, die als Nachfahren von NS-Opfern seit Jahrzehnten nur geduldet in Deutschland leben. „Diesen Menschen muss die Chance gegeben werden, sich hier in Deutschland ein Leben aufzubauen“, erklärte Daimagüler. Er betonte: „Das Gedenken darf nicht in einem politischen Vakuum ohne Konsequenzen für heutiges staatliches Handels stattfinden.“

Gewalt und Diskriminierung gehörten immer noch zum Alltag für Sinti und Roma in Deutschland, erklärte Daimagüler. Und auch staatliches Handeln müsse hinterfragt werden. „Tausende von Roma leben zum Teil seit Jahrzehnten als Geduldete in Deutschland. Sie sind allesamt Nachfahren von Opfern des Völkermords. Sich dem Gedenken an den Völkermord verpflichtet fühlen bedeutet auch, sich diesen Menschen verpflichtet fühlen.“

Roma-Verbände appellieren an Politik

Ähnliche Forderungen stellten auch Verbände der Roma und Sinti in Deutschland. Sie appellierten an die Politik, ihre Verantwortung für den Schutz und die Sicherheit der Roma und Sinti wahrzunehmen. Bis heute flüchteten Roma vor allem aus Ländern Ost- und Südosteuropas, die als „sichere Herkunftsstaaten“ deklariert seien, vor rassistischer Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung, heißt es in einer vom Bundes-Roma-Verband am Freitag in Göttingen verbreiteten Erklärung.

In Deutschland leben heute dem Verband zufolge neben etwa 100.000 deutschen Sinti und Roma etwa 1,2 Millionen migrantische, also aus dem Ausland zugewanderte oder geflüchtete Roma. Seit dem Ende der 1980er-Jahre seien Roma nach Deutschland geflüchtet. „Sie blieben über Jahre oder gar Jahrzehnte geduldet, also ohne sicheren Aufenthaltsstatus.“ Das bedeute Beschäftigungsverbote, Residenzpflicht und Gutscheinsystem sowie nur wenige Möglichkeiten auf Fortbildung oder Integrationskurse bis heute. Manche hätten nach wie vor keinen sicheren Aufenthaltsstatus. Auch ihre in Deutschland geborenen Kinder und Enkel lebten zum Teil „im geerbten Nicht-Status der Duldung“.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine 2022 flüchteten viele Roma auch von dort nach Deutschland, hieß es weiter. Als ukrainische Staatsangehörige sei ihr Aufenthaltsstatus zwar derzeit noch gesichert. Viele von ihnen erlebten aber vor, während und nach der Flucht ein hohes Maß an Diskriminierung.

Roth bittet Überlebende und Nachfahren um Vergebung

In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau 4.300 Sinti und Roma in den Gaskammern ermordet. Es waren die letzten noch lebenden Angehörigen der Minderheit in dem Lager. Zwischen 1940 und 1945 starben insgesamt etwa 1,2 Millionen Menschen in dem Konzentrations- und Vernichtungslager, darunter 23.000 Sinti und Roma.

Teil der deutschen Delegation war die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), als Präsidentin des Bundesrats, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und viele Bundestagsabgeordnete. Schwesig sagte in einer kurzen Ansprache, ihre Generation sei zwar nicht verantwortlich für die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur, aber es sei ihre Verantwortung, die Erinnerung an diese Verbrechen lebendig zu halten.

Staatsministerin Roth bat in ihrer Ansprache alle Überlebenden und deren Nachfahren im Namen der deutschen Bundesregierung um Vergebung. „Im Namen der Bundesregierung verneige ich mich hier und heute vor all diesen Toten“, sagte sie.

Überlebende: Wahlerfolge rechter Parteien machen Angst

Auschwitz stehe als Symbol für den Holocaust, den die Nazis an 500.000 Sinti und Roma und sechs Millionen Juden im NS-besetzten Europa verübten, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose. „Es gibt unter uns Sinti und Roma kaum eine Familie, die mit dem Namen Auschwitz nicht die Ermordung ihrer Angehörigen verbindet.“

Die Holocaust-Überlebende Alma Klasing sagte, die aktuellen Wahlerfolge der rechten Parteien machten ihr Angst. „Deshalb möchte ich gerade die Jugend vor diesen falschen Propheten warnen und bitte Euch von ganzem Herzen: Verteidigt unsere Demokratie.“ (epd/dpa/mig) Aktuell Panorama

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