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Sahra Wagenknecht (BSW)

Thüringen

AfD-Gesetze mit BSW-Hilfe? Parteien fordern Erklärung – und warnen

Thüringens BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf hat eine Zustimmung für AfD-Gesetze nicht ausgeschlossen. Ihr potenzieller Koalitionspartner will es genauer wissen – und warnt vor einer Gefahr.

Sonntag, 18.08.2024, 12:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.08.2024, 12:20 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Nach einem hitzigen TV-Talk hat Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt eine Erklärung vom Bündnis Sahra Wagenknecht über den Umgang mit der AfD gefordert. In der MDR-Sendung „Fakt ist!“ hatte die BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf eine mögliche Zustimmung für AfD-Gesetze im Parlament nicht ausgeschlossen. „Das hat eine neue Qualität. Da muss sich Frau Wagenknecht grundsätzlich erklären“, sagte Voigt nach der Sendung.

Voigt warf dem BSW vor, sich die Option einer Zusammenarbeit mit der AfD offenzuhalten. Bei der Diskussion im MDR sei deutlich geworden, dass sich das BSW offensichtlich vorstellen könne, eine AfD-Minderheitsregierung zu tolerieren, sagte Voigt. Katja Wolf sagte der Deutschen Presse-Agentur dazu: „Das ist eine völlig absurde Interpretation.“

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Wie hält es das BSW mit der AfD?

Wolf wurde in der Sendung gefragt, ob ihre Partei AfD-Gesetzentwürfen zustimmen würde, wenn diese für richtig erachtet würden. „Ich habe keine übergroße Angst davor, dass die AfD so wahnsinnig viele vernünftige Gesetzesvorschläge einbringt“, sagte Wolf und berief sich auf Erfahrungswerte. „Aber wenn es so sein soll, dann wird man darüber diskutieren und dann ist es die Macht des Arguments im politischen Raum.“ Die „sehr durch Scheuklappen geprägte Art und Weise, miteinander umzugehen“, sei „tatsächlich nicht mehr zeitgemäß“. Sie forderte zwar „nicht einen normalen Umgang“ mit der AfD, aber einen „inhaltlichen Umgang“.

Bereits vor einigen Tagen hatte Wolf in einem „Welt“-Interview einen neuen Umgang mit der AfD angemahnt und beklagt, dass die Brandmauer die AfD immer stärker gemacht habe. Gäbe es klare Gründe, einen Antrag abzulehnen, sollte dieser abgelehnt werden. „Oder man muss drüberstehen und sagen: Ist vernünftig, stimmen wir zu. Es braucht mehr Pragmatismus und weniger Ideologie“, sagte sie.

Der Deutschen Presse-Agentur sagte Wolf später, es müsse stärker um Inhalte gehen und nicht um ein „Abkanzeln“. Zugleich seien ihr aber die politischen Spielregeln klar. „Wenn man sich in einer Koalition befinden sollte, dann gelten für Anträge andere Spielregeln. Das ist doch logisch.“ Im MDR machte die Politikerin zugleich klar, dass sie die Stärke der AfD für ein „Kernproblem in diesem Land“ hält. Eine Koalition mit der in Thüringen als rechtsextremistisch eingestuften Partei kommt für sie weiter nicht infrage.

Grünen-Politikerin besorgt: AfD könnte BSW übertölpeln

Die Spitzenkandidaten der Grünen und SPD zeigen sich dennoch besorgt. „Ist es die Taktik, sich alle Optionen offenzulassen? Das macht mir besonders große Sorgen“, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Madeleine Henfling der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe Anhaltspunkte, dass es auf eine Zusammenarbeit zwischen BSW und AfD hinauslaufen könnte, zumal sie in den Programmen der beiden Parteien inhaltliche Überschneidungen in bestimmten Politikfeldern sehe. Zudem gebe es die Gefahr, dass sich BSW-Leute aufgrund ihrer Unerfahrenheit im politischen Geschäft „übertölpeln lassen“, wie sie sagte.

SPD-Spitzenkandidat Georg Maier sagte, das BSW inszeniere sich einerseits als Alternative zur AfD, diene sich dann aber offensichtlich als Mehrheitsbeschaffer an. „Also für mich bleibt BSW inhaltlich und personell echt ein großes Fragezeichen“, sagte er. Vieles sei widersprüchlich.

Stimmung? „Explosiv“

In der MDR-Sendung mit den Thüringer Spitzenkandidaten ging es teils heiß her. Moderator Lars Sänger bezeichnete die Stimmung in der Sendung als „explosiv“. Vor allem Voigt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gerieten mehrfach verbal aneinander – zum Beispiel beim Thema Migration. „Sie reden nur und sie handeln nie!“, warf Voigt dem AfD-Politiker Höcke vor. Hintergrund war eine Frage der Moderatoren, warum weniger als zehn Asylbewerber im AfD-geführten Landkreis Sonneberg zur Arbeit verpflichtet wurden und im CDU-geführten Saale-Orla-Kreis dagegen 100.

Höcke bestand auf einem „Eingangsstatement“, wie er sagte, obwohl das Format dies gar nicht vorsah. Zur Frage sagte er: „Das ist doch Symptompolitik.“ Vielmehr müssten die Ursachen bekämpft werden. „Sie sind eine lahme Ente, Herr Höcke“, sagte Voigt mit Blick auf die Politik des AfD-Landrats in Sonneberg. „Wo Sie Verantwortung haben, leisten Sie nichts.“ Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) griff nur selten in den Streit ein und agierte eher in der Rolle als langjähriger Regierungschef.

Einem MDR-Bericht zufolge kündigte der Sonneberger AfD-Landrat Robert Sesselmann an, sich künftig selbst um die Themen Migration und Ausländerbehörde in seinem Landkreis kümmern zu wollen. Demnach soll diese Zuständigkeit dem hauptamtlichen Beigeordneten Jürgen Köpper (CDU) entzogen werden. Sesselmann bestätigte den Bericht auf Anfrage.

Bei möglichen Koalitionen nach der Landtagswahl blieben alle Spitzenkandidaten vage: Ramelow riet, nicht erneut eine Minderheitsregierung zu versuchen. SPD-Spitzenkandidat Georg Maier sagte, „lasst uns ausloten, was unter Demokraten geht“. Ex-Kurzzeitministerpräsident und FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich äußerte seine Sorge, nach der Wahl mit einer rot-rot-rot-grünen Regierung aufzuwachen.

„Brücken bauen“ – aber ohne Einmischung

Voigt betonte, er wolle Brücken bauen. Er diskutiere gern mit Wolf über Thüringer Themen. „Aber wenn sich hier von Außen eingemischt wird, da hat man manchmal den Eindruck, dass sie da selber gar nicht drüber entscheiden kann.“ Angesichts jüngerer Umfragen wird in Thüringen diskutiert, ob es nach der Wahl eine Regierung aus CDU, BSW und SPD geben könnte.

Nach der Sendung sagte Voigt, er werde in Demut das Wahlergebnis abwarten. Sein Ziel sei es, so viele Wähler wie möglich zu überzeugen, mit beiden Stimmen seine Partei zu wählen.

In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Das BSW steht in jüngsten Umfragen mit Werten zwischen 19 und 21 Prozent auf Platz drei – dicht hinter der CDU. Die SPD kommt auf sechs bis sieben Prozent und die Grünen müssen mit Werten zwischen drei und vier Prozent um einen Wiedereinzug in den Landtag bangen.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat seinen Thüringer Landesverband erst im März gegründet. Sollte Wolf mit dem BSW am Wahlabend vor der CDU von Voigt stehen, könnte sie Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt erheben. Mit der AfD von Björn Höcke koalieren will keine der Parteien mit Aussicht auf Einzug in den Landtag, weshalb dessen Machtanspruch trotz des Spitzenplatzes in den Umfragen als unrealistisch gilt. (dpa/mig) Aktuell Politik

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