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Hessen

Kein Änderungsbedarf bei Nationalitäten-Nennung von Tatverdächtigen

Nordrhein-Westfalens Polizei will künftig die Nationalität von Tatverdächtigen grundsätzlich nennen. Der Vorstoß sorgt für eine bundesweite Debatte. Wie ist die politische Einschätzung in Hessen?

Sonntag, 18.08.2024, 13:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.08.2024, 13:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die nordrhein-westfälischen Pläne zur grundsätzlichen Nationalität-Nennung von Tatverdächtigen in Medienauskünften stoßen in Hessen überwiegend auf ein ablehnendes Echo. Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärt auf dpa-Anfrage in Wiesbaden: „Ich sehe aktuell keine Notwendigkeit, die Praxis in Hessen zu ändern.“

Die Polizei gibt bislang die Nationalität eines Tatverdächtigen im Einzelfall an, wenn ein überwiegendes Interesse an dieser Information besteht oder sie zur Aufklärung der Tat wichtig ist.

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„Das bisherige Vorgehen hat sich aus meiner Sicht bewährt“, argumentiert Poseck. „Es berücksichtigt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Persönlichkeitsschutz des Einzelnen gleichermaßen.“ Es gehe nicht darum, etwas zu verschweigen, bekräftigt der Minister. Er verweist darauf, dass die Nationalität schon heute in vielen Fällen angegeben werde. „Es gibt aber eben auch Straftaten, bei denen die Nationalität eines Täters keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung hat.“

Hessens Minister plädiert für bundeseinheitliches Vorgehen

Die Nationalität von Tatverdächtigen soll von den Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen künftig grundsätzlich in Auskünften für Medien genannt werden. Der Medien-Erlass für die Polizei wird derzeit dahingehend überarbeitet. Prinzipiell soll die Anweisung für alle Delikte gelten, bei denen der Tatverdächtige zweifelsfrei identifiziert ist. Das NRW-Innenministerium hatte mit mehr Transparenz argumentiert.

Poseck rät zu einer sachlichen Debatte über diese sensiblen Fragen. „Wir sollten die verschiedenen Argumente sorgfältig abwägen und keinen Schnellschuss machen“, mahnt er. „In jedem Fall sollten wir bundeseinheitlich vorgehen; deshalb halte ich den fachlichen Austausch zwischen Bund und Ländern für wichtig, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen.“

Poseck: Debatte nicht über Einzelfälle führen

Der Innenminister erklärt, er habe bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 für Hessen auf den starken Anstieg der Ausländerkriminalität und den Zusammenhang mit einer ungezügelten Migration hingewiesen. „Insoweit besteht durchaus Raum zur politischen Debatte von Kriminalitätsentwicklungen und für etwaige politische Schlussfolgerungen“, bekräftigt er. Er halte aber nichts davon, diese Debatte künftig für jeden Einzelfall zu führen.

Poseck warnt davor, einer aufgeheizten Debatte weiter Vorschub zu leisten. „Der rechte politische Rand versucht schon jetzt, Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete pauschal zu stigmatisieren und zu kriminalisieren“, ergänzt er. „Wir müssen aufpassen, dass wir keine Steilvorlage für noch mehr Hass und Hetze in der politischen Auseinandersetzung und in unserer Gesellschaft liefern.“

AfD fordert „mehr Transparenz“ bei Ausländerkriminalität

Die AfD-Landtagsfraktion hatte die Landesregierung aufgefordert, dem Beispiel aus NRW zu folgen. Die Menschen in Hessen hätten mehr Transparenz verdient, wenn es um Ausländerkriminalität gehe, erklärte die innenpolitische Sprecherin Sandra Weegels. „Die Nennung der Nationalitäten von Tatverdächtigen ist keine Diskriminierung, sondern die Abbildung der Realität“, erklärte sie.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Lisa Gnadl, sieht dagegen nach eigenen Worten keinen Grund, von der bisherigen Praxis in Hessen abzuweichen. Es sei objektiv nicht erkennbar, wie es zur Kriminalitätsbekämpfung und zur besseren Aufklärung von Straftaten beitragen könnte, wenn die Ermittlungsbehörden in jedem Fall die Nationalität eines Tatverdächtigen benennen würden. Der Rechtsstaat ermittele und urteile bei Straftaten unabhängig von Nationalität oder Herkunft des oder der Verdächtigen.

Grüne: Kein Zusammenhang zwischen Nationalität und Straftat

Dies sieht auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Vanessa Gronemann, so. Die Nationalität spiele für die polizeilichen Ermittlungen erst einmal keine Rolle, „denn einen Zusammenhang zwischen Nationalität und Straftat gibt es nicht“.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Moritz Promny, erklärt: „Die Behörden sollten gegenüber den Medien die Nationalität von Tatverdächtigen nennen, sofern ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt.“ Transparenz entstehe durch aussagekräftige Kriminalstatistiken, wo die kriminelle Entwicklung nicht nur anhand von einzelnen Fällen, sondern anhand einer Gesamtbetrachtung aufgezeigt werde. „Daraus lassen sich auch politisch sinnvolle Schlüsse ziehen.“ (dpa/mig) Aktuell Politik

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