Nebenan
Schicksalswahl im Osten
Im Osten stehen Wahlen an. Und eine Volkspartei spielt keine Rolle: SPD. Selbst Schuld. Etikettenschwindel, wohin man schaut: Hartz-IV, Fremdenfeindlichkeit, Klima, Ukraine. Pointe deshalb mit der CSD.
Von Sven Bensmann Montag, 19.08.2024, 11:13 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.08.2024, 14:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Keine zwei Wochen sind es mehr, bis zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen – und von den beiden wird eine wichtige Weichenstellung für eine Reihe von Parteien erwartet, auch weil die Ampelparteien in den Ländern kaum eine Rolle spielen. Überhaupt scheint es Progressive in beiden Ländern kaum noch zu geben: Die Linke ist unter Ramelow in Thüringen trotz aller Unvereinbarkeitsbeschlüsse der CDU eine konservative Partei, die Grünen hoffen, dass sie die 5-Prozent-Hürde packen und die Volkspartei SPD kämpft mit den fünf Prozent – eine Volkspartei ohne Volk.
Gleichzeitig steht ebendiese SPD im Bund noch für kaum etwas mehr, als ausgebliebene Machtwörter und die Unfähigkeit, der FDP klarzumachen, dass sie Teil der Koalition, nicht der Opposition ist. Dabei hatte sie sich Großes vorgenommen: Die menschenverachtenden Hartz-IV-Reformen, die ihr seit zwei Dekaden wie ein Klotz am Bein hängen, wollte sie zurücknehmen, allen Menschen das Existenzminimum, wenn schon keine soziale Teilhabe, ermöglichen. Stattdessen wurde nur der Name abgeschafft, während auf Druck von rechts die Diskriminierungen und die Sanktionen beibehalten wurden. Für Menschen außerhalb der deutschen Grenzen, ob nun Afghanen, Syrer oder Somalis, hat die SPD ebenso wenig übrig, schwimmt vielmehr auf der Welle der Antiasylprediger mit.
„Braucht es die SPD also überhaupt noch? Fremdenfeindliche, armenfeindliche Parolen können andere besser.“
Braucht es die SPD also überhaupt noch? Fremdenfeindliche, armenfeindliche Parolen können andere besser und gesellschaftlichen Fortschritt müsste man auch wollen. Auch im Ukraine-Konflikt lässt sie sich von den anderen Parteien treiben, wirkt konzept- und führungslos; in der Klimapolitik bleibt sie blass, zerrieben zwischen Wir-müssten-was-tun und Aber-es-ist-sooo-anstrengend. Sie hat weder ein innen- noch ein außenpolitisches Profil, keine sozialen, umweltpolitischen oder finanzpolitischen Konzepte. Sie will zwar die Schuldenbremse reformieren, aber das will mittlerweile jeder mit etwas Sachverstand. Was danach kommt, was man mit diesem neuen Gestaltungsspielraum würde anstellen wollen, wohin man will – es bleibt im Dunklen. Klar, den Mindestlohn will sie anheben, aber wohl nur, weil sie weiß, dass die FDP nicht mitziehen wird: Umverteilung irgendwie schon, aber eben nur, wenn es der herrschenden Klasse nicht weh tut.
Sie überhaupt als progressive Partei zu verorten, ist Etikettenschwindel; und wo Konservative zumindest den Anspruch haben, zum Wohle einer rückwärtsgewandten Utopie, ihrer diffusen Idee einer „guten, alten Zeit“, die es so nie gegeben hat, den Fortschritt aufzuhalten, hat die SPD: nichts. Sie ist ohne Anspruch und ohne Richtung. Ein bisschen gute alte Zeit, als man noch eine ernstzunehmende Partei war, ja, ein bisschen Zukunftsfähigkeit auch, ja, aber man muss dabei immer auch alle mitnehmen, sonst tut man besser gar nichts. Wenn nicht auch Nazis, Querdenker, Reichsbürger und Flacherdler mit an Bord sind, dann hisst man besser gar nicht erst das Segel – sonst verliert man am Ende noch die Stimmen dieser klassischen SPD-Klientel.
Dabei bleibt eine wirkliche SPD-Klientel, Menschen, die in der SPD einen starken Fürsprecher bräuchten und verdient hätten, zunehmend auf der Strecke. Die queere Szene, neben den Grünen liebstes Hassobjekt der Union und der AfD, veranstaltete diesen Sommer wieder deutschlandweit ihre CSD, zuletzt auch im Osten. Während sich Söder, Merz, Höcke auf Kosten dieser Gruppe versuchen zu profilieren, bleiben die politischen Unterstützer allerdings oft erstaunlich leise.
In Leipzig standen immerhin Polizei und Gegen-Gegendemonstranten den hunderten Aktivisten jenes Trupps der Selbsthilfegruppe der Jammerlappen Mittelsachsen e. V. entgegen, die sich unter dem Motto „deutsch, hetero, Samenstau“ mitsamt der obligatorischen Hitlergrüße im Gepäck versammelt hatten, um deren Übergriffe auf den CSD zu verhindern – weil es immer noch Leute gibt, die sich persönlich davon angegriffen fühlen, dass andere Leute plötzlich für sie selbst selbstverständliche Rechte erhalten.
Dabei wäre es die Lösung eigentlich ganz einfach: Wenn du die Homoehe ablehnst, eheliche keinen Homo. Niemand zwingt dich. Fertig.
Und wer dann immer noch ein wie auch immer geartetes Problem damit hat, kann sich ja in das angebliche philosophische Fundament unserer Werteordnung einlesen. Dort heißt es: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“, und das war nie als Rechtfertigung für jene gedacht, die sich selbst verachten.
Ja, ganz richtig: Die SPD war selbst für die Pointe dieses Textes unnötig. (mig) Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
Als alter SPD-Wähler macht es einen traurig, wenn man sieht, was aus dieser sogenannten Voplkspartei geworden ist. Solange die SPD sich nicht daran erinnert, wofür sie eigentlich mal angetreten ist – solange wird sie aus dem Tief nicht herauskommen. Schade eigentlich!