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Linienbus im öffentlichen Nahverkehr (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Erinnerungen an Solingen

Messerangriff in Siegen – Migranten verhindern Schlimmeres

Die Taten sind unterschiedlich, dennoch wecken sie Erinnerungen: Nur eine Woche nach dem Anschlag von Solingen sticht in Siegen eine Deutsche mit einem Messer wahllos auf Menschen ein. Passanten mit Zuwanderungsgeschichte verhindern Schlimmeres. Der Landesinnenminister will Konsequenzen ziehen.

Von , und Sonntag, 01.09.2024, 16:02 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 01.09.2024, 17:20 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wieder ein Stadtfest, wieder trifft es Menschen, die friedlich feiern wollen: Genau eine Woche nach dem Terroranschlag beim Stadtfest in Solingen ist es in Nordrhein-Westfalen rund um Feierlichkeiten in Siegen wieder zu einem Messerangriff gekommen. Sechs Menschen wurden verletzt, als eine Frau in einem Bus auf Fahrgäste einstach. Drei von ihnen erlitten lebensgefährliche Verletzungen. Auch wenn das Stadtfest fortgesetzt wurde, blieb ein mulmiges Gefühl.

„Junge Menschen, in ausgelassener Stimmung, auf dem Weg zu einem Fest, werden ganz unvermittelt zu Opfern. Die Vorstellung, einem solchen Angriff in einem Bus ausgesetzt zu sein, lässt erschaudern“, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Samstag. Landesinnenminister Herbert Reul (beide CDU) kündigte vor Ort an zu prüfen, ob zukünftig bei großen Festen Taschenkontrollen möglich seien.

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Eine 32 Jahre alte Deutsche hatte am Freitagabend in einem Shuttle-Bus zum Stadtfest plötzlich mit einem Messer auf Menschen eingestochen. Nach Angaben der Polizei waren über 40 Erwachsene in dem Bus, dazu zwei oder drei Kinder. Die 32-Jährige sei polizeibekannt. Nach dpa-Informationen gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung der Frau. Gegen sie wurde am Samstag wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ein Untersuchungshaftbefehl erlassen.

Ein Opfer außer Lebensgefahr

Am Sonntagnachmittag dann eine gute Nachricht: Alle drei schwer verletzten Opfer, drei Männer im Alter von 19, 21 und 23 Jahren, sind außer Lebensgefahr, hieß es von Polizei und Staatsanwaltschaft. Die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen würden nun durch eine Mordkommission geführt.

Das Eingreifen mehrerer Menschen habe wohl Schlimmeres verhindert, berichtete Minister Reul. Fahrgäste hätten sich gekümmert, eingemischt und die Täterin festgehalten. Es seien Menschen unterschiedlicher Nationalitäten gewesen. „Wenn ich mitkriege, dass das Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund waren, ich finde, das kann ja auch ein bisschen stolz machen“, sagte Reul.

Fahrgäste und Busfahrer reagieren schnell

Nach einem Bericht der „Siegener Zeitung“ sollen es drei Frauen mit Migrationshintergrund gewesen sein, die nach dem Angriff im Bus die mutmaßliche Täterin überwältigten. Ein Sprecher der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd sagte der „Siegener Zeitung“, der Fahrer habe geistesgegenwärtig reagiert, den Bus sofort nach dem ersten Tumult im Fahrzeug zum Stehen gebracht und alle Türen geöffnet. Das hätte den Fahrgästen eine schnelle Flucht aus dem Bus ermöglicht.

„Es gibt unheimlich viele aufmerksame, kluge Bürgerinnen und Bürger. Diese Gesellschaft ist viel stärker, als wir glauben. Die Polizei allein wird es nicht richten“, sagte Innenminister Reul. Verantwortung zu übernehmen, wie es die Menschen im Bus getan hätten, sei genau wie die Gemeinsamkeit und Zusammenhalt ein „Schlüssel für vieles“.

Erinnerungen an Solingen

Die Tat weckt Erinnerungen an den Anschlag von Solingen. Dort hatte ein Mann auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS. Solingen und Siegen liegen nur rund 80 Kilometer Luftlinien voneinander entfernt.

Der Minister warnte, indes Ereignisse in den beiden Städten miteinander zu vergleichen. „Das, was hier in Siegen passiert ist, hat mit dem, was da ins Solingen passiert ist, gar nichts zu tun. Nur es waren beides Mal Messer. Aber es ist eben ein riesiger Unterschied, ob da ein Terrorist unterwegs ist oder ob eine deutsche Frau, die psychische Probleme hat, wahllos auf Menschen einsticht“, sagte Reul. Deshalb werde die Polizei ganz anders arbeiten müssen.

Messerverbot bei Stadtfest

Für das Stadtfest hatte Siegen auch vor diesem Hintergrund das Sicherheitskonzept verstärkt und ein Messerverbot verhängt. Daneben habe man nach dem Ereignis in Solingen auch das Sicherheitspersonal aufgestockt und die Anzahl der Kameras zur Videoüberwachung erhöht, sagte Veranstalterin Astrid Schneider am Freitagmorgen in einem WDR-Interview.

Nach dem Messerangriff ging das Stadtfest am Samstag mit einem ökumenischen Gottesdienst weiter und wurde nicht abgebrochen. Auch Reul nahm am Gottesdienst teil, sprach vor Ort mit Einsatzkräften. „Wir leben in einer Welt, die leider voll solcher Gefahren an jeder Ecke besetzt ist, und wir als Polizei müssen dafür sorgen, möglichst differenzierte, kluge Antworten zu finden“, sagte der Innenminister. Das sei eine nicht ganz einfache Herausforderung. „Es gibt die einfachen Antworten nicht und trotzdem müssen wir alle wach werden.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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