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Mord, Totschlag, Spuren, Ermittlungen, Verbrechen, Straftat
Ermittlungen nach einem Mord (Symbolfoto) © 123rf.com

Untersuchung

Todesopfer rechtsextremer Gewalt in NRW höher als bislang angegeben

Zwischen offiziellen Zahlen und unabhängigen Recherchen klaffte schon immer eine Lücke – zu Recht, wie eine Untersuchung in NRW jetzt zeigt. Danach ist die Zahl von Todesopfern rechtsextremer Gewalt höher als bislang angegeben. Forscher hatten alte Fälle untersucht – und nicht einmal alle.

Von Dienstag, 03.09.2024, 19:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.09.2024, 11:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt in Nordrhein-Westfalen ist höher als bislang angegeben. Sie müsse um vier Todesopfer erhöht werden, sagten Forscher im Landeskriminalamt in Düsseldorf. Zuvor lag sie bei 13 Todesopfern seit 1990. Die Forscher hatten sich 30 alte Fälle noch einmal angeschaut. Ziel war es, die Gesamtzahl der offiziellen Todesopfer rechter Gewalt zwischen 1984 und 2020 zu überprüfen.

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Das Ergebnis der Studie wurde am Dienstag unter anderem von NRW-Innenminister Herbert Reul vorgestellt. Der CDU-Politiker erwähnte den Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße mit 20 Schwerverletzten im Jahr 2004. Bis die Explosion dem rechtsterroristischen NSU zugeschrieben wurde, vergingen Jahre. „Die Polizei war auf der falschen Fährte und hat die Falschen verdächtigt“, sagte Reul. Insofern sei die Studie gelebte Fehlerkultur.

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Neu als Todesopfer rechter Gewalt eingestuft wurden:

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  • ein Obdachloser, der 1995 in Velbert in einem Park auf seine Mörder trifft: Rechtsradikale erstechen ihn. „Das war ein klarer Fall von Sozialdarwinismus“, sagte Projektleiter Jonathan Widmann.
  • in Bochum töten zwei Rechtsradikale 1997 den Homosexuellen Joseph G. Opfer und Täter kennen sich aus dem Obdachlosen-Milieu, umgebracht wird G. aber aus Sicht der Forscher eindeutig wegen seiner sexuellen Orientierung.
  • in Duisburg treffen sich im März 1999 drei rechtsradikale Skinheads zur Menschenjagd. Sie verfolgen mehrere Passanten, bis ihre Mordlust den Frührentner Egon Effertz trifft. Mit ihren Springerstiefeln treten sie ihn tot und entstellen ihn dabei bis zur Unkenntlichkeit. Der 58-Jährige sei zwar ein Zufallsopfer, aber auch stellvertretend für die Schwachen in der Gesellschaft ausgewählt worden.
  • der Punker Thomas Schulz, genannt „Schmuddel“, trifft in Dortmund auf einen in der rechten Szene fest verankerten 17-Jährigen, für den Punker „Zecken“ sind, ein politisches Feindbild. Der Punker geht dem Rechtsradikalen nach, der bringt ihn um.

Während offiziell seit der Wiedervereinigung 113 Menschen durch Rechtsextremisten in Deutschland starben, kommen etwa „Tagesspiegel“ und „Zeit online“ auf 190 Todesopfer.

Dreifachmord von Overath

Einen spektakulären Fall aus dem Jahr 2003 hatte das Landeskriminalamt bereits neu als rechts motiviertes Tötungsverbrechen eingestuft. Ein Neonazi hatte im Oktober 2003 in Overath bei Köln einen Rechtsanwalt, dessen Ehefrau und Tochter erschossen. Der Anwalt hatte bewirkt, dass der verschuldete Neonazi ein Gehöft verlor, auf dem er Treffen von Rechtsextremisten veranstaltet hatte.

Das Landgericht Köln hatte ihn 2004 zur Höchststrafe verurteilt und im Urteil vermerkt, dass die nationalsozialistischen Vorstellungen des Mörders bei der Tat eine Rolle gespielt haben.

Nicht alle Fälle konnten geprüft werden

Auch der Dreifachmord des Neonazis Michael B. im Jahr 2000 in Dortmund und Waltrop wurde überprüft. B. hatte damals drei Polizisten erschossen. Die Forscher kamen zum Schluss, den Dreifachmord weiterhin nicht als rechtsextrem motiviert einzustufen. Es habe sich um sogenannte Verdeckungsmorde gehandelt: Der Neonazi habe die Beamten getötet, um Waffendelikte zu verbergen.

In den Fällen, die neu als rechtsextrem eingestuft wurden, darunter auch mehrere versuchte Tötungsdelikte, seien bereits die Angehörigen entsprechend informiert worden. Insbesondere für die Hinterbliebenen sei die erfolgte Aufarbeitung wichtig, teilten das Landeskriminalamt und das NRW-Innenministerium mit. „Dass wir die Fälle aus der Vergangenheit neu betrachtet und bewertet haben, war erforderlich“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). „Handelt es sich um Rechtsextremismus, soll er als solcher benannt und in der Statistik erfasst sein.“

Allerdings konnten nicht alle Fälle überprüft werden, wie es hieß: Bei manchen bekamen die Forscher schlicht keinen Zugriff auf die Akten. So bleiben diverse Verdachtsfälle, wie der Brandanschlag 1994 auf ein Wohnheim in Köln mit zwei Toten, ungeklärt. Bei dem Anschlag starben Jasminka Jovanovic (12) und Raina Jovanovic (61), beide Roma. Sie waren vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Bis heute unbekannte Täter hatten nach Mitternacht in dem Gebäude Feuer gelegt. Insgesamt zehn Menschen erlitten schwere Verbrennungen, darunter zwei einjährige Kinder. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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