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Szene aus dem Video-Clip des Bayerischen Innenministeriums

NS-Bildsprache

Bayern-Ministerium stoppt Salafismus-Clip – wie „vom Stürmer“

Islamophobie ist in Deutschland weit verbreitet. Befeuert wird diese Angst nicht nur von Rechtsextremisten, wie ein inzwischen zurückgezogenes Video aus dem Bayerischen Innenministerium zeigt. Man habe vor dem Salafismus warnen wollen. Doch das geht nach hinten los.

Mittwoch, 04.09.2024, 11:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.09.2024, 10:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Nach Kritik hat Bayerns Innenministerium ein Kurzvideo als Werbung für eine Kampagne gegen Gefahren durch salafistische Prediger vorerst gestoppt. Der animierte Videoclip – den das Ministerium zunächst auf der Plattform X veröffentlichte, später aber wieder löschte – hatte auf den sozialen Medien massive Rassismus-Vorwürfe ausgelöst.

„Wir nehmen die Kritik an dem Video sehr ernst und haben die Kampagne erst mal gestoppt“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. „Wir bedauern außerordentlich, wenn das Video zu Irritationen und Missverständnissen geführt hat.“

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Frau verschwindet im Rachen eines Predigers

In dem etwa 30 Sekunden langen Video ist unter anderem zu sehen, wie eine junge Frau einen Smartphone-Clip eines Predigers mit Gebetskappe anschaut. Eingeblendet wird die Frage: „Dürfen sich Musliminnen schminken?“ Zu hören sind düstere Klänge, ein boshaftes Lachen. Das Gesicht des Predigers wird zu einer Fratze wie aus einem Horror-Film, die Frau verschwindet in seinem Rachen.

Kurze Zeit später ist die Frau erst mit Kopftuch, dann mit Vollverschleierung zu sehen. Schließlich laufen ihr in dem Video beim Putzen in der Küche neben einer weiteren vollverschleierten Frau Tränen aus den Augen. „Die Salafismus-Falle“ mit dem Untertitel „Es geht schneller als Du denkst“ wird als Schriftzug in Großbuchstaben eingeblendet, gefolgt von einem Link zum Auftritt der Präventionskampagne „Antworten auf Salafismus“.

Empörung im Netz über NS-Bildsprache

Soweit die Story. Für Empörung sorgt vielmehr die Bildsprache des Videos, die bei vielen Nutzern Assoziationen zur Zeit des Nationalsozialismus (NS) weckt. Der Journalist und Buchautor Hasnain Kazim etwa kritisierte auf X das Video, „das so auch der ‚Stürmer‘ hätte machen können.“ Andere Nutzer posten judenfeindliche Hetz-Bilder aus der NS-Zeit, die Szenen aus dem Video frappierend ähnlich sind.

Amnesty International schrieb auf X: „Wie gefährlich #Rassismus in den Behörden ist“, zeige das Bayerische Staatsministerium „mit einem Video in Propaganda-Ästhetik voller antimuslimischer Stereotype“. Der Journalist Erkan Pehlivan will nach der Löschung des Videos auf X wissen: „Wann kommt die offizielle Stellungnahme, wann eine Entschuldigung und welches Superhirn hat das Video genehmigt?“

Ministerium will Video überarbeiten

Ein Ministeriumssprecher teilte mit, das Video habe aufzeigen sollen, dass einflussreiche salafistische Prediger verstärkt versuchten, „mit auf den ersten Blick harmlos wirkenden Alltagsthemen insbesondere junge Menschen zu ködern und für ihr extremistisches Gedankengut zu gewinnen“. Der Clip solle nun überarbeitet werden. „Die Gefahren des Salafismus dürfen aber nicht verharmlost werden“, so der Sprecher.

Derweil macht das Video, das zwar gelöscht wurde, aber als Kopie im Netz vielfach abrufbar ist, seine Runden. Ausgerechnet salafistische Accounts posten das Video, das ihnen offensichtlich in die Hände spielt. Sie stellen sich als Opfer staatlicher Hetze dar und ziehen Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus – mit Erfolg: die Posts werden hundertfach geteilt und erzielen vergleichsweise große Reichweiten.

Video zieht auch international Kreise

Inzwischen zieht das Video sogar international seine Kreise. Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis schreibt auf X: „Dieses widerwärtige islamfeindliche Video wurde nicht von der rechtsextremen AfD, sondern vom bayerischen Innenministerium produziert!“ Zwar sei es inzwischen gelöscht worden, doch das ändere nichts daran, dass es produziert und zum Hochladen freigegeben wurde.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke schrieb auf X, der Beitrag sei ein „durch & durch rassistischer Videoclip“. Weiter schrieb sie: „Erbärmlich – ganz besonders in diesen Zeiten! Statt Ausgrenzung & Hetze braucht es Haltung gegen antimuslimischen Rassismus.“

Dem eigenen Anliegen geschadet?

Die innenpolitische Sprecherin der bayerischen SPD, Christiane Feichtmeier, sagte, das Video habe bei ihr „großes Kopfschütteln ausgelöst“. Der Kampf gegen Salafismus sei zwar wichtig, sagte die Landtagsabgeordnete. „Es kann jedoch nicht sein, dass Steuermittel für etwas ausgegeben werden, was nicht wirkt oder vielleicht sogar dem Anliegen einen Bärendienst erweist. So wirkt das Video jedenfalls auf mich und andere.“

Kritik kam auch von den Grünen im bayerischen Landtag. „Salafisten verführen junge Menschen geschickt auf TikTok und die Staatsregierung blamiert sich auf X“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Florian Siekmann. „Wir brauchen geschickte Gegenmaßnahmen statt plumpe Vorurteile, die salafistische Opfererzählungen nur noch verstärken.“ (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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