Studie
Häufigste Ängste der Deutschen: höhere Preise und Migration
Manche Menschen fürchten um ihren Job, andere machen sich Sorgen wegen Kriminalität oder Terrorismus. Auf den ersten Plätzen einer Langzeitstudie zu Ängsten liegen aber weiterhin zwei andere Themen: Geld und Migration. Sind sie aber auch begründet?
Mittwoch, 09.10.2024, 15:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.10.2024, 21:03 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Steigen die Preise noch weiter? Kann ich mir meine Wohnung noch leisten? Wird Deutschland durch weitere Flüchtlinge und Einwanderer überfordert? Diese Fragen bereiten vielen Deutschen große Sorge, wie die Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ ergab, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die Sorge um steigende Lebenshaltungskosten steht demnach auf Platz eins der Ängste. 57 Prozent der befragten Menschen gaben an, sich vor weiter steigenden Preisen zu fürchten.
Diese Angst wurde in den bislang 33 Befragungen am häufigsten angegeben. „Der Blick in unsere Langzeitstatistik zeigt: Wenn es um den eigenen Geldbeutel geht, reagieren die Deutschen sensibel“, stellt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch fest. Weiterhin befürchten viele Deutsche (52 Prozent), dass die Mieten zu teuer werden. Diese finanzielle Sorge belegt Platz drei der Studie.
Stimmung hellt sich etwas auf
Im Vergleich zu 2023 hellte sich die Stimmung aber auf. Die Verbreitung der Ängste vor den steigenden Kosten und zu teurem Wohnen gingen um jeweils acht Prozentpunkte zurück. „Die Menschen haben mehr Geld im Portemonnaie. Das bleibt nicht ohne Wirkung.“
Die Umfrage „Die Ängste der Deutschen“ wird seit mehr als 30 Jahren von der R+V-Versicherung in Auftrag gegeben und handelt Probleme aus Politik, Wirtschaft, Familie und Gesundheit ab. Für die diesjährige Studie wurden zwischen Juni und August rund 2400 Menschen im Alter ab 14 Jahren von Meinungsforschern befragt.
Angst vor Überforderung durch Migration
Auch das Thema Migration treibt die Menschen in Deutschland weiterhin um und landet auf Platz zwei der Ängste. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) befürchten, dass Gesellschaft und Behörden der Zahl der Geflüchteten nicht gewachsen sind. 51 Prozent der Befragten geben an, durch weiteren Zuzug aus dem Ausland könne es zu Spannungen in der Gesellschaft kommen. „Grundlegende Probleme bei der Zuwanderung und Integration wurden lange nicht angegangen. (…) Hier ist die Politik dringend gefordert“, so die Marburger Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki, die die Studie als Beraterin begleitet.
In Ostdeutschland (60 Prozent) ist die Angst vor einer Überforderung des Staates etwas weiter verbreitet als in Westdeutschland (55 Prozent). „Gerade im Osten herrscht in Teilen der Gesellschaft das Gefühl, ungleich und unfair behandelt zu werden. Das Fremde, die Geflüchteten und deren Zuzug werden als Bedrohung empfunden“, erklärt Borucki.
Politischer Extremismus als Bedrohung
Besonders zugenommen hat laut der Studie die Sorge vor politischem Extremismus. 46 Prozent der Befragten geben an, Angst vor politischen Extremen zu haben – 8 Prozent mehr als noch im Vorjahr. 48 Prozent davon fürchten sich vor islamistischem Terror, 38 Prozent vor Rechtsextremismus und 7 Prozent vor Linksextremismus.
Auch die Angst vor Terrorismus ist um 5 Prozentpunkte gestiegen (43 Prozent). Brower-Rabinowitsch weist darauf hin: „Kurz vor der ersten Befragungswelle der Studie war der tödliche Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim.“
Entspannt sehen die meisten Deutschen Gefahren durch Störfälle in Atomkraftwerken (29 Prozent) und Straftaten (23 Prozent). Auch um den Arbeitsmarkt macht sich nur eine Minderheit Sorgen: 30 Prozent der Befragten haben Angst vor steigenden Arbeitslosenzahlen. Noch weniger (22 Prozent) fürchten den Verlust ihres eigenen Jobs – das ist der letzte Platz im Ranking und im Langzeitvergleich der niedrigste Wert zu dieser Frage.
Butterwegge: Geflüchtete und Arme nicht gegeneinander ausspielen
Experten zufolge sind viele der befragten Sorgengengebiete miteinander verknüpft. So werde die Angst um höhere Mieten beispielsweise auch davon getragen, dass der Konkurrenzkampf auf dem Wohnungsmarkt größer werde durch Einwanderung aus dem Ausland. Diese jedoch sei ein wesentlicher Faktor für den deutschen Arbeitsmarkt, etwa für die Deckung des Fachkräftemangels. Letzteres wiederum werde entscheidend sein für die allgemeine wirtschaftliche Lage in Deutschland, was sich im Ergebnis auch im Geldbeutel der Menschen widerspiegeln werde. Insofern seien die Ängste teilweise widersprüchlich beziehungsweise nicht plausibel.
Auf einen weiteren Aspekt weisen Experten bereits seit vielen Jahren hin: Umgang mit Flüchtlingen und armen Menschen. „Geflüchtete werden gegen einheimische Arme ausgespielt“, sagte Armutsforscher Christoph Butterwegge der „Rheinischen Post“. Zuletzt hatte CDU-Chef Friedrich Merz für Aufregung gesorgt mit einer unzutreffenden und inzwischen widerlegten Behauptung über Asylbewerber. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, hatte er gesagt.
Die Bürgergeld-Reform der Ampelkoalition bezeichnete Butterwege als „Rolle rückwärts“. Einige der neuen Sanktionen seien sogar härter als zuvor. Butterwegge sprach sich zudem dafür aus, den reichsten Menschen mehr Abgaben abzuverlangen. „Nur in wenigen anderen Ländern sind die Vermögen so ungleich verteilt wie in der Bundesrepublik“, kritisierte er. Seit 1997 wird in Deutschland keine Vermögenssteuer mehr erhoben. (dpa/epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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