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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen © Nicolas Tucat/AFP

Umsetzung im Fokus

Wenig Konkretes beim EU-Migrationsgipfel und viele Alleingänge

Trotz der jüngsten Einigung auf eine große Reform rückt ein langjähriger Streitpunkt der EU erneut ins Zentrum: die gemeinsame Asylpolitik. Es gibt viele verschiedene Ideen, doch nationale Alleingänge erschweren diese. Gegenüber Lagern in Drittstaaten äußert sich Bundeskanzler Olaf Scholz skeptisch.

Sonntag, 20.10.2024, 11:54 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 20.10.2024, 11:54 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich bei einem Gipfeltreffen auf weitere Schritte in der gemeinsamen Migrationspolitik verständigt. In ihrer Gipfelerklärung von Donnerstag blieben sie allerdings allgemein. Darin erinnern sie daran, „dass die Migration eine europäische Herausforderung ist, die eine europäische Antwort erfordert“.

Erst im Frühjahr hatte sich die EU nach jahrelangen Verhandlungen auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Das Gesetzespaket zur Verschärfung des Asylrechts enthält zehn Bausteine und sieht unter anderem vor, dass Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden. Die neuen Regeln treten laut Plan erst 2026 in Kraft.

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Zuletzt hatten nationale Alleingänge die europäische Einigung überlagert. Zur Eindämmung der irregulären Migration hatte Deutschland im September an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen eingeführt. Ungarn und die Niederlande hatten angekündigt, aus den europäischen Asylregeln aussteigen zu wollen. Zuletzt hatte auch Polen erklärt, bestimmte Asylregeln umgehen zu wollen.

Von der Leyen für Auslagerung von Asylverfahren

„Die EU-Asylreform ist Europarecht, und wir konzentrieren uns auf die Umsetzung“, betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Nacht zu Freitag im Anschluss an den EU-Gipfel. Gleichzeitig sehe die EU einen anhaltenden Migrationsdruck, weshalb nach weiteren Lösungen gesucht werden müsse.

Von der Leyen hatte vor dem Gipfel einen Zehn-Punkte-Plan mit Vorschlägen vorgelegt, um das EU-Asylrecht weiter zu verschärfen. Darin enthalten ist auch ein Vorschlag für Abschiebezentren außerhalb der EU. Von der Leyen bezieht sich dabei explizit auf die Entscheidung der italienischen Regierung, Asylverfahren teilweise in ein Lager nach Albanien auszulagern.

Scholz skeptisch gegenüber Auslagerung von Asylverfahren

Der Bundeskanzler äußerte sich auf dem EU-Gipfel skeptisch gegenüber solchen Vorschlägen zur Auslagerung von Migrationszentren in Drittstaaten. „Ich kann mit diesen Diskussionen wenig anfangen“, sagte Scholz. Er erklärte, solche Zentren auch aus rein praktischen Gründen abzulehnen. Nach Deutschland seien im vergangenen Jahr mehr als 300.000 Frauen und Männer irregulär eingereist. 1.000 oder 2.000 Plätze in Lagern außerhalb der EU seien für ein so großes Land wie Deutschland unerheblich. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das italienisch-albanische Vorhaben als interessant bezeichnet.

Die Bundesregierung habe die Zahl der Asylgesuche bereits um rund 50 Prozent reduziert, betonte Scholz. „Wie gesehen, sind wir mit unseren Maßnahmen, die wir in Deutschland ergriffen haben, ziemlich erfolgreich, und es kommen ja weitere, zum Beispiel auch mit der GEAS-Reform, die wir in Deutschland umsetzen“, sagte Scholz. Der Kanzler erklärte nach dem Gipfel dennoch, die Diskussion sei „sehr konstruktiv“ verlaufen. Kritik musste sich Scholz aber anhören. So äußerten zuletzt mehrere EU-Partner Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung, an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen anzuordnen.

Umsetzung von Asylreform dauert

Hintergrund der aktuellen Debatte ist, dass die im Frühjahr beschlossene EU-Asylreform von etlichen Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen wird. Viele bezweifeln, dass sie die aktuellen Probleme lösen kann. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis kritisierte beim EU-Gipfel, dass die Reform nicht auf das Thema Rückführungen eingehe: „Wir können nicht akzeptieren, dass wir uns nicht wirksam um diejenigen kümmern, die keinen Anspruch auf einen Schutzstatus in der Europäischen Union haben.“

Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Asylreform sich wegen der Übergangsfrist noch bis Juni 2026 hinziehen könnte. Bundeskanzler Scholz forderte in Brüssel eine beschleunigte Umsetzung. Es sei ihm wichtig, dass die Vereinbarung der 27 EU-Staaten „nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert“, sagte er. „Wir werden in Deutschland die dazu notwendigen Gesetze sehr schnell dem Deutschen Bundestag zuleiten, aber es wäre gut, wenn überall in Europa das früher eingeführt werden kann.“

Staaten wie Italien und Griechenland sollen entlastet werden

Mit der umstrittenen Reform werden Mitgliedstaaten etwa zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet, damit rasch festgestellt werden kann, ob Asylanträge unbegründet sind und die Geflüchteten dann schneller und direkt von der Außengrenze abgeschoben werden können. Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen dabei nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. (epd/dpa/mig) Aktuell Politik

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