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Die indische Flagge © Mike Prince @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Scholz lockt Fachkräfte

Inder sollen nach Deutschland kommen kommen

Ob in Pflegeheimen, Kliniken, auf dem Bau oder in der IT: Die Arbeitskräfte-Lücken in Deutschland wachsen. Inder sollen sie verstärkt füllen. Der Kanzler und mehrere Minister sind nun auf großer Reise: Sie wollen Inder vor Ort nach Deutschland locken.

Von Montag, 21.10.2024, 10:40 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.10.2024, 10:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und mehrere seiner Minister gehen diese Woche auf heikle Mission: In Indien wollen sie Arbeitskräfte aus der größten Demokratie der Welt nach Deutschland locken. Immer mehr Inderinnen und Inder sollen beim Stopfen der wachsenden Fachkräftelücken in der Pflege, in Kliniken, auf dem Bau und in IT-Abteilungen helfen. Auch engere außen-, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Beziehungen sind das Ziel der größer angelegten Reise. Doch könnten gravierende Unterschiede bei Themen wie etwa Russlands Krieg in der Ukraine die Gespräche belasten.

Begleitet von einer „hochrangigen Wirtschaftsdelegation“ will sich Scholz auch um mehr Handel und mehr gemeinsame Anstrengungen bei Entwicklung, Klima- und Umweltschutz kümmern, wie Sprecher Steffen Hebestreit sagte. Konkret werden soll es etwa bei Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der gemeinsam mit Wirtschaftskollege Robert Habeck (Grüne) in einem separaten Flugzeug hinfliegt: In einer Bäckerei, die auch mit deutschen Rezepten arbeitet, will er beispielhaft die Vermittlung junger Inderinnen und Inder in die deutsche Berufsausbildung stärken. In einer Schule will Heil zudem mit Schülerinnen und Schülern über eine Zukunft in Deutschland sprechen.

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Digital-Visa sollen Indien-Migration flott machen

Fachkräfte aus Indien in großem Stil will Deutschland mit Visa auf digitalem Weg anlocken. Dazu kommen Deutschkurse und Jobmessen in Indien sowie insgesamt der Abbau bürokratischer Hürden. Die Bundesagentur für Arbeit will zudem indische Studierende in Deutschland gezielter beraten. Das Bundeskabinett beschloss eine entsprechende Fachkräftestrategie Indien sowie eine Handreichung des Auswärtigen Amts, „Fokus auf Indien“.

Heil bezeichnete den Zuzug indischer Fachkräfte als „Erfolgsgeschichte“. Mit über 30 Maßnahmen würde diese fortgeschrieben. Im Februar waren 137.000 Inderinnen und Inder in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 3,7 Prozent der Inderinnen und Inder in Deutschland waren arbeitslos – zum Vergleich: 7,1 Prozent waren es in der Gesamtbevölkerung. Bei diesen in der Fachkräftestrategie genannten Arbeitslosenquoten sind aus statistischen Gründen Selbstständige, Beamte und Grenzpendler übrigens nicht enthalten. Alle eingeschlossen lag die Arbeitslosenquote in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit im September bei 6,0 Prozent.

Indische Seite fördert Arbeitsmigration

Hierzulande wachsen die Probleme wegen der Alterung der Gesellschaft. Fachkräftemangel drohe Wachstum und Fortschritt abzubremsen, heißt es in der Regierungsstrategie. „In Indien ist die Lage gegenläufig.“ Die jungen Menschen seien großteils gut ausgebildet – der Jobmarkt der fünftgrößten Volkswirtschaft sei aber nur begrenzt aufnahmefähig.

Bei einem Treffen mit Inderinnen und Indern am Rand eines Cricketspiels Anfang vergangener Woche sagte Heil: „In Indien kommen pro Monat eine Million Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt.“ Laut Strategie fördert die indische Seite die Arbeitsmigration aktiv: „Deshalb sieht Deutschland in Indien beim Thema Fachkräfteeinwanderung einen besonders wichtigen Partner.“ Deutschland will nun das Visaverfahren für Indien bis Ende 2024 digitalisieren – künftig soll digitale, datenschutzkonforme Antragstellung und Kommunikation die Regel sein.

Wo arbeiten die Inder?

In Deutschland fehlen Arbeits- und Fachkräfte vor allem bei: IT und technischer Forschung, Bau und Handwerk und bei Pflege, Gesundheit und medizinischer Versorgung. Bei 34,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt nimmt sich die Zahl der Inderinnen und Inder in den deutschen Betrieben noch gering aus – doch das könnte sich ändern. „Unternehmen (…) müssen vermehrt ihre Anstrengungen in die Gewinnung und Bindung von Fachkräften intensivieren – auch aus dem Ausland“, so die Regierung. „Dieser Trend wird sich in der Zukunft fortsetzen.“

Da fügt es sich gut, dass die Menschen aus Indien oft gut ausgebildet sind, viele mit akademischem Abschluss. 16 Prozent arbeiten auf Spezialisten-, 37 Prozent auf Expertenniveau. Beschäftigt sind die Inderinnen und Inder in Deutschland vorwiegend im Dienstleistungssektor, speziell in Information und Kommunikation. Gerade hier gibt es viele Engpässe – Behörden und Firmen beklagen seit Jahren gravierende Lücken an IT-Fachkräften.

Alles harmonisch also?

Nicht unbedingt. Die öffentlich zelebrierte Umarmung von Premierminister Narendra Modi und Russlands Präsident Wladimir Putin erst im Sommer bei Modis Staatsbesuch in Moskau hat dem Westen gar nicht gefallen. Indien ist traditionell eng mit Russland. Unter Modis Regierung soll Indien ebenso wie etwa die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate nun auch kriegswichtige Technologie ins Reich Putins liefern, so ein Vorwurf. Nach Medienberichten gab es von Ukraine-Verbündeten bereits mehrere Gesprächsversuche – ohne Erfolg. Ein Sprecher von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte jedenfalls allgemein an, dass man „Themen, auf die wir mal nicht aus derselben Richtung schauen, auch ansprechen“. (dpa/mig) Aktuell Wirtschaft

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