Drastische Kürzungen
Integrationskurse in ihrer Existenz bedroht
Ich schreibe aus Erfahrung: Sparmaßnahmen stellen Integrationskursträger vor grundlegende Finanzierungsprobleme und erschweren Zugewanderten die gesellschaftliche Teilhabe.
Von Steffen Groß Mittwoch, 30.10.2024, 12:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.10.2024, 12:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Integrationskurse in Deutschland stehen vor einer ernsthaften Krise. Als Inhaber einer Sprachschule, die sich auf diese staatlich geförderten Kurse für Menschen mit Migrationshintergrund spezialisiert hat, sehe ich mich verpflichtet, auf die Probleme aufmerksam zu machen, die nicht nur unsere Arbeit, sondern auch die Integration tausender Menschen gefährden.
Integrationskurse sind das Fundament für eine erfolgreiche Eingliederung von Zugewanderten in die deutsche Gesellschaft. Sie vermitteln nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch grundlegende Kenntnisse über Kultur, Geschichte und Rechtsordnung des Landes. Doch während die Nachfrage weiter steigt, steht dieses substanzielle Angebot aufgrund sich jedes Jahr zuspitzender Finanzierungsprobleme auf wackligen Beinen.
Dieses Jahr waren bereits im September 93 Prozent des Jahresbudgets für Integrationskurse aufgebraucht. Zwischen August und Oktober erhielten die Kursträger keine nennenswerten Zahlungen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Bereits 2023 trat dieses Problem (ebenfalls) im September auf. Dies zwingt die Kursträger, die Kosten für Personal, Räumlichkeiten und Unterrichtsmaterialien aus eigenen Mitteln vorzustrecken – eine Situation, die viele Träger an den Rand ihrer finanziellen Belastbarkeit bringt.
„Für den Haushalt 2025 plant die Bundesregierung nun, die Mittel für die ohnehin schon chronisch unterfinanzierten Integrationskurse zu halbieren.“
Vor Kurzem wurden nun zwar zusätzliche Mittel bewilligt, auf deren Weiterleitung die Träger allerdings weiterhin warten. Die rechtliche Konstellation zwischen BAMF und Kursträgern verhindert zudem, dass Verzugszinsen oder -pauschalen für die verspäteten Zahlungen geltend gemacht werden können. Dies stellt eine zusätzliche finanzielle Belastung dar, die viele Träger nicht lange schultern können.
Für den Haushalt 2025 plant die Bundesregierung nun, die Mittel für die ohnehin schon chronisch unterfinanzierten Integrationskurse zu halbieren. Dieser von Faeser als „Sicherheitshaushalt“ betitelte Sparkurs soll den Sicherheitsbehörden zugutekommen und versucht, Handlungsfähigkeit in Bezug auf terroristische Gefahren zu demonstrieren. Inwiefern und für wen Kürzungen bei Integrationskursen mehr Sicherheit bedeuten, bleibt unklar.
„“Solange Betroffene keinen Zugang zur deutschen Sprache erhalten, verwehrt man ihnen nicht nur die Chance auf Jobs außerhalb des Niedriglohnsektors, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe.““
Die Konsequenzen dieser fortwährenden Finanzierungskrise sind weitreichend. Die Qualität der Kurse leidet, wenn qualifiziertes Personal nicht gehalten und notwendige Ressourcen nicht bereitgestellt werden können. Kursunterbrechungen oder gar -ausfälle drohen den Integrationsprozess der Teilnehmenden empfindlich zu stören. Langfristig könnte dies die Integration von Zugewanderten in die deutsche Gesellschaft und den Arbeitsmarkt erheblich erschweren.
Für viele Zugewanderte bedeutet dies konkret: Psychische Belastung durch teils monatelange Wartezeiten und eine unsichere Jobperspektive. Die Kürzungen für 2025 würden für viele Teilnehmende bedeuten, dass sie ihre begonnenen Kurse nicht abschließen können. Dies betrifft weit über 300.000 Menschen. Solange Betroffene keinen Zugang zur deutschen Sprache erhalten, verwehrt man ihnen nicht nur die Chance auf Jobs außerhalb des Niedriglohnsektors, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe. Jüngste Äußerungen von FDP-Generalsekretär Djir-Sarai, der Migrant:innen bei ihrer Integration vor allem in einer „Bringschuld“ sieht, befeuern nicht nur ein rechtspopulistisches Narrativ von „Integrationsverweigerern“, sondern wirken angesichts dieser prekären Zustände bei Integrationskursen besonders zynisch.
„Kursträger benötigen Planungssicherheit, um ihre Angebote langfristig aufrechterhalten zu können.“
Um die Zukunft der Integrationskurse zu sichern, sind dringende Maßnahmen erforderlich. Das Budget muss endlich dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden und darf nicht weiter auf politischen Wunschvorstellungen basieren. Kursträger benötigen Planungssicherheit, um ihre Angebote langfristig aufrechterhalten zu können. Zudem sollte eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, die es Trägern ermöglicht, bei Zahlungsverzögerungen Verzugszinsen geltend zu machen.
Die Integrationskurse sind ein unverzichtbares Instrument für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Es liegt im Interesse aller, dieses wichtige Angebot zu erhalten und zu stärken. Dafür bedarf es jedoch einer umgehenden und nachhaltigen Lösung der aktuellen Finanzierungsprobleme. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Integration von Zugewanderten auch in Zukunft gelingen kann. Meinung
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