Netflix-Filmtipp
Zum 100. Geburtstag der Schwarzen US-Politikerin Shirley Chisholm
Shirley Chisholm war in Vielem die Erste in den USA: 1969 die erste Schwarze Kongressabgeordnete und 1972 die erste Schwarze Anwärterin auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Zum 100. gibt es eine Ausstellung und einen Netflix-Film.
Von Konrad Ege Donnerstag, 28.11.2024, 12:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.11.2024, 12:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Shirley Chisholm habe ihr und vielen anderen den Weg geebnet – das schrieb Kamala Harris 2021 auf Twitter (heute X), als Joe Biden Präsident und sie selbst Vizepräsidentin der USA wurden. Chisholm war 1969 die erste Schwarze Kongressabgeordnete in der Geschichte der USA. 1972 bewarb sie sich als erste Schwarze um die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei und erreichte das viertbeste Ergebnis.
Als die Demokraten im August Kamala Harris auf ihrem Parteitag zur Präsidentschaftskandidatin machten, sagte ein Redner unter tosendem Beifall: Chisholm sehe sicherlich zu, wie endlich eine Schwarze Frau nominiert werde.
Bis heute präsent in den USA
Shirley Anita Chisholm kam am 30. November 1924 in New York City zur Welt, sie starb 2005. Wie Harris war sie ein Kind von Einwanderern, ihre Eltern kamen aus Barbados und Guyana. Ihren karibischen Akzent hat sie nie verloren, als Kind lebte sie eine Zeitlang bei ihrer Großmutter auf Barbados.
Und sie ist auch 100 Jahre nach ihrer Geburt noch sehr präsent in den USA: Bei Netflix läuft in diesem Jahr die Chisholm-Biografie „Shirley“ mit Oscar-Preisträgerin Regina King. Das Museum of the City of New York präsentiert eine Ausstellung über sie – und zeigt sie als eine Politikerin, die viele begeisterte und bei anderen auf Missfallen stieß, weil sie die „Ordnung“ herausforderte.
Ihr Wahlkampfslogan war „unbought and unbossed“, in etwa: nicht käuflich und eigenständig. Die prominente demokratische Politikerin Nancy Pelosi attestierte ihr „außerordentlichen Mut“.
„Nicht die Kandidatin des Schwarzen Amerika“
Die Kandidatur 1972 sei zu einer turbulenten Zeit gekommen, erklärt Ausstellungs-Ko-Kuratorin Sarah Seidman: der Krieg in Vietnam, die bewegten 1960er Jahre, die Frauenbewegung und der umstrittene Republikaner Richard Nixon im Weißen Haus. Chisholm habe eine Koalition von jungen Menschen, Frauen und „marginalisierten Gruppen“ zusammenbringen wollen. Als Vorschullehrerin in einem verarmten Stadtgebiet waren ihr eine bessere Förderung von Kindern sowie Lebensmittelhilfsprogramme wichtig. Sie forderte mehr Rechte für Schwule und Lesben und trat für ein Recht auf Abtreibung ein – mit beidem war sie ihrer Zeit voraus.
Am 25. Januar 1972 bewarb sie sich als Anwärterin auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten: „Ich bin nicht die Kandidatin des Schwarzen Amerika, obwohl ich Schwarz und stolz darauf bin. Ich bin nicht die Kandidatin der Frauenbewegung, obwohl ich eine Frau bin und ebenfalls stolz darauf.“ Sie sei die Kandidatin aller Amerikaner. Es sei an der Zeit, „wegzukommen von den fantasielosen, privilegierten, althergebrachten und müden Politikern“, hin zu den „zahllosen neuen Bevölkerungsgruppen“.
Schwarze Frau im weißen Männerclub
Chisholm war schon damals keine Unbekannte. Von 1965 bis 1968 war sie Abgeordnete im Bundesstaat New York, wo sie half, ein Gesetz zur Arbeitslosenversicherung für Hausangestellte durchzubringen. 1968 folgte dann ihre sensationelle Wahl zur Kongressabgeordneten – der ersten Schwarzen Abgeordneten der USA. Der Kongress war zu jener Zeit ein weißer Männerclub: Unter den 535 Mitgliedern waren nur elf Frauen und zehn Schwarze.
Bei den Präsidentschaftsvorwahlen der Demokraten dann trat sie gegen prominente weiße Männer an, darunter Senator George McGovern und Senator Henry Jackson. Selbst im politisch linken Spektrum waren viele skeptisch: Chisholm habe wenig Geld und keine Chance.
In ihren Erinnerungen „The Good Fight“ schrieb sie: Ihre Gegner wüssten doch, dass „ich die Intelligenz und die kreativen Fähigkeiten habe“. Am Ende lag beim Nominierungsparteitag der Demokraten in Miami Beach in Florida McGovern vorne mit 1.729 Delegiertenstimmen, Chisholm wurde vierte mit 152 Stimmen.
Schwarze Frau mit Mut
Zu der Zeit hatte es bereits eine Schwarze Präsidentschaftskandidatin gegeben, aber nicht aus einer der großen Parteien Republikaner und Demokraten: 1968 trat Charlene Mitchell für die Kommunistische Partei an. Sie wurde Anfang des 1970er Jahre international bekannt als Direktorin des Komitees zur Befreiung der inhaftierten Aktivistin Angela Davis.
Chisholm kehrte ins Repräsentantenhaus zurück und blieb dort bis 1983. Präsident Bill Clinton nominierte sie 1993 als Botschafterin in Jamaika, sie konnte den Posten aber aus Gesundheitsgründen nicht antreten.
Im Interview mit dem „Oral History Visionary Project“ wurde sie 2002 nach ihrem Platz in der Geschichte gefragt. Man solle sich nicht an sie als erste Schwarze Präsidentschaftsanwärterin erinnern, sagte Chisholm, sondern als „Schwarze Frau, die im 20. Jahrhundert gelebt hat und den Mut hatte, sie selbst zu sein“. Sie sei ein „Katalysator für Veränderung in Amerika“ gewesen. Und sie wird noch mit einer anderen Aussage zitiert: Sie habe mehr Diskriminierung erfahren, weil sie eine Frau sei, als wegen ihrer Identität als Schwarze. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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