Berlin-Neukölln-Komplex
Wieder U-Ausschuss, wieder Neonazis, wieder Verfassungsschutz, wieder Kritik
Seit 2022 widmet sich ein Untersuchungsausschuss der Serie von Brandanschlägen und Drohungen durch Neonazis in Neukölln. Ergebnis: Zahlreiche Fehler, viele Erinnerungslücken, geschwärzte Akten. Grüne und Linke üben scharfe Kritik, SPD zeigt Verständnis, CDU spricht von Einzelfällen.
Sonntag, 15.12.2024, 13:54 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.12.2024, 13:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mehrere Mitglieder des Berliner Untersuchungsausschusses zu einer rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln haben die Arbeit des Verfassungsschutzes sehr kritisch bewertet. Nach der Befragung zahlreicher Zeugen vom Berliner Verfassungsschutz monierten vor allem die Grünen- und Linken-Vertreter Erinnerungslücken. Außerdem seien nicht alle Akten geliefert worden, andere hätten geschwärzte Stellen, sagte der Ausschussvorsitzende Vasili Franco (Grüne) am Freitag. Abgeordnete von CDU und SPD sahen weniger Fehler und zeigten zum Teil Verständnis für den Geheimdienst.
Verfassungsschutz-Chef als Zeuge
Zuvor hatte der Ausschuss Verfassungsschutz-Chef Michael Fischer als Zeugen vernommen. Fischers Vorgänger Bernd Palenda und Claudia Schmid waren für den Nachmittag geladen. Zahlreiche Polizisten und führende Politiker waren in den vergangenen Jahren bereits befragt worden.
Der Untersuchungsausschuss will seit 2022 klären, ob Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz bei ihren Ermittlungen zu der Serie rechtsextremer Brandanschläge und Schmierereien in Neukölln von 2012 bis 2019 Fehler machten. Mehr als 70 dieser Taten zählte die Polizei in Neukölln. Die Ermittlungen zogen sich jahrelang hin.
Erst im Sommer 2021 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Anklage. Im ersten Prozess wurden zwei Angeklagte aus der Neonazi-Szene freigesprochen, im zweiten Durchgang wurden die beiden Männer am Donnerstag zu Gefängnisstrafen verurteilt. Das Urteil wurde von den Abgeordneten begrüßt.
Vorsitzender: Zähe Zeugenaussagen
Der Ausschussvorsitzende Franco sagte, die Zeugenbefragungen der letzten Monate mit den Beamten des Verfassungsschutzes seien oft sehr zäh verlaufen. Informationen seien nur sehr spärlich geliefert worden. „Wir haben Einblicke erhalten, aber keinen Überblick.“
Der Beitrag des Verfassungsschutzes zur Aufklärung der Brandanschläge und die Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei sei schlecht gewesen, sagte der Grünen-Abgeordnete André Schulze. Informationen seien oft unvollständig und zu spät gekommen.
CDU: Einzelfehler statt strukturelle Probleme
Der CDU-Abgeordnete Stephan Standfuß meinte hingegen, die Fehler seien nicht strukturell gewesen, sondern Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke seien in der Behörde nicht gefunden worden. Erinnerungslücken nach zehn Jahren seien verständlich.
Wiebke Neumann von der SPD betonte, der Geheimdienst habe durchaus einen Überblick über die rechtsextremen Strukturen gehabt. Allerdings sei tatsächlich Verbesserungsbedarf vorhanden.
Erinnerungslücke oder Aussageverweigerung?
Für die Partei Die Linke sagte Niklas Schrader: „Die Aussagen waren oft sehr oberflächlich, öfter haben sich die Zeugen auf fehlende Erinnerungen berufen. Das grenzte teilweise schon an Aussageverweigerung.“ Das Bild des Verfassungsschutzes sei nicht sehr vertrauenerweckend. Eine große Zahl von Telefongesprächen und Chats der Verdächtigen seien durch den Verfassungsschutz abgehört worden. Aber der Polizei habe man kaum etwas Brauchbares geliefert.
In den nächsten Monaten will der Ausschuss die damals zuständigen Staatsanwälte befragen. Im Sommer soll ein umfangreicher Abschlussbericht verfasst werden, der dann 2026 vorgelegt werden soll. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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