Sabine Schiffer, Medien, Islam, Migranten, Muslime, Minderheiten
Prof. Dr. Sabine Schiffer © MiG

Magdeburg

Terror mit Ansage – und falsche Schlüsse

Rechtsextreme Attacken werden verharmlost, Islamhass bleibt unbeachtet: Warnzeichen werden ignoriert, während alte Denkmuster unsere Sicherheit und den gesellschaftlichen Frieden bedrohen. Was läuft falsch – und warum?

Von Dienstag, 31.12.2024, 13:53 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 31.12.2024, 13:54 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Es ist erstaunlich und erschütternd, wie ein Terroranschlag, der Menschenleben fordert oder versehrt, seine Benennung ändert, wenn der Täter kein Islamist ist. Der Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember 2024 wird nun als ‚Anschlag‘ oder ‚Attacke‘ bezeichnet, teilweise aber auch als ‚Amokfahrt‘ verharmlost – obwohl es klare Ankündigungen und Vorbereitungen gab. Die Schrecken für die Opfer bleiben dieselben.

Es wäre wichtig, die Versäumnisse zu analysieren, um Vergleichbares in Zukunft zu verhindern. Doch die öffentliche Debatte ergeht sich in alten Reflexen und verfehlt den zentralen Punkt: Der Täter, ein saudi-arabischer Ex-Muslim, ist ein bekannter Islamhasser und hatte mehrfach mit seiner Tat gedroht. Islamhasser werden aber nach wie vor nicht in ihrem Gefahrenpotential ernst genommen und das gilt es zu ändern.

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„Es dauerte Jahre, bis die ausländerfeindliche Motivation des Rechtsextremisten offiziell anerkannt wurde.“

Ein Blick zurück zeigt, wie schleppend solche Erkenntnisse oft gewonnen werden: Nach dem Terroranschlag auf das Einkaufszentrum am Münchner Olympiastadion 2016 dauerte es Jahre, bis die ausländerfeindliche Motivation des iranisch-stämmigen Rechtsextremisten offiziell anerkannt wurde. Der Täter, der sich als ‚einziger echter Arier‘ sah, hatte zuvor in Online-Foren mit sogenannten White Supremacists kommuniziert und das Datum des Utøya-Massakers vom 22. Juli bewusst gewählt.

Diese schleppende Erkenntnis kostet weitere Menschenleben, wie man zurecht aus Hanau anmahnt, wo wiederum die Hetze nicht ernst genommen wurde, zusätzlich zum Behördenversagen am Abend des Anschlags im Februar 2020. Bereits 2009 wurde der Mord an Marwa el-Sherbiny durch einen russland-deutschen Täter dadurch begünstigt, dass man seine Gefährlichkeit nicht erkannte – sein Drohbrief an das Dresdner Landgericht, in dem er Muslimen das Existenzrecht absprach, führte zu keinerlei Schutz für die junge Mutter.

„Wer nur über den Schutz der Mehrheit diskutiert und die Minderheiten nicht einschließt, erhält am Schluss gar keinen Schutz.“

Nun wird erneut über das Ausländerrecht diskutiert, weil immer wieder schnell aus einer Passangelegenheit auf ein Gefahrenpotential geschlossen wird. Sogar eine Art Psychoverzeichniss wird vorgeschlagen, was an übelste historische Entgleisungen erinnern mag. Der Islamhass jedoch fällt durch die Raster der Denkfähigkeit unserer Politiker – und nicht nur das, die aktuelle Debatte befeuert ihn gar noch und gießt Öl ins Feuer der Projektion. Wer nur über den Schutz der Mehrheit diskutiert und die Minderheiten nicht einschließt, erhält am Schluss gar keinen Schutz, sondern Misstrauen in Minderheiten und die Politik. Meinung

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