Hände, Alter, Pflege, Oma, Rente, Warten, Sitzen
Hände © sabinevanerp @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Altersbericht

Ältere Migranten in der Gesundheitsversorgung und Pflege benachteiligt

Die Gruppe der älteren Menschen in Deutschland wird größer – und zugleich vielfältiger. Das bringt auch Ungerechtigkeiten mit sich, wie der Altersbericht der Bundesregierung zeigt. Migranten sind in vielerlei Hinsicht betroffen – von Armut ebenso wie in der Versorgung.

Donnerstag, 09.01.2025, 13:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.01.2025, 13:20 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Gestaltung des eigenen Lebens sind laut dem am Mittwoch veröffentlichten neunten Altersbericht der Bundesregierung in der älteren Generation „sozial ungleich verteilt“. Ob es um eine bezahlbare barrierefreie Wohnung gehe, um die passende Ärztin oder den Gang ins Theater: Was für manche Ältere selbstverständlich sei, stelle andere Senioren vor große Hürden. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte bei der Vorstellung des Berichts, dass insbesondere Frauen oder Menschen mit Migrationsgeschichte oft im Nachteil seien. Auch Altersarmut sei ein großes Problem.

Es geht um eine große – und weiter wachsende – Bevölkerungsgruppe: Menschen über 65 machten inzwischen fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus, sagte Paus in Berlin. Derzeit gebe es hierzulande doppelt so häufig 60. wie erste Geburtstage. Deutschland sei zu einer „Gesellschaft des langen Lebens“ geworden. Die Zahl der Migranten in dieser Altersgruppe wird in dem Bericht auf 2,5 Millionen beziffert.

___STEADY_PAYWALL___

Migranten öfter von Altersarmut betroffen

Damit einhergehend seien die Lebensverhältnisse älterer Menschen sehr vielfältig, sagte die Vorsitzende der Altersberichtskommission, Martina Brandt, auf der Pressekonferenz mit Paus. Dies zeige sich etwa daran, dass jüngst einerseits die durchschnittlichen Alterseinkommen gestiegen seien. Andererseits sei aber auch die Altersarmut gestiegen und liege nun über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung – „das ist neu“. In der Gruppe der Menschen über 65 ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind dem Altersbericht zufolge vier von zehn Frauen von Einkommensarmut betroffen.

Die Gründe dafür sind vielfältig: „Ältere Menschen mit Migrationsgeschichte weisen im Vergleich zu älteren Menschen ohne Migrationsgeschichte im Durchschnitt ein niedrigeres formales Bildungsniveau auf. Diese Bildungsungleichheit ist unter anderem eine Folge des migrationspolitischen Ansatzes, über viele Jahre hinweg Menschen gezielt für niedrig qualifizierte Arbeitsplätze anzuwerben. Zudem wurden im Herkunftsland erworbene Bildungsabschlüsse oftmals nicht anerkannt“, heißt es in dem Bericht.

Kommission prognostiziert: Altersarmut von Migranten wird zunehmen

Erhebliche Ungleichheiten zeigen sich dem Report zufolge insbesondere zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beziehungsweise mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft. „Die höchsten durchschnittlichen Alterseinkommen haben verheiratete westdeutsche Männer ohne Migrationsgeschichte und mit deutscher Staatsangehörigkeit; die niedrigsten durchschnittlichen Alterseinkommen beziehen alleinstehende Frauen mit Migrationsgeschichte und ohne deutsche Staatsangehörigkeit“, heißt es in dem Bericht. Für die Zukunft erwartet die Kommission, dass das Risiko unzureichender Alterseinkommen für bestimmte Bevölkerungsgruppen weiter zunehmen wird. Hiervon betroffen seien unter anderem Menschen mit Migrationsgeschichte.

„Wenn wir nichts tun, wird die Ungleichheit weiter steigen“, warnte Brandt, die als Soziologin an der TU Dortmund forscht. Alle Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Lebenssituation alter Menschen zielten, müssten an die verschiedenen Gruppen und ihre Bedürfnisse angepasst werden. Brandt forderte unter anderem, die Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter zu erleichtern. „Dringend nötig“ sei auch eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und der Pflege von Angehörigen.

Diskriminierung und Rassismus

Eine weitere Baustelle gibt es dem Bericht zufolge auch bei der Gesundheitsversorgung. Als gesundheitlich besonders vulnerabel gelten neben anderen Gruppen auch Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie „haben oftmals Nachteile in der medizinischen und pflegerischen Versorgung, etwa beim Zugang zu Haus- und Fachärzt*innen, zu Pflegeeinrichtungen oder bei der Qualität der Versorgung“, heißt es in dem Report weiter.

Hinzu kommen den Studienautoren zufolge negative Erfahrungen aufgrund von Diskriminierung und Rassismus. Dies hätten besonders negative Auswirkungen auf die seelische und körperliche Gesundheit. Zusätzlich belastet würden ältere Migranten bei der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung. Viele ältere Migranten mit chronischen Erkrankungen hätten Schwierigkeiten, Fachärzte zu finden. Auch medizinische Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung seien für sie schwer zugänglich.

Am Geld sollte es nicht scheitern

In dem Altersbericht formulieren Brandt und die anderen zehn Kommissionsmitglieder insgesamt 31 Empfehlungen. Dazu gehören etwa ein Ausbau der Schuldnerberatung speziell für ältere Menschen und besondere Kulturangebote für benachteiligte Senioren. Nötig seien auch mehr bezahlbare und zugleich barrierefreie Wohnungen sowie leicht nutzbare Angebote für Gesundheitsförderung und Prävention.

Am Geld sollte all das aus Sicht der Kommission nicht scheitern: Die Empfehlungen würden „nicht vorauseilend die Knappheit der finanziellen Ressourcen zur Begrenzung nehmen“, heißt es in dem 300 Seiten langen Bericht. Vielmehr solle deutlich gemacht werden, „was für die Teilhabe Älterer notwendig ist – um letztlich Potenziale auszuschöpfen und möglicherweise langfristig sogar Mittel einsparen zu können“. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)