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Menschen nach dem Tod von Jean-Marie Le Pen. Plakat: Le sale Raciste est mort (dt. übers.: Der dreckige Rassist ist tot.) © Amaury Cornu, Hans Lucas/AFP

Jean-Marie Le Pen

Zentrale Figur des europäischen Rechtsextremismus ist tot

Ein Leben zwischen Hass und Hetze: Jean-Marie Le Pen prägte nicht nur die französische Politik, sondern war auch zentrale Figur des europäischen Rechtsextremismus. Jetzt ist er tot. Was bleibt von ihm?

Donnerstag, 09.01.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.01.2025, 9:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Er polarisierte, hetzte und provozierte – bis seine Ausfälle sogar für seine eigene Tochter zum Problem wurden. Jean-Marie Le Pen war über Jahrzehnte hinweg eine der prägendsten und umstrittensten Stimmen der französischen Rechten. Nun ist der ehemalige Parteiführer der rechtsextremen Front National im Alter von 96 Jahren gestorben.

Jean-Marie Le Pen galt als der „Teufel der Republik“, ein Mann, der nicht nur die politische Landschaft Frankreichs, sondern auch den Diskurs über Migration und ethnische Minderheiten nachhaltig veränderte. Mit einer Mischung aus Rhetorik, Provokation und kalkulierten Tabubrüchen machte er die Front National (FN), die später in Rassemblement National (RN) umbenannt wurde, von einer kleinen Splittergruppe zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft. Seine Karriere war jedoch auch geprägt von mehrfachen Verurteilungen, darunter wegen der Anstachelung zum Rassenhass und der Verharmlosung von Nazi-Verbrechen.

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Ein Leben voller Widersprüche

Le Pen wurde 1928 als Sohn eines bretonischen Fischers und einer Näherin geboren. Nach einem Studium der Rechts- und Politikwissenschaften trat er in die Fremdenlegion ein und nahm an den Kolonialkriegen in Indochina und Algerien teil. Seine Zeit beim Militär wurde von Vorwürfen überschattet, er habe Gefangene gefoltert – eine Anschuldigung, die er stets bestritt, obwohl eine Verleumdungsklage gegen die Zeitung „Le Monde“ im Jahr 2003 scheiterte.

Bereits in jungen Jahren zog es ihn in die Politik, wo er von Anfang an am rechten Rand stand. 1956 wurde er erstmals in die französische Nationalversammlung gewählt. 1972 gründete er die Front National mit und leitete sie fast 40 Jahre lang. Unter seiner Führung setzte die Partei auf Populismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus – eine Strategie, die später von rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa aufgegriffen wurde.

Hetze gegen Minderheiten, Verharmlosung des Holocaust

Le Pens politische Karriere war durchzogen von Skandalen und Hetze. Er hetzte gegen Einwanderer, veröffentlichte Wahlplakate mit Slogans wie „Eine Million Arbeitslose heißt eine Million Einwanderer zu viel“ und bekannte sich 1996 offen zur „Ungleichheit der Rassen“. Seine Verharmlosung der Gaskammern der Nazis als „Detail“ der Geschichte des Zweiten Weltkriegs gehört zu seinen berüchtigsten Aussagen und brachte ihm mehrfach juristische Konsequenzen ein.

Trotz dieser Skandale konnte Le Pen bei der französischen Präsidentschaftswahl 2002 einen seiner größten Erfolge feiern: Er zog in die Stichwahl gegen den amtierenden Präsidenten Jacques Chirac ein – ein Moment, der als „Schock des 21. April“ in die französische Geschichte einging. Le Pen profitierte dabei von der Zerstrittenheit der linken Parteien, scheiterte jedoch im zweiten Wahlgang deutlich an Chirac.

Bruch mit der eigenen Tochter

Nach seinem politischen Höhepunkt begann Le Pens Einfluss allmählich zu schwinden. 2011 übergab er den Vorsitz der FN an seine Tochter Marine Le Pen, die eine „gemäßigtere“ Strategie verfolgte, um neue Wählergruppen zu erreichen. Ihre Bemühungen, das rechtsextreme Image der Partei zu mildern, kollidierten jedoch mit den ständigen Ausfällen ihres Vaters. 2015 wurde Jean-Marie Le Pen nach erneuten antisemitischen Äußerungen aus der Partei ausgeschlossen. Der Bruch mit seiner Tochter ging so weit, dass ihm sogar der Titel des Ehrenvorsitzenden aberkannt wurde.

Ein Vermächtnis mit dunklen Schatten

Jean-Marie Le Pen hinterlässt ein zwiespältiges Vermächtnis. Einerseits war er ein Meister der politischen Provokation, der die etablierten Parteien Frankreichs herausforderte. Andererseits war er eine zentrale Figur des europäischen Rechtsextremismus, dessen Ideologie Minderheiten stigmatisierte und gesellschaftliche Gräben vertiefte. Seine Methoden und seine Rhetorik haben die politische Landschaft weit über Frankreich hinaus geprägt und sind ein Mahnmal dafür, wie Populismus und Hetze Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen können.

Le Pens Tod ist ein Anlass, die Gefahren rechtsextremer Ideologien und deren Normalisierung im politischen Diskurs kritisch zu beleuchten. Während Marine Le Pen und das Rassemblement National heute versuchen, sich von seinem radikalen Erbe zu distanzieren, bleibt die Frage, wie viel davon in der Politik der Partei noch fortlebt. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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