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Muslimischer Friedhof (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Thüringen

Kompromiss-Bestattung statt muslimische Riten

Ein halb offener Sargdeckel statt Leichentuch, Bestattung nach drei statt einem Tag – für Muslime in Thüringen ist es nahezu unmöglich, tote Angehörige nach muslimischen Traditionen zu bestatten. Grabfelder, die als „muslimisch“ gelabelt werden, lassen muslimische Riten oft nicht vollständig zu.

Mittwoch, 15.01.2025, 11:04 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.01.2025, 11:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Muslime haben auch in Thüringen inzwischen in mehreren Kommunen die Möglichkeit, tote Angehörige möglichst nah an muslimischen Traditionen zu bestatten – allerdings lässt die Rechtslage die Befolgung der Riten oft nicht vollständig zu. Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass eine Bestattung oft erst über individuelle Gespräche ermöglicht wird – eine für Betroffene als sehr belastend empfundene Situation in Stunden der Trauer. Den religiösen Bedürfnissen der betroffenen Familien wird oft nur ein Stück weit nachgekommen, sagte Thüringens Migrationsbeauftragte, Mirjam Kruppa, der Deutschen Presse-Agentur.

Sterbefälle seien Ausnahmesituationen für alle Betroffenen. „Deshalb ist es wichtig, dass auch im Falle muslimischer Familien sowohl Angehörige als auch Bestattungsunternehmen, Kliniken und Friedhofsverwaltungen wissen, was es gibt und was möglich ist.“

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Nach Kruppas Angaben gibt es inzwischen in acht Kommunen des Freistaats muslimische Grabfelder – in Eisenach, Erfurt, Gera, Jena, Mühlhausen, Nordhausen, Sonneberg und Weimar. Dabei handele es sich um ausgewiesene Friedhofsabschnitte, die den besonderen Anforderungen einer muslimischen Bestattung, wie beispielsweise der Ausrichtung der Gräber nach Mekka, so weit wie möglich entgegenkämen. „Es ist ein gutes Zeichen, dass immer mehr Kommunen in Thüringen auch auf den Friedhöfen der zunehmenden Vielfalt der Thüringer Bevölkerung gerecht werden“, sagte Kruppa. Die Grabfelder seien in der Regel in Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden vor Ort entstanden.

Deutsches Recht mit muslimischen Riten teilweise nicht vereinbar

Dennoch bleiben zahlreiche Probleme. Die deutsche Rechtslage ist mit muslimischen Bestattungsriten in vielen Details nicht vereinbar. So muss der Leichnam der muslimischen Tradition zufolge eigentlich innerhalb eines Tages nach seinem Tod bestattet werden. Das Thüringer Bestattungsgesetz dagegen schreibt vor, dass mindestens 48 Stunden zwischen Eintritt des Todes und der Beisetzung vergehen müssen, wie es in einer Broschüre der Landesbeauftragten zu diesem Themenkomplex heißt.

„Eine schnellstmögliche Bestattung kann angestrebt und eine entsprechende Ausnahme beim Gesundheitsamt beantragt werden.“ Die Frist von einem Tag könne dennoch in der Praxis nur „selten eingehalten werden“, heißt es weiter.

Kompromiss: nicht ganz geschlossener Sargedeckel

Zudem sollen Muslime nach muslimischer Tradition nach Angaben in der Broschüre sarglos bestattet werden. Das lasse das Thüringer Gesetz zwar grundsätzlich zu, allerdings stünden dieser Möglichkeit viele Friedhofssatzungen entgegen. „Wenn eine sarglose Bestattung nicht möglich ist, kann als Kompromiss der Sargdeckel nicht ganz geschlossen werden“, heißt es in dem Text.

Viele Muslime in Deutschland lassen den Leichnam ihrer Familienangehörigen deshalb ins Ausland überführen, damit sie dort nach den Regeln des Islam bestattet werden können. Die Erfahrung, dass für sie eine Bestattung nach ihrem Glauben nicht möglich ist, führt bei Betroffenen oft zu einer Entfremdung von Deutschland. Kritiker werfen der Politik vor, die Bestattungsregeln oft aus ideologischen Gründen nicht anzupassen. In der Praxis sei es irrelevant, dass ein Toter in ein Leichentuch gewickelt vor Verstreichen der 48-Stunden-Frist bestattet werde. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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