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Zerstörung im Gaza-Streifen nach israelischen Angriffen © Omar Al-Qattaa/AFP

Haufen der Zerstörung

Gaza-Bewohner zwischen Verbitterung und Hoffnung

Die Waffen schweigen in Gaza, doch das ist noch nicht der Frieden, auf den die Menschen hoffen. Mancher glaubt, dass der Preis des Krieges zu hoch war. Trumps Politik stimmt nicht hoffnungsvoll für die Zukunft.

Von und Mittwoch, 22.01.2025, 15:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.01.2025, 15:16 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die martialischen Szenen mit uniformierten Hamas-Anhängern bei der Freilassung der ersten drei israelischen Geiseln lassen Abdullah Abdel Aal kalt. Der 45-Jährige hat im Gaza-Krieg 40 Angehörige verloren. Er empfindet die Behauptungen der Hamas, eines Sieges über Israel errungen zu haben, zynisch. „Ich bin obdachlos, ohne Leben oder Zukunft“, sagt der sechsfache Vater der Deutschen Presse-Agentur. „Ich weiß nicht, wofür wir diesen Preis zahlen müssen.“

Der Hamas gibt er ebenso die Schuld an seiner Lage wie Israel. „Sie haben meine Heimat in einen Trümmerhaufen verwandelt, voll Schmerz und Leid, das niemals aufhören wird – selbst wenn der Krieg endet“, sagt er.

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Ein Haufen der Zerstörung

Auslöser des Krieges war das Hamas-Massaker, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israel reagierte mit Angriffen auf die Hamas, bei denen nach palästinensischen Angaben mehr als 46.700 Menschen getötet wurden. Die unabhängig nicht prüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Derzeit lebt Aal mit seiner Familie in einem Zelt in einem Flüchtlingslager in Chan Junis. Vor dem Krieg hat er als Händler gearbeitet. Jetzt ist er von Hilfslieferungen abhängig.

Viele Menschen im südlichen Gazastreifen brachen gleich nach Inkrafttreten der Waffenruhe auf, um etwa in Rafah in Augenschein zu nehmen, was von ihren Häusern und ihrer Stadt übrig geblieben ist. Aal, der weiß, dass sein Haus zerstört wurde, hat keine Pläne aufzubrechen.

Hoffnung auf Rückkehr in den Norden

„Warum sollte ich zurückgehen?“, fragt er verbittert. „Alles ist zerstört. Überall ist der Geruch des Todes. Was sollte ich anderes finden außer Unterdrückung und Schmerz?“

Halima Abu Nasr dagegen ist voller Ungeduld und voller Hoffnung. Die 50 Jahre alte Frau kann es kaum erwarten, wieder in Beit Hanun im Norden des Gazastreifens zu sein. Sie will einfach wieder zu Hause sein, ganz egal, wie es dort aussieht. Notfalls wolle sie ihr Zelt zwischen den Trümmern aufbauen, sagt sie. „Israel wollte uns vertreiben, und die Hamas hat uns nicht beschützt“, fügt sie hinzu. Doch es sei immer noch ihr Zuhause. Ans Auswandern denkt die Mutter von sieben Kindern auch trotz all der Zerstörung um sie herum nicht.

Sehnsucht nach dauerhaftem Frieden

„Es ist eine sehr schwierige Lage“, räumt sie ein. „Wir wissen nicht, was aus uns wird und ob die Vereinbarung (über die Feuerpause) hält oder nicht.“ Und doch hofft sie, dass das Leid, dass sie und die Menschen in Gaza in den vergangenen Monaten erfahren haben, endet. „Ich hoffe, dass wir einen dauerhaften und echten Frieden erreichen“, wünscht sie sich.

Auch Samir Ghattas aus Gaza City ist vor allem froh, dass die Waffen nun schweigen – hoffentlich nicht nur für die Dauer der Feuerpause. Er träumt schon jetzt von einem schnellstmöglichen Wiederaufbau und von Stabilität. Trotz aller Zerstörungen, trotz aller Erschöpfung will er die Hoffnung auf Normalität nicht aufgeben – auch wenn es vorerst eine Normalität in einer Trümmerlandschaft ist.

Trump über Gaza: „phänomenale Lage am Meer“

Der neue US-Präsident Donald Trump entgegnete im Weißen Haus auf die Frage einer Journalistin, ob die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas anhalten werde, er sei nicht zuversichtlich. „Es ist nicht unser Krieg, es ist deren Krieg“, sagte Trump. Die „andere Seite“ sei „sehr geschwächt“. Er habe sich ein Bild aus Gaza angesehen – es sehe aus wie auf einem großen Abbruchgelände, die meisten Menschen dort seien tot. Es müsse auf „eine andere Art und Weise“ wieder aufgebaut werden.

Trump pries den verwüsteten Gazastreifen für eine „phänomenale Lage am Meer“ und „bestes Wetter“. Man könne damit „einige schöne“ und „fantastische“ Dinge machen. In Israel gibt es viele Rechtsextreme, die den Gazastreifen am liebsten wiederbesiedeln würden.

Sanktionen gegen radikale Siedler aufgehoben

Sorgen bereiten den Menschen auch, dass Trump Sanktionen seines Landes gegen radikale israelische Siedler im Westjordanland aufgehoben hat. Die Regierung seines Vorgängers Joe Biden hatte diese verfügt, um gegen gewalttätige Siedler im besetzten Westjordanland vorzugehen. Dort war es seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 vermehrt auch zu Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser gekommen. Der Armee wird immer wieder vorgeworfen, sie unternehme nicht genug gegen solche Angriffe.

Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich begrüßte Trumps Entscheidung. Auch der zurückgetretene Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sprach von einer „historischen Entscheidung“ Trumps.

Rückkehr mit Eselskarren

Nach Rafah sind in den ersten beiden Tagen der Feuerpause schon zahlreiche Einwohner zurückgekehrt. Manche brachten mit Eselskarren gleich ihre Habe mit, die sie vor Monaten bei ihrer Flucht mitgenommen hatten. Andere machten sich zu Fuß aus den Lagern der Binnenflüchtlinge auf den Weg. Die meisten von ihnen fanden statt ihres Zuhauses nur Zerstörung vor.

Nach Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha sind 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen Binnenflüchtlinge. Nach anderen UN-Angaben wurden während des Kriegs rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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