Aschaffenburg
Tödlicher Messerangriff lässt Asyl-Debatte im Wahlkampf aufflammen
Unter die Trauer nach der Messerattacke in Aschaffenburg mischen sich einen Monat vor der Bundestagswahl verschärfte politische Forderungen in der Asylpolitik. Bayern sieht den Bund, dieser wiederum den Freistaat in der Verantwortung.
Donnerstag, 23.01.2025, 17:43 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.01.2025, 17:43 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Messerattacke in Aschaffenburg mit zwei Toten hat die bundesweite politische Debatte zum Thema Asyl befeuert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte am Donnerstag eine verschärfte Migrationspolitik. Die Leitlinien müssten „Null Toleranz“ und „Null Kompromiss“ sein. Zugleich wies die Staatsregierung Kritik der Bundesregierung an den bayerischen Behörden zurück. Am Mittwoch waren bei einer Messerattacke ein Kita-Kind und ein Mann mit einem Küchenmesser getötet worden. Tatverdächtig ist ein offenbar psychisch kranker 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane.
Söder sagte, er sei tief betroffen von den Morden. Eine Attacke auf kleine Kinder sei mit das „schäbigste und ekligste Verbrechen“, das man sich vorstellen könne. „Wir müssen mehr Entschlossenheit zeigen“, sagte er mit Blick auf die Anschläge von Mannheim, Solingen und Magdeburg im vergangenen Jahr: „Es reicht, es reicht, es reicht.“ Söder forderte einen Monat vor der Bundestagswahl unter anderem eine konsequentere Abschiebung von ausreisepflichtigen und straffälligen Asylbewerbern. Wer ausreisepflichtig ist, müsse in Arrest kommen. Außerdem müsse die illegale Migration massiv begrenzt werden, unter anderem durch Zurückweisungen an der Grenze.
Behördenversagen
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies Kritik der Bundesregierung an den bayerischen Behörden zurück. Die Verantwortung für den Afghanen habe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gelegen, also bei einer Bundesbehörde. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwoch ein Behördenversagen angedeutet, als er sagte: „Die Behörden müssen mit Hochdruck aufklären, warum der Attentäter überhaupt noch in Deutschland war.“ Im Dezember 2024 hatte der Afghane nach einem erfolglosen Asyl-Antrag gegenüber dem Bundesamt erklärt, selbstständig ausreisen zu wollen. Sein Asylverfahren wurde daraufhin eingestellt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte wiederum die Ankündigung aus Bayern, ein konsequenteres Vorgehen gegen psychisch kranke Gewalttäter zu prüfen. „Dieser Fall zeigt leider erneut, dass es bitter nötig ist“, sagte sie am Donnerstag in Berlin. Zuständig seien die Landesbehörden und die Justiz. „Die weitere Aufklärung muss jetzt schnell zeigen, warum dieser Täter noch in Deutschland war und wie mit ihm trotz seiner vorherigen Gewalttaten durch die Polizei und Justiz vor Ort umgegangen wurde“ und weshalb er „noch auf freiem Fuß“ gewesen sei. „Offenbar sind in Bayern da auch einige Dinge schiefgelaufen“, sagte sie.
Hohe Wellen im Netz
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), sieht ebenfalls Defizite bei den Behörden. „Nach Solingen und Magdeburg scheint dies nun in kurzer Zeit ein weiteres katastrophales Behördenversagen“, erklärte Alabali-Radovan am Donnerstag. Es stelle sich die Frage, warum die vorhandenen Mechanismen nicht gegriffen hätten. „Im Dickicht zwischen Bund, Land, Aufnahmeeinrichtungen, Ausländerbehörden“, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Justiz seien „die Zuständigkeiten offensichtlich nicht klar genug“. Verantwortlichkeiten würden nicht ernst genug genommen.
Auch im Netz schlägt der Messerangriff hohe Wellen. Grob betrachtet, lassen sich zwei Lager ausmachen. Während die eine Seite versucht, die afghanische Herkunft des mutmaßlichen Täters für rassistische Hetze nutzen, verweist die andere Seite auf die ausländischen Wurzeln der Opfer. Experten zeigen sich besorgt. Die Tat und die Diskussionen würden die Bevölkerung weiter polarisieren.
Aschaffenburgs Oberbürgermeister warnt vor Hetze
Unterdessen stehen bei den Menschen in Aschaffenburg die Bewältigung der Trauer im Mittelpunkt – und das Zusammenrücken der Stadtgesellschaft. Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) warnte vor Hass und Hetze: „Wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer ganzen Bevölkerungsgruppe anrechnen.“ Die furchtbare Tat eines Einzeltäters dürfe „keine Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen“.
Der tatverdächtige 28-Jährige sollte noch am Donnerstag dem Ermittlungsrichter vorgeführt worden sein. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem „Evangelischen Pressedienst“ auf Anfrage sagte, rechneten die Ermittler damit, dass ein Haft- oder ein Unterbringungsbefehl erlassen wird. Der Afghane soll am Mittwochmittag in dem Park unvermittelt eine Kita-Gruppe mit einem Küchenmesser angegriffen haben. Dabei wurden ein zweijähriger marokkanischer Junge und ein zu Hilfe eilender 41-jähriger deutscher Mann tödlich verletzt. Zudem wurden ein zweijähriges syrisches Mädchen, eine 59-jährige deutsche Erzieherin sowie ein 72-jähriger Passant teils schwer verletzt. (epd/mig) Leitartikel Politik
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