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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Merzenschein lässt rechts gedeih’n

Ich will die nächsten Jahre psychisch gesund überstehen. Deshalb habe ich alle Trump-Nachrichten in meinen News-Feeds ausgefiltert. Schließlich haben wir auch noch Nazis zu Hause.

Von Montag, 27.01.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.01.2025, 12:30 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Gerade eine Woche ist es her, dass Agent Orange erneut vereidigt wurde, und schon läuft die Maschine, die gleichzeitig jeden seiner Fürze zum Orkan aufbläst und die echten Skandale (wie einen offenen, wiederholten Hitlergruß) entschuldigt und verharmlost, wieder auf vollen Touren.

Trump sells – aber halt nur, wenn er nicht so glasklar als der Faschist zu erkennen ist, der er eben ist oder wenn die Verharmlosung selbst der Ragebait ist. Statt auf all den Säuen herumzureiten, die in der letzten Woche durch das weltweite Dorf getrieben wurden, möchte ich an dieser Stelle daher lieber das machen, was der Amerikaner „PSA“, also ein public service announcement, nennen würde:

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Wer die nächsten mindestens vier Jahre auch nur halbwegs psychisch gesund überstehen will, sollte spätestens jetzt all die Social-Media-Apps, insbesondere jene, die in der Hand amerikanischer oder chinesischer Oligarchen sind, löschen, Nachrichtenquellen so auswählen oder konfigurieren, dass Trump-Nachrichten möglichst sauber und konsequent aus dem eigenen Newsfeed getilgt werden, und vor allem: nicht über jedes noch so jämmerliche Stöckchen, das uns der Orangene hinhält, zu springen. Es mag den Nachteil haben, dass man als letzter erfahren würde, wenn die USA der EU den Krieg erklären, um Kanada und Grönland zu annektieren, aber ich habe meine Nachrichtenquellen bereits kompromisslos daraufhin angepasst: Ein Newsreader, der konsequent alle Nachrichten anhand bestimmter Wörter wie „Trump“ einfach komplett unterdrückt, hilft. Inwieweit sich das wird durchhalten lassen, muss sich natürlich noch beweisen.

„Wer die USA immer noch für einen verlässlichen Partner in auch nur irgendeiner Hinsicht versteht, der hat die Zeichen der Zeit jedenfalls nicht erkannt.“

Das amerikanische Jahrhundert ist jedenfalls mit der Wahl Trumps vorbei. Wer sich heute noch mit einer fatalistischen Attitüde auf sämtliche Nachrichten aus den USA stürzt, als wäre es 1960 und die USA immer noch für einen verlässlichen Partner in auch nur irgendeiner Hinsicht versteht, der hat die Zeichen der Zeit jedenfalls nicht erkannt. Wer Seifenopern echter Politik in den Nachrichten vorzieht, kann vielleicht Kanzlerkandidat der Union werden – aber aus einer Psychiatrie würde man so einen nicht entlassen.

Zeitungen und Sender werden auch nur dann aufhören, jeden Tag Nicht-Meldungen über Trump zu bringen, wenn er nicht mehr clickt. Da dies aber kaum passieren wird („Dumm clickt gut“), bleibt nur jedem einzelnen von uns mediale Notwehr übrig, um das eigene Wohlbefinden gegen den alltäglichen Scheißesturm aus dem Weißen Haus zu verteidigen. Das wird nicht einfach, aber es ist gesünder, als sich jeden Tag aufs Neue über Nazis am anderen Ende der Welt aufzuregen. Und schließlich haben wir auch noch Nazis zu Hause.

Denn seit Friedrich Merz eine Kooperation mit denen nicht ausgeschlossen hat, sind die Aussichten hierzulande trüb genug. Dabei machte Merz zuletzt nicht nur Vorschläge, die mit der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland nicht zu vereinbaren sind, sondern auch den erwartbaren Jubel bei der AfD auslösten – umso mehr, als er verkündete, diese gegen die demokratische Mitte mit ebenjener AfD und dem BSW umsetzen zu wollen. Auch wenn er mittlerweile festgestellt hat, dass ja in Kürze Wahlen sind und er vielleicht jetzt doch noch nicht allzu offen mit der AfD kooperieren sollte, wenn er eine CDU/CSU/AfD-Mehrheit nach der Wahl nicht gefährden will – es macht seine Behauptungen nicht glaubhafter, keine zu wollen.

„Seit Merz angetreten ist, die AfD zu kopieren, hat er sie im Bund erwartungsgemäß halbiert: von damals rund 10 % auf heute rund 20 %.“

In Fritzls Logik – so behauptete er zuletzt ganz faktenfrei – verhindert diese Offenheit gegenüber den verfassungsfeindlichen Ideen der AfD übrigens eine „Spaltung der Gesellschaft“ und die offene Kooperation mit den Rechtsextremen sei überdies das beste Mittel gegen jene Rechtsextremen. Wobei er da dann ja doch recht hat: Seit Merz angetreten ist, die AfD zu kopieren, hat er sie im Bund erwartungsgemäß halbiert: von damals rund 10 % auf heute rund 20 %.

Erneut kam ihm bei seinen Ausführungen, wie für die Union üblich, natürlich das Wort „rechtsextrem“ nicht über die Lippen, ohne gleich auch noch auf die bösen Linksextremen zu zeigen – denn am Ende sind es ja doch immer noch die Linken, die Ausländer und Kasseler CDU-Politiker abknallen und marginalisierte Minderheiten schikanieren. Was dagegen haben die Faschisten euch je getan? Meinung

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