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Zwangsjacke (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Nach Aschaffenburg

Minister beraten über Zwangsbehandlung und Datenschutz-Aus

Nach der Messerattacke in Aschaffenburg sprechen sich Politiker für eine Lockerung von Datenschutz für Ausländer aus – Ärzte sollen Krankenakte an Polizei weitergeben. In Bayern wird über Behandlungen gegen den Willen debattiert – auch bei Minderjährigen.

Dienstag, 28.01.2025, 12:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.01.2025, 9:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg haben die Innenminister der Länder am Montag mehr rechtliche Möglichkeiten für eine vernetzte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden gefordert. Psychisch auffällige Personen mit einem Risikopotenzial müssten frühzeitig erkannt und die Informationen über sie ausgetauscht werden können, sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nach einer digitalen Sonderkonferenz der Ministerinnen und Minister. An der Sitzung unter dem Vorsitz von Mäurer nahm auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teil.

Faeser nannte den strikteren Umgang mit psychisch kranken Gewalttätern einen wichtigen Beschluss. „Dafür müssen Polizei-, Gesundheits-, Ausländer- und Waffenbehörden mehr Daten austauschen können“, sagte sie. Sie warb dafür, vorliegende Gesetze schnell im Bundestag zu beraten und zu beschließen. „Und es ist richtig, dass die Länder ihre Gesetze zur Einweisung und Unterbringung von gefährlichen, psychisch erkrankten Personen überprüfen“, ergänzte sie.

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Mäurer führte aus, es müsse geprüft werden, wie die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten insbesondere nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz der Länder angepasst oder erweitert werden können. Nicht der Datenschutz dürfe Priorität haben, sondern der Schutz der Bevölkerung, unterstrich der Senator. Eine bessere Kommunikation unter den Sicherheitsbehörden sei nötig, sagte Mäurer.

CSU will Umgang mit psychisch Kranken reformieren

Im bayerischen Landtag wurde bereits über konkrete Maßnahmen beraten. Nach Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich auch die CDU-Fraktion dafür aus, die Behandlung psychisch kranker Menschen auch gegen deren Willen zu ermöglichen. „Es muss in Zukunft möglich sein, dass Personen, bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine Fremdgefährdung vorliegen, schneller und unter leichteren Voraussetzungen zu einer fachärztlichen Untersuchung vorgeladen oder notfalls auch gegen ihren Willen einer solchen Untersuchung zugeführt werden können“, sagte der Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek der Deutschen Presse-Agentur in München. Das müsse vor allem für Menschen gelten, die schon Straftaten begangen hätten.

Zwangsweise Einweisung in die Psychiatrie und mehr Datenaustausch zwischen Behörden bei Ausländern finde ich...

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Die SPD im bayerischen Landtag widersprach und warf der CSU Stimmungsmache vor. „In Bayern haben wir nicht zu wenig Zwangsbehandlung, sondern zu wenig psychiatrische Versorgung und lange Wartezeiten auf eine Therapie. Das ist das Problem“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Ruth Waldmann und kritisierte „die marktschreierische Ankündigung von härteren Gesetzen“ als „Ablenkungsmanöver“.

Austausch von Krankendaten

Wie Mäurer forderten Holetschek und der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Bernhard Seidenath, außerdem, den Datenaustausch mit Sicherheitsbehörden zu erleichtern: „Bei Personen mit erheblichem Fremdgefährdungspotential, die sich in psychiatrische Behandlung begeben und bei denen eine psychische Störung diagnostiziert wird, muss es möglich sein, dass Polizei und Sicherheitsbehörden informiert werden.“ Menschen im Alter unter 18 Jahren, die sich in akuter psychiatrischer Not befänden, sollten im Zweifel auch ohne Zustimmung der Eltern in eine Klinik kommen können.

Nach dem tödlichen Angriff eines wohl psychisch kranken Mannes auf eine Kindergartengruppe in Aschaffenburg hatte Söder angekündigt, das Gesetz „härten“ zu wollen, in dem der Freistaat unter anderem die Unterbringung psychisch Kranker regelt. Experten warnen, Menschen mit Gesetzen und gegen ihren Willen in Therapiezwang zu setzen. Solche Regelungen würden lediglich zur Folge haben, dass Menschen aus Angst vor einer für sie nachteiligen Diagnose den Gang zum Arzt unterlassen.

Hohe gesetzliche Hürden für Zwang – Lehren aus der NS-Zeit

Für die zwangsweise Unterbringung in einer Psychiatrie gelten – auch wegen der Erfahrungen in der Nazi-Diktatur – hohe gesetzliche Hürden. Gefährdet der oder die Betroffene durch sein Verhalten sich selbst oder andere Menschen, darf sie nur angeordnet werden, wenn die Gefahr nicht durch weniger einschneidende Mittel abgewendet werden kann. Ein milderes Mittel wäre etwa Hilfe durch einen Krisendienst oder einen gesetzlichen Betreuer. Der mutmaßliche Angreifer von Aschaffenburg hatte eine solche Betreuerin im Dezember 2024 gerichtlich verordnet bekommen – aber nie Kontakt zu ihr aufgenommen. (dpa/epd/mig) Leitartikel Politik

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