Rheinland-Pfalz
Islamischer Religionsunterricht schon zum neuen Schuljahr?
Die Gespräche stehen an. Und die Zuversicht für eine Einigung ist da. Dann soll es für 50.000 muslimische Schüler in Rheinland-Pfalz islamischen Religionsunterricht geben – benotet und versetzungsrelevant. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Von Bernd Glebe Dienstag, 04.02.2025, 13:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.02.2025, 13:41 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Das Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz hält die Einführung des islamischen Religionsunterrichts im kommenden Schuljahr für möglich. Voraussetzung sei, dass die Kernelemente des laufenden Modellprojekts für den Unterricht beibehalten werden, sagte Philipp Wilhelm, der im Bildungsministerium bei Grundsatzfragen für die Fächer Religion, Ethik und Philosophie verantwortlich ist.
Die Gespräche für einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht mit den beteiligten Verbänden sollen zeitnah aufgenommen werden. Sollte es vor allem über die Inhalte der Lehrpläne keine schnelle Einigung geben, könnte der Start auch im übernächsten Schuljahr sei.
„Ich bin zuversichtlich, dass wir gute und konstruktive Gespräche führen und gemeinsam mit unseren Vertragspartnerinnen vorankommen werden“, erklärte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). „Denn Rheinland-Pfalz hat seine Hausaufgaben gemacht.“ Mit der modellhaften Erprobung des Islamunterrichts sei eine gute inhaltliche Basis für die weiteren Gespräche geschaffen worden.
Ausbildung der Lehrkräfte als zentrales Thema
Zentrales Thema wird nach Angaben der Bildungsministerin neben den Lehrplaninhalten die Lehrkräfteausbildung sein. Das Ziel des Landes sei dabei ganz klar: Es gehe um einen qualitativ hochwertigen Unterricht, der sich im Rahmen von Verfassung, Schulgesetz und dazugehörigen Verordnungen bewegt. Dieser werde von Lehrkräften erteilt, die in Verantwortung des Landes Rheinland-Pfalz gut ausgebildet worden sind.
Die Landesregierung hatte sich nach langen Verhandlungen im Dezember mit den vier islamischen Religionsgemeinschaften vertraglich auf Vereinbarungen zu Themen wie dem Religionsunterricht sowie den Umgang mit Feiertagen und Bestattungen geeinigt. Die beteiligten Verbände sind die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB RLP), die Schura Rheinland-Pfalz Landesverband der Muslime, der Landesverband islamischer Kulturzentren Rheinland-Pfalz (LVIKZ) und Ahmadiyya Muslim Jamaat.
In Rheinland-Pfalz leben insgesamt rund 200.000 Musliminnen und Muslime, etwa jeder Vierte im schulpflichtigen Alter. Sie bilden neben den beiden christlichen Kirchen die drittgrößte religiöse Gemeinschaft.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
In welche Sprache wird der islamische Religionsunterricht gehalten?
Die Unterrichtssprache ist Deutsch. „Wie in anderen Fächern können einzelne Quellen im Unterricht auch mal in Originalsprache betrachtet werden. Es besteht Einigkeit darüber, dass der Unterricht selbstverständlich auf Deutsch stattfindet“, erklärt Philipp Wilhelm, der im Bildungsministerium bei Grundsatzfragen für die Fächer Religion, Ethik und Philosophie verantwortlich ist.
Wann geht es los?
Ein Start zum nächsten Schuljahr 2025/26 ist möglich. Voraussetzung ist aber, dass sich die Vertragspartner auf einen Lehrplan und Unterrichtsmaterial einigen. Dazu laufen laut Bildungsministerium zeitnah Gespräche. Klappt es nicht mit einer schnellen Einigung, wird das übernächste Schuljahr angepeilt.
Fangen die Gespräche inhaltlich bei null an?
Nein. Als Modellprojekt wird ein islamischer Religionsunterricht bereits an 31 Schulen mit 2.638 Schülerinnen und Schüler im Land angeboten. Zum Start des Unterrichts als ordentliches Fach könnten auf die Inhalte, Erfahrungen und Lehrkräfte zurückgegriffen werden.
Ab welcher Klassenstufe wird der Unterricht angeboten?
Beim Modellversuch wird der Unterricht von der ersten bis zu zehnten Klasse erteilt. Das soll zunächst auch bei dem landesweiten Unterricht der Fall sein. Von den insgesamt 2.638 Kindern, die derzeit an dem Modellprojekt teilnehmen, sind 2.000 im Grundschulbereich.
An welchen Schulen und in welchen Regionen soll der reguläre Unterricht beginnen?
An 24 Grundschulen in Ludwigshafen sowie in den Regionen um Worms und Mainz werden die Kinder bislang modellhaft unterrichtet. Für die Sekundarstufe I kommen sechs weitere Schulen in Ludwigshafen hinzu. An diesen Standorten würde auch der reguläre islamische Religionsunterricht beginnen.
Wie viele Lehrkräfte werden gebraucht?
Der Bedarf ist noch unklar. Eine detaillierte Ermittlung, wie viele Lehrerinnen und Lehrer für ein landesweites Angebot des Unterrichts benötigt werden, laufen. Die Zahl der Pädagogen, die bei dem Modellprojekt im Einsatz sind, ist mit 20 im Grundschulbereich und 6 in der Sekundarstufe I noch überschaubar.
Welche Qualifikation benötigen die Lehrkräfte?
Alle Lehrkräfte sind Beschäftigte im Staatsdienst. Die bislang im Modellprojekt eingesetzten Pädagoginnen und Pädagogen sind über Weiterbildungen für den Unterricht in islamischer Religion qualifiziert worden. Dieser Weg wird wahrscheinlich so lange der zentrale Baustein bleiben, bis die ersten Absolventen an der Universität Koblenz ihr Studium und den Vorbereitungsdienst abgeschlossen haben. Eine theologische Vorbildung ist keine Voraussetzung. Muslimische Lehrkräfte aller Fächer können mitmachen.
Wann wird es den islamischen Religionsunterricht landesweit geben?
Das kann noch dauern. Die Lehrerausbildung und Weiterbildung bleibt das Nadelöhr. Neben der Überführung der Modellstandorte in den regulären Unterricht soll in den Regionen mit einer potenziell großen Zahl an Schülerinnen und Schülern der Ausbau vorangetrieben werden.
„Aber es wird noch eine Weile dauern, bis der Bedarf in der Fläche gedeckt ist“, sagt Bildungsexperte Wilhelm. Auch in den Nachbarländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die den islamischen Religionsunterricht schon eingeführt haben, gebe es noch keine hundertprozentige Abdeckung.
Was ist die Mindestzahl von Schülern für den Unterricht?
Die Gruppe der Schülerinnen und Schüler soll in der Regel nicht weniger als acht betragen. Wie bei anderem Religionsunterricht besteht auch die Möglichkeit, jahrgangsstufenübergreifend zu unterrichten. Nicht mehr als zwei aufeinander folgende Klassenstufen sollten dabei zusammengefasst werden.
Müssen die Lehrkräfte muslimischen Glaubens sein?
Ja. Die Bevollmächtigung durch die Religionsgemeinschaften – die Idschaza – setzt diese Glaubenszugehörigkeit voraus.
Können auch Kinder katholischen oder evangelischen Glaubens an dem Islamunterricht teilnehmen?
Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass auch Schülerinnen und Schüler mit einem anderen Glaubensbekenntnis bei einer Zustimmung der unterrichtenden Lehrkraft an diesem Unterricht teilnehmen. Entsprechende Regelungen gelten auch für die Teilnahme am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht. Kinder mit syrische-orthodoxem Glauben nehmen bereits teilweise am katholischen Religionsunterricht teil.
Ist die Teilnahme an dem Unterricht für muslimische Kinder Pflicht?
Der Unterricht wird wie andere ordentliche Fächer auch benotet und ist damit für die Versetzung relevant. Wie bei anderen Religionsunterrichten können die Schülerinnen und Schüler vor dem 14. Lebensjahr von Ihren Eltern oder Sorgeberechtigten vom islamischen Religionsunterricht abgemeldet werden. Ab dem 14. Lebensjahr können sich die Jugendlichen selbst abmelden. Dann wird der Ethikunterricht besucht.
Was ist das Ziel des Unterrichts?
Der Unterricht im laufenden Modellprojekt ist kein religionskundlicher, sondern ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht, der sunnitisch geprägt ist. Er hat also die Innenperspektive des klassischen Religionsunterrichts. Das ist auch für das reguläre Fach vorgesehen. Ein Ziel des Unterrichts ist laut Bildungsministerium die Stärkung von Offenheit und Toleranz sowie zur Dialogfähigkeit auf Grundlage der eigenen Religiosität zu befähigen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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