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Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) beim TV-Duell © Michael Kappeler/AFP

Faktencheck

Was Merz und Scholz im TV-Duell zur Migration sagten

Der Bundeskanzler und sein CDU-Herausforderer schenken sich im TV-Duell nichts. Vor allem beim Thema Migration werfen sie mit Zahlen nur so um sich. Was stimmt, was eher nicht? Ein Faktencheck:

Montag, 10.02.2025, 11:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.02.2025, 11:40 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) einen harten Schlagabtausch über den Umgang mit der AfD und die Migrationspolitik geliefert. Bei ihrem ersten von zwei geplanten TV-Duellen zeigten sich beide auch bei anderen Themen wie der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik unversöhnlich. Nach einer Zuschauerbefragung der Forschungsgruppe Wahlen war es ein „Duell ohne klaren Sieger“.

Scholz warf Merz in ARD und ZDF erneut einen „Wortbruch“ und einen „Tabubruch“ vor, weil die Union im Bundestag ihren Fünf-Punkte-Plan zur Migration mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hat. Er traue dem CDU-Vorsitzenden zu, nach der Wahl eine Koalition mit der AfD einzugehen. „Das ist meine ernste Sorge.“

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Merz: „Es wird diese Zusammenarbeit nicht geben“

Merz wies das zurück: „Es wird diese Zusammenarbeit nicht geben“, sagte er. „Wir werden das nicht tun, uns (Union und AfD) trennen in den Sachfragen Welten.“

Die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD hatte Ende Januar zu einem Eklat im Bundestag geführt. Einen Gesetzentwurf brachte Merz zwei Tage später wegen Abweichlern in seiner eigenen Fraktion und in der FDP aber nicht durch den Bundestag.

Scholz : Werde „harten Kurs“ bei Migration fortsetzen

Beim Thema Migration versprach Scholz für die Zeit nach der Wahl, einen „harten Kurs“ fortzusetzen. Deutschland dürfe Gewalttaten wie die von Aschaffenburg nicht akzeptieren. „Wir können uns niemals abfinden mit solchen Taten und deshalb muss klar und entschieden gehandelt werden.“

Die Pläne der Union zur Zurückweisung von Migranten an der Grenze wies Scholz erneut als rechtswidrig zurück und warnte vor einer „europäischen Krise“. Er drängte Merz zudem dazu, dem von der Regierung vorgelegten Gesetz zur Umsetzung der europäischen Asylreform zuzustimmen. „Warum soll man so doof sein?“, dies nicht zu tun, sagte er.

Merz: „Was Sie hier erzählen, ist ein Märchenschloss“

Merz warf Scholz vor, „weit über zwei Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland“ gelassen zu haben. Das entspreche mehr als den Einwohnern der Stadt Hamburg, so der CDU-Vorsitzende. „Sie kriegen es in Ihrer Koalition nicht so hin, wie es notwendig wäre“, hielt er Scholz vor. Der Kanzler nehme die Realität in Bund und Ländern beim Thema Migration nicht mehr wahr. „Sie leben nicht in dieser Welt“, sagte Merz. „Was Sie hier erzählen, ist ein Märchenschloss.“

Märchenschloss? Das Faktencheck zum Duell

Behauptungen von Friedrich Merz

Behauptung Merz: „Wir haben in den drei Jahren Ihrer Amtszeit in Deutschland weit über zwei Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland [kommen] gesehen.“

Fakten: Was Merz hier unter „irregulärer Migration“ versteht, ist nicht auf Anhieb ersichtlich. Unerlaubte Einreisen wurden von der Bundespolizei zwischen Dezember 2021 und Januar 2025 weit weniger als zwei Millionen registriert, nämlich nur gut 313.000. Es gab auch nicht so viele Asylgesuche: Während dieser Zeit wurden in Deutschland gut 805.000 Erstanträge gestellt. Zu Erstanträgen gehören unter anderem auch Anträge von in Deutschaland geborenen Kindern von Asylsuchenden Eltern.

Behauptung Merz: „Wir haben immer noch in vier Tagen so viele Zuwanderer, wie in einem Monat abgeschoben werden. Das sind nach wie vor zu viele. Wir hatten im letzten Jahr 240.000.“

Fakten: Die Zahl von 240.000 entspricht in etwa den Angaben des Bamf. Demnach gab es im vergangenen Jahr knapp 230.000 Erstanträge auf Asyl. Das wären im Schnitt 629 pro Tag. Demgegenüber gab es in den elf Monaten von Januar bis November 18.384 Abschiebungen, also im Schnitt 1.671 pro Monat.

Behauptungen von Olaf Scholz

Behauptung Scholz: Seine Regierung habe dafür gesorgt, dass 40.000 Zurückweisungen durchgeführt worden seien.

Fakten: Das entspricht tatsächlich den Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI). „Es hat an den deutschen Grenzen 43.500 Zurückweisungen gegeben“, sagte ein Sprecher etwa bei der Regierungspressekonferenz vom 27. Januar. „Solche Zurückweisungen finden in großem Umfang statt, seitdem es Binnengrenzkontrollen an den deutschen Grenzen gibt – seit Oktober 2023 zunächst an vier Grenzen, seit Herbst 2024 an allen deutschen Grenzen.“

Behauptung Scholz: Im letzten Jahr ist die Zahl derjenigen, die irregulär [nach Deutschland] gekommen sind, um 100.000 – über ein Drittel – gesunken.

Fakten: Auch das bestätigte Ende Januar der BMI-Sprecher. „Wir hatten 2024 im Vergleich zu 2023 111.000 Asylgesuche weniger. Das ist ein Rückgang der irregulären Migration um 34 Prozent.“ Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gab es 2024 insgesamt knapp 251.000 Asylanträge, im Jahr zuvor waren es fast 352.000.

Behauptung Scholz: Im Januar 2025 gab es den niedrigsten Wert an Asylgesuchen seit 2016.

Fakten: Hier liegt Scholz nicht richtig. Im Januar 2025 wurden nach Bamf-Angaben 16.594 Asylanträge gestellt. In seiner eigenen Regierungszeit gab es schon Monate mit weniger Anträgen, etwa im Dezember 2024 (13.716) oder im April 2022 (13.056). Doch auch während der schwarz-roten Vorgängerregierung unter Angela Merkel (CDU) lagen die Zahlen in einzelnen Monaten darunter – nicht nur in der Corona-Zeit, sondern auch davor wie etwa im Juni 2019 (9.691) oder im Januar 2018 (15.077).

Behauptung Scholz: „Wir haben die Abschiebungen um 70 Prozent gesteigert, seitdem ich Kanzler bin.“

Fakten: Im Corona-Jahr 2020 gab es 10.800 Abschiebungen aus Deutschland. Im Jahr 2021 waren es 11.982 Abschiebungen. Seitdem ist die Gesamtzahl der Abschiebungen jährlich angestiegen. Für den Zeitraum von Januar bis November 2024 lag die Zahl nach BMI-Angaben bei 18.384. Das ist im Vergleich zu 2020 tatsächlich ein Anstieg um knapp 70 Prozent. Scholz hatte das Amt des Bundeskanzlers aber erst am 8. Dezember 2021 übernommen. Seit 2021 beträgt die Steigerung rund 53 Prozent.

Zuschauerbefragung ergibt Patt-Situation

Auch in der Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie bei der Schuldenbremse und Steuern gerieten Scholz und Merz aneinander. Bei der Zuschauerbefragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.374 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten gaben 37 Prozent an, Scholz habe sich besser geschlagen, 34 Prozent attestierten dies Merz. Für 29 Prozent lagen die beiden Kontrahenten auf einem Niveau.

Für 42 Prozent war Scholz glaubwürdiger, für 31 Prozent Merz, 27 Prozent der Befragten sahen keine großen Unterschiede. Den sympathischeren Auftritt bescheinigten 46 Prozent Scholz und 27 Prozent Merz. Bei der Frage nach dem Sachverstand lagen Scholz und Merz mit jeweils 36 Prozent gleichauf, 27 Prozent sahen keinen Unterschied.

Merz mit großem Vorsprung in den Umfragen

Das 90-minütige Duell bei den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern zur besten Sendezeit wurde von den Talkshow-Profis Maybrit Illner und Sandra Maischberger moderiert. Das Fernsehduell markiert den Start in die heiße Schlussphase des Wahlkampfs, in die Merz und die CDU/CSU mit großem Vorsprung in den Umfragen gehen.

Die Union kommt derzeit auf 29 bis 34 Prozent, Scholz und die SPD liegen dagegen weit abgeschlagen mit 15 bis 18 Prozent nur auf Platz drei hinter der AfD. Die von der SPD erhoffte Trendwende blieb bislang aus. Scholz hat nun nur noch 14 Tage, den Rückstand von 11 bis 17 Prozentpunkten in den Umfragen aufzuholen. Auch bei den persönlichen Beliebtheitswerten liegt er weit hinten. (dpa/mig) Aktuell Politik

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