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Protest der Mapuche in Chile aus Oktober 2024 © Javier Torres/AFP

Deutsche Siedler in Chile

Landkonflikt und eine verschwundene Indigene

Deutsche im Ausland gelten gemeinhin als Bereicherung für das Zielland. Nicht in Chile. Dort herrscht ein gewaltsamer Konflikt um Land zwischen Nachfahren deutscher Siedler und dem vertriebenen Mapuche-Volk. Nun ist eine 70-Jährige verschwunden. Sie lebte auf dem Land eines Deutschen.

Von Mittwoch, 12.02.2025, 15:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.02.2025, 15:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Verschwinden von Julia Chuñil hält Chile in Atem. Die Mapuche-Ureinwohnerin lebte in einem einfachen Holzhaus in der südlichen Provinz Valdivia. Am 8. November lief sie nach den Schilderungen ihrer Kinder auf einen nahegelegenen Berg, um entlaufene Kühe einzufangen, und kam nie mehr zurück.

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Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem Verbrechen und Präsident Gabriel Boric versprach im Dezember, der Staat werde alles in seiner Macht Stehende tun, um Chuñil zu finden. Die 70-Jährige sei eine Umweltschützerin, die den Wald in ihrer Region vor Forstunternehmen bewahrt habe.

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Im Verdacht: ein deutscher Siedler

Chuñil gehört einer Mapuche-Gemeinschaft an, die im Konflikt mit Siedlern im Süden Chiles die Rechte über das von ihr besiedelte Land einfordert. Die Anwältin und Menschenrechtlerin Mariela Santana von der Vereinigung für die Rechte des Volkes (Codepu) sieht im Verschwinden der Mapuche-Frau deshalb eine Entführung: „Chuñil gehört zu einer Risikogruppe, die in Chile besonderen Gefahren ausgesetzt ist.“ Santana ist gerade aus Genf zurückgekehrt, wo sie den Fall vor den UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen gebracht hat.

Wie viele Menschenrechtsverteidiger nennt Santana den Nachfahren deutscher Siedler, Juan Carlos Morstadt, als möglichen Verdächtigen. Dieser besaß das Grundstück, auf dem Chuñil lebte und das sie seit über zehn Jahren besetzt hielt. Die Kinder Chuñils behaupteten in den Medien, ihre Mutter habe ihnen gesagt, sollte ihr etwas zustoßen, sei ja klar, wer dafür verantwortlich sei. Inzwischen möchte die Familie nicht mehr öffentlich darüber sprechen.

Der Konflikt um Land wird im Süden Chiles häufig mit Gewalt ausgetragen. Während militante Mapuche Ländereien besetzen und versuchen, Forstunternehmen und europäische Siedler mit Gewalt zu vertreiben, heuern letztere private Sicherheitsunternehmen an. Rechtsextreme Gruppierungen aus Siedlerkreisen drohen regelmäßig mit Gewalt.

„Das Grundproblem ist die Landfrage“

Der Forstunternehmer Morstadt sieht sich derweil als Opfer der Situation. „Mein Mandant und seine Familie wurden mehrfach bedroht“, sagte seine Anwältin Carole Montroy dem „Evangelischen Pressedienst“. Morstadt habe selbstverständlich nichts zu tun mit dem Verschwinden Chuñils. Er habe lediglich auf rechtlichem Wege versucht, sein Land zurückzuerhalten – die Verfahren dazu stünden noch aus.

Die Anwältin kündigt an, rechtlich gegen jene vorzugehen, die Morstadt ohne abgeschlossenes Verfahren für das Verschwinden verantwortlich machen. Morstadt selbst lässt derweil dem „Evangelischen Pressedienst“ eine Audioaufnahme zukommen, die die Familie Chuñil für das Verschwinden verantwortlich macht.

In Máfil, dem nächsten Dorf, demonstrieren derweil Angehörige und einige Unterstützer für ein rascheres Handeln der Behörden. „Das Grundproblem ist die Landfrage“, sagt Jaime Raipan, ein Freund Chuñils und Vertreter der örtlichen Mapuche bei einem Regierungsprogramm für Kleinbauern. „Der Staat muss endlich für eine Rückgabe der Mapuche-Ländereien sorgen.“

Staat gesteht: Mapuche von ihrem Land vertrieben

Der chilenische Staat hat 2008 erstmals eingeräumt, seit Ende des 19. Jahrhunderts zusammen mit europäischen Siedlern die Mapuche von ihrem Land vertrieben zu haben – teilweise mit brutaler Gewalt. Die staatliche Behörde Conadi ist seitdem beauftragt, Land aufzukaufen und an indigene Gemeinschaften zurückzugeben. Laut Recherchen chilenischer Medien werden die vorhandenen Gelder jedoch nicht genutzt oder zu hohe Preise für Grundstücke bezahlt.

Auch in den Rechtsstreitigkeiten um Chuñils Land gibt es Unstimmigkeiten bezüglich des Handelns der Conadi. Doch die Behörde mauert und reagiert nicht auf Fragen.

Die sozialdemokratische Parlamentarierin Ana María Bravo plädiert für Geduld. „Die Staatsanwaltschaft ermittelt, und wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen.“ Sie verspricht jedoch, auf parlamentarischer Ebene für Aufklärung zu sorgen und die Conadi besser zu kontrollieren. Nur dies könne auf lange Sicht das Misstrauen im Süden Chiles abbauen. (epd/mig) Aktuell Ausland

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