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Bundessozialgericht
Kürzung von Grundleistungen für Asylbewerber verfassungswidrig?
Geflüchtete erhalten Grundleistungen ohnehin um ein Fünftel gekürzt. Leben sie in einer Gemeinschaftsunterkunft, bekommen sie noch weniger. Dem Bundessozialgericht zufolge könnte diese Praxis verfassungswidrig sein. Karlsruhe soll prüfen.
Sonntag, 16.02.2025, 11:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.02.2025, 11:09 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Für das Kürzen der Grundleistungen für alleinstehende Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften fehlt es an einer verfassungsgemäßen Begründung. Die Annahme des Gesetzgebers, dass alleinstehende Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften mit anderen Bewohnern gemeinsam aus einem Topf wirtschaften und sparen, sei nicht ausreichend belegt, entschied das Bundessozialgericht in einem am Donnerstag bekanntgegebenen Beschluss. (AZ: B 8 AY 1/22 R) Die Kasseler Richter setzten deshalb ein entsprechendes Verfahren aus und legten den Streit dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
Geklagt hatte ein alleinstehender Asylbewerber aus Guinea, der vom 11. April 2019 bis zum 31. August 2020 in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht war. An Sozialleistungen erhielt er die sogenannten Grundleistungen, die Flüchtlinge damals bei einer Aufenthaltsdauer von bis zu 18 Monaten (jetzt 36 Monate) bekamen. Die Leistungen liegen rund 22 Prozent unter der Sozialhilfe oder dem Bürgergeld.
Kürzung durch abgesenkte Leistungen für „Ehepaare“
Für alleinstehende Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften sieht das Gesetz abgesenkte Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 2 vor, die auch Ehepaare erhalten. Durch das Zusammenleben mit anderen Bewohnern in der Unterkunft könnten sie gemeinsam wirtschaften und Einspareffekte erzielen, lautet die Annahme des Gesetzgebers.
Das stelle keine verfassungsgemäße Begründung dar, um die niedrigeren Grundleistungen für alleinstehende Asylbewerber zu rechtfertigen, entschied das Bundessozialgericht. Der Gesetzgeber habe die angeblichen Einsparungen durch das Zusammenleben nur behauptet, ohne sie zu belegen. Menschenrechtsorganisationen hatten die Kürzungen massiv kritisiert.
Landessozialgericht: Grundleistung verfassungswidrig
Das Bundessozialgericht verwies auf eine frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (AZ: 1 BvL 3/21). Dieses hatte am 19. Oktober 2022 eine vergleichbare Bestimmung für alleinstehende Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften für verfassungswidrig erklärt, die keine Grundleistungen, sondern die mit der Sozialhilfe vergleichbaren Analogleistungen erhalten hatten. Die Verfassungsrichter hatten damals die abgesenkten Asylbewerberleistungen für Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften wegen einer unzureichenden Begründung ebenfalls für verfassungswidrig erklärt.
Anders als das Bundessozialgericht hatte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle in einem Beschluss vom 13. Juli 2021 nicht nur die Begründung, sondern auch die Höhe der Grundleistungen für verfassungswidrig angesehen und ebenfalls das Bundesverfassungsgericht angerufen. Eine Entscheidung hierzu steht noch aus. (epd/mig) Aktuell Recht
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