
Rassismus-Vorwurf
Landkreis soll Afrikanern Aufenthaltstitel verweigert haben
Der Landkreis Leer in Niedersachsen soll Westafrikanern durch vorgeschobene Gründe Aufenthaltstitel verweigert haben. Betroffene würden in Tests nach Fachwissen abgefragt, damit sie durchfallen und abgeschoben werden können. Der Flüchtlingsrat erhebt schwere Vorwürfe. Der Landkreis weist sie zurück.
Montag, 17.02.2025, 14:18 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.02.2025, 17:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Vorwürfe, die der Flüchtlingsrat Niedersachsen erhebt, wiegen schwer: Der Landkreis Leer weigere sich, insbesondere westafrikanischen Geflüchteten Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, obwohl die Betroffenen alle Voraussetzungen dafür erfüllt hätten. Der vorgeschobene Grund für die Abschiebungen sei, so der Flüchtlingsrat, dass die Geflüchteten angeblich die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht verstanden hätten.
Der Flüchtlingsrat spricht von einer „willkürlichen und schikanösen Praxis“. Alle Betroffenen seien in der Vergangenheit im Besitz des Chancen-Aufenthaltsrechts gewesen, dessen Erteilung ebenfalls ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraussetze. Zweifel an den Bekenntnissen seien dem Landkreis erst Monate später gekommen, „nämlich nachdem die betroffenen Personen endlich alle Voraussetzungen für den Erhalt eines dauerhaften Bleiberechts durch intensive Bemühungen erfüllt hatten“.
Landkreis weist Vorwürfe zurück
Der Landkreis weist den Rassismus-Vorwurf zurück. „Der Ausländerbehörde wird hier böswillig Rassismus unterstellt und das lassen wir auf keinen Fall so stehen“, sagte Landrat Matthias Groote (SPD) auf Anfrage. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich nicht in dieser Art und Weise beschimpfen und diskreditieren lassen.“
Vom Landkreis heißt es, man habe unter Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und Erlasse gehandelt. Dass Entscheidungen von Ausländerbehörden manchmal trotzdem als falsch empfunden würden, sei in Ordnung und auch nicht außergewöhnlich. „Was aber nicht geht, ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund strittiger Beschlüsse unter den Generalverdacht des Rassismus gestellt werden.“
Flüchtlingsrat widerspricht
Wer das Chancen-Aufenthaltsrecht für 18 Monate erhalten wolle, müsse unter anderem ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung nachweisen – so auch für das dauerhafte Bleiberecht. Im Rahmen des Chancen-Aufenthalts würden in Niedersachsen keine übermäßigen Anforderungen gestellt. Für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht sei eine inhaltliche Auseinandersetzung erforderlich.
Dieser Darstellung widerspricht der Flüchtlingsrat. Obwohl die Betroffenen alle Voraussetzungen – Arbeit, Verfassungsbekenntnis, Sprachkenntnisse, erfolgreiche Integrationstests – erfüllten, lehne der Landkreis die Erteilung des rechtmäßigen Aufenthaltstitels ab und leite in Einzelfällen auch Abschiebungen ein. So entstehe der Verdacht, der Landkreis wolle Geflüchtete abschieben, anstatt ein dauerhaftes Bleiberecht zu ermöglichen.
Was sind die fünf Wahlgrundsätze?
Der Landkreis habe in sämtlichen, dem Flüchtlingsrat vorliegenden, elf Verfahren „geprüft“, ob diese das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung „tatsächlich“ verstanden haben. Wer bei diesen Tests die Fragen korrekt beantworte, dem würden „immer anspruchsvollere Fragen, etwa nach den fünf Wahlgrundsätzen“ gestellt, beklagt der Flüchtlingsrat.
„Es scheint, als habe es sich der Landkreis zum Ziel gesetzt, den Übergang von Menschen aus Afrika in ein dauerhaftes Bleiberecht zu verhindern, um sie abschieben zu können. Dabei schreckt der Landkreis auch nicht davor zurück, haltlose Gründe zu erfinden“, erklärt Ali Kone, Vorsitzender des Vereins Afrikanische Diaspora Ostfriesland e.V. „Für uns drängt sich der Eindruck auf, dass Rassismus, insbesondere gegen schwarze Menschen, die Praxis des Landkreises maßgeblich beeinflusst“, erklärt Kone weiter.
Rechtswidrige Befragung von Ausländern?
Absurd ist laut Flüchtlingsrat die Argumentation des Landkreises schon deshalb, dass alle Betroffenen in der Vergangenheit im Besitz des Chancen-Aufenthaltsrechts waren, dessen Erteilung ebenfalls ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraussetzt. „Zweifel an den Bekenntnissen kamen dem Landkreis allerdings erst viele Monate später – nämlich nachdem die betroffenen Personen (endlich) alle Voraussetzungen für den Erhalt eines dauerhaften Bleiberechts durch intensive Bemühungen erfüllt hatten“, so die Kritik des Flüchtlingsrats.
Dieses Vorgehen widerspreche zudem den Anwendungshinweisen des Niedersächsischen Innenministeriums zum Aufenthaltsgesetz. Danach dürften Ausländerbehörden zwar eine „persönliche Befragung durchführen, um bestehende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses auszuschließen oder bestätigen zu können.“ Allerdings dürften diese Befragungen nur dann durchgeführt werden, wenn die Antragsteller „in der Vergangenheit in Gesprächen mehrfach durch verfassungsfeindliche Äußerungen aufgefallen“ sind.
Das Innenministerium wollte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. (dpa/mig) Leitartikel Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Untätigkeit nach Ankündigung Syrische Flüchtlinge warten ungeduldig auf Reise-Regelung
- Bundessozialgericht Kürzung von Grundleistungen für Asylbewerber…
- Hafsa und Amel Die Todesopfer von München hießen „Liebe“ und „Hoffnung“
- Wahlkampf Hessen will Asylbewerbern Leistungen komplett streichen
- Entfremdet Wie der deutsche Kultur- und Sozialbereich…
- Rassismus-Vorwurf Landkreis soll Afrikanern Aufenthaltstitel verweigert haben