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Untätigkeit nach Ankündigung
Syrische Flüchtlinge warten ungeduldig auf Reise-Regelung
Nach dem Sturz Assads kündigte die Bundesregierung an, Syrern Erkundungsreisen in die Heimat zu ermöglichen – um eine mögliche freiwillige Rückkehr zu fördern. Viele Syrer warten seitdem. Nun wird Kritik laut.
Dienstag, 18.02.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 19.02.2025, 9:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Viele syrische Flüchtlinge warten nach einer entsprechenden Ankündigung der Bundesregierung mit Ungeduld auf eine Möglichkeit für Erkundungsreisen in die alte Heimat, ohne ihren Schutzstatus in Deutschland zu riskieren. „Da müssen jetzt ziemlich schnell pragmatische Lösungen her, wenn wir Ausreisen nach Syrien unterstützen wollen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, der Deutschen Presse-Agentur. „Ich werde häufig von syrischen Geflüchteten angesprochen, die wissen wollen, wann es eine Regelung zu solchen Reisen endlich geben soll“, fügte sie hinzu.
Der Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine habe sich in dieser Angelegenheit bereits an mehrere Ressorts der Bundesregierung gewandt, teilte ein Sprecher mit.
Bundesinnenministerium feilt noch an genauen Vorgaben
Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, man arbeite noch an einer Lösung, „um für Syrerinnen und Syrer kurzzeitige Heimreisen zwecks Prüfung der Lage zur Vorbereitung einer dauerhaften freiwilligen Rückkehr ohne Verlust des Schutzstatus zu ermöglichen“. Ein Sprecher des Innenministeriums teilte auf Nachfrage außerdem mit: „Als Teil der Syrien-Taskforce der Bundesregierung arbeitet das Bundesinnenministerium intensiv daran, den Kontakt zur syrischen Übergangsregierung herzustellen und auch über Rückkehrfragen zu beraten.“
Wenn Schutzberechtigte in ihre Herkunftsländer reisen, gilt die gesetzliche Vermutung, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Reise „sittlich zwingend geboten ist“ – etwa bei schweren Krankheiten oder Todesfällen von Familienangehörigen. Ansonsten droht der Verlust des Schutzstatus. Außerdem muss die Reise der Ausländerbehörde vorab angezeigt werden.
Assad im Dezember gestürzt
Am 8. Dezember war Syriens Machthaber Baschar al-Assad von einer Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt worden, die das arabische Land nun mit einer Übergangsregierung führt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatten rund einen Monat nach dem Ende der Assad-Ära gesagt, sie hielten es für sinnvoll, syrischen Flüchtlingen eine Erkundungsreise in ihr Herkunftsland zu gestatten ohne Auswirkungen auf ihren Schutzstatus. Nach Auffassung des Innenministeriums ist dafür keine Gesetzesänderung notwendig.
Kaddor für Sondererlaubnis für ein Jahr
Kaddor sagte: „Mein Vorschlag wäre es, dass man entweder die Zahl der erlaubten Reisen festlegt oder einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise ein Jahr, in dem man beliebig häufig nach Syrien reisen kann, um sich ein Bild von den Lebensbedingungen vor Ort zu machen.“
Bei einem Aufenthalt in Syrien in diesem Monat habe sie ehemalige Flüchtlinge getroffen, die aus dem Libanon oder der Türkei zurückgekehrt seien. Viele von ihnen hätten die Rückkehr bereut – etwa weil es an ihrem alten Wohnort weder Strom gab noch Schulunterricht für die Kinder.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger kritisierte, die Bundesregierung habe die „Sondierungsreisen“ schon vor Wochen in Aussicht gestellt, passiert sei seither nichts. Wieder einmal werde ein sinnvolles Vorhaben verschleppt.
UN-Flüchtlingshilfswerk: Einige Tausend aus Europa zurückgekehrt
Seit dem Sturz von Assad sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) mehr als 300.000 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt. Die meisten von ihnen hatten zuletzt in Jordanien, Libanon oder der Türkei gelebt. Aus europäischen Ländern gebe es einige Tausend Rückkehrer, sagt ein UNHCR-Sprecher in Berlin. Die Idee von Sondierungsreisen sei zu begrüßen, denn „viele Menschen wollen sehen, ob das Haus noch steht, ob die Nachbarschaft zerstört ist und welche Chancen es gibt, wieder ein Leben aufzubauen“.
Laut Ausländerzentralregister lebten am 31. Dezember 2024 in Deutschland 975.061 syrische Staatsangehörige. Darunter waren 10.231 Ausreisepflichtige. 9.156 von ihnen waren geduldet, also Menschen, die nicht abgeschoben werden können. Syrien ist aktuell das Hauptherkunftsland von Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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