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Raubkunst-Skandal?
Bayerische Staatsgemäldesammlungen massiv in der Kritik
Ist es ein Beleg für einen Raubkunst-Skandal oder doch nur ein internes Arbeitsdokument? Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen stehen für ihren Umgang mit NS-Raubkunst in der Kritik. Sie sollen Erben nicht informiert und ihre Ahnungslosigkeit „schamlos ausgenutzt“ haben.
Von Daniel Staffen-Quandt Donnerstag, 20.02.2025, 15:38 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 20.02.2025, 15:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Tricksen staatliche bayerische Museen beim Thema NS-Raubkunst, um von den Nazis gestohlene Kunstwerke nicht zurückgeben zu müssen? Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge wurden die Nachfahren von enteigneten jüdischen Kunstbesitzern nicht über solche Kunstwerke informiert. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen – zu denen die weltbekannten Pinakotheken in München gehören – weisen die Vorwürfe zurück. Der Zeitungsbericht sei „fehlerhaft und entspricht nicht der Wahrheit“, sagte eine Sprecherin der Museen. Der Zentralrat der Juden fordert schnelle Aufklärung, die Anwälte der Nachfahren werfen dem Freistaat Lüge vor.
Laut „Süddeutscher Zeitung“ soll den Staatsgemäldesammlungen die Herkunft – in der Fachsprache: Provenienz – etlicher von den Nazis geraubter Kunstwerke seit Langem bekannt sein. Die Zeitung stützt sich dabei auf einen 900-seitigen Auszug aus einer internen Datenbank von 2020, der ihr vorliegt. Der Auszug enthalte Berichte zu rund 200 möglichen NS-Raubkunstwerken. Diese wurden nach der „Provenienzampel“ als „rot“ klassifiziert. Laut SZ heißt das, dass es sich mit Sicherheit oder zumindest hoher Wahrscheinlichkeit um NS-Raubkunst handelt. Der Zeitung hatten die Staatsgemäldesammlungen mitgeteilt, dass die Erben stets informiert worden seien. Die Liste sei ein reines internes Arbeitsmittel, deren Stand sich oft ändere.
Staatsgemäldesammlungen weisen Vorwurf zurück
Dem „Evangelischen Pressedienst“ sagte eine Sprecherin der Staatsgemäldesammlungen, man weise die in der SZ veröffentlichte Darstellung „aufs Schärfste zurück“. Die Ampelfarbe „rot“ in der Datenbank werde auch für solche Werke genutzt, bei denen ein Raubkunstverdacht oder eine Rückgabeforderung vorliegt, also nicht nur für Werke, bei denen eine Raubkunst-Geschichte gesichert ist. Die Infos in der Datenbank änderten sich häufig, die Kategorisierung sei ein „work in progress“, mitunter gebe es auch sich widersprechende Angaben. Dies sei das Wesen wissenschaftlicher Forschung. Alle nachgewiesenen Raubkunstwerke würden in der Online-Sammlung des Museums veröffentlicht.
Laut SZ stammen acht der „rot“ markierten Werke aus der Sammlung des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim. Dessen Erben fordern die Werke seit Jahren zurück, die Staatsgemäldesammlungen hatten bislang betont, die Werke befänden sich rechtmäßig in ihrem Besitz. Unter diesen Kunstwerken sind sechs Beckmann-Gemälde, eines von Klee sowie eine Picasso-Büste. Die Anwälte der Flechtheim-Erben, Mel Urbach und Markus Stötzel, sagten am Donnerstag, Bayern habe gegen die Washingtoner Prinzipien von 1998 verstoßen, die den Umgang mit NS-Raubkunst regeln. Das NS-Unrecht werde dadurch „auch mehr als 80 Jahre später aufrechterhalten“. Bayern habe „die Ahnungslosigkeit“ vieler Erben „schamlos ausgenutzt“.
Zentralrat fordert umfassende Aufklärung
Flechtheim-Erbe Michael Hulton zeigte sich angesichts der Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ erschüttert: „Die Nazis haben meinen Großonkel Alfred Flechtheim entrechtet, enteignet und vertrieben, sie haben sein Leben zerstört.“ Der Freistaat Bayern habe „uns jahrelang belogen und versucht, das historische Unrecht zu vertuschen“, um die Werke behalten zu können, zitieren ihn seine Anwälte.
Ein Sprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland sagte auf Anfrage, man erwarte „eine umfassende und schnelle Aufklärung“ sowie eine Stellungnahme der Gemäldesammlung und der politisch Verantwortlichen in Bayern: „Wenn die Recherchen der ‚Süddeutschen Zeitung‘ über zurückgehaltene Informationen zu NS-Raubkunst in der staatlichen Gemäldesammlung des Freistaats Bayern zutreffen, dann wäre das ein Eklat.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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