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Politik missfällt Rede von Mutter
Hanau-Gedenken künftig ohne Opfer und Kritik?
Emis Gürbüz hat beim rassistischen Anschlag in Hanau seinen Sohn verloren. Bei der zentralen Gedenkfeier fand sie deutliche Worte in Richtung Stadt und Staat. Das gefällt der Stadtkoalition von SPD, CDU und FDP nicht. Sowas soll es nicht mehr geben.
Sonntag, 23.02.2025, 13:44 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 23.02.2025, 13:48 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Nach der Gedenkfeier am fünften Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau hat sich in der hessischen Stadt ein Streit um die Form des künftigen Erinnerns entzündet. Die Hanauer Stadtkoalition von SPD, CDU und FDP kündigte aufgrund der Rede einer Mutter eines Opfers an, dass es derartige Gedenkveranstaltungen in Hanau nicht mehr geben werde. Bei der Feier im Kongresszentrum am vergangenen Mittwoch hatten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) und vier Angehörige von Opfern vor zahlreichen Gästen gesprochen.
Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Hanauer acht junge Männer und eine junge Frau aus rassistischen Gründen erschossen, anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Emis Gürbüz hatte ihre Rede auf der Gedenkfeier mit den Worten begonnen: „Dieses Ereignis ist ein Schandfleck in der Geschichte Hanaus und auch Deutschlands. Deutschland und Hanau schulden mir ein Leben.“ Seit 40 Jahren geschähen rassistische Morde in Deutschland, ohne dass etwas wirksam dagegen unternommen worden sei. Die Stadt Hanau sei am Tod der neun Ermordeten schuldig. „Es hätte keine Fehler geben dürfen, ich akzeptiere keine Entschuldigung“, sagte Gürbüz.
„Bei allem Verständnis für die Trauer über den Verlust ihres Sohnes, was Frau Gürbüz von der Stadt Hanau, dem Land Hessen und der Bundesrepublik Deutschland an Respekt und Achtung einfordert, muss sie auch gegenüber Bund, Land, Stadt sowie den anderen Opferfamilien aufbringen“, sagte der Vorsitzende der Hanauer FDP-Fraktion, Henrik Statz, laut einer Mitteilung von Freitagabend. Die Rede sei eine Ohrfeige für alle Familien, die trotz ihrer Trauer wieder zurück ins Leben finden wollten, den Blick in die Zukunft richteten und sich engagierten, damit Hass und Hetze in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. „Frau Gürbüz hat mit ihren Aussagen am 19. Februar leider genau das Gegenteil betrieben. Sie hat die Gedenkveranstaltung missbraucht, um rückwärtsgewandt zu spalten und die schreckliche Tat zu instrumentalisieren“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Pascal Reddig.
Initiative kritisiert Stadt: Unangemessen und verletzend
Die antirassistische Initiative 19. Februar Hanau, die Angehörige der Opfer unterstützt, reagierte am Samstag auf die Mitteilung der Stadtkoalition: „Wir sind entsetzt und enttäuscht, dass die Worte einer Betroffenen zum Anlass genommen werden, über die Erinnerung an den rassistisch motivierten Anschlag von Hanau zu entscheiden“, hieß es auf Instagram. Jede Familie gehe unterschiedlich mit Verlust, Trauer und Schmerz um. „Mitten in diesem Schmerz, zwei Tage nach dem Jahrestag, ist es unangemessen und verletzend, auf diese Weise behandelt zu werden.“
Es scheine, als ob die Politik eine Angehörige für eine kritische Haltung bestrafen wollte. „Vielmehr sollte die Politik selbst scharfe Worte aushalten, wenn Fehler gemacht wurden und Aufklärung ausblieb“, erklärt die Initiative weiter. Stattdessen lenke diese Abwehr erneut von der politischen Verantwortung ab. (epd/mig) Aktuell
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