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Frau mit ukranischer Flagge (Symbolfoto) © 123rf.com

Mehr Sorgen als Hoffnung

Wie Ukrainer den dritten Jahrestag des Kriegs erleben

Zwischen nachlassendem Interesse am Ukraine-Krieg, anhaltend großer Hilfsbereitschaft und zunehmender Ausländerfeindlichkeit – wie Ukrainerinnen den dritten Jahrestag des russischen Angriffs auf ihr Heimatland erleben.

Von Sonntag, 23.02.2025, 11:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 23.02.2025, 12:46 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Für Ludmyla Kolos ist der 24. Februar ein trauriger Tag. „Als wir vor drei Jahren von dem Krieg erfahren haben, konnten wir das kaum glauben. Ich habe meine Mama angerufen und ich konnte nur ein Wort fragen: ‚Mama, Krieg?‘ Und sie sagte: ‚Krieg.‘ Wir haben beide angefangen, zu weinen“, berichtet die 38-Jährige.

Sie lebt seit 2008 in Deutschland und engagiert sich im Ukrainischen Verein Mainz, wie sie der Deutschen Presse-Agentur erzählt. Auch drei Jahre nach Kriegsbeginn sei die Hilfsbereitschaft in Mainz und Wiesbaden immer noch enorm. Die Kriegsflüchtlinge bekämen Unterstützung von vielen Freiwilligen.

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Erinnerungen an die Flüsse in der Heimat

Manches vermisst Kolos aber auch in Deutschland, wenn sie an die Ukraine denkt, etwa die Natur: „Wir haben viele kleine Flüsse, in denen man schwimmen kann. Hier in Deutschland kann man auch schön seine Zeit verbringen, aber das ist ein Stückchen Erinnerung an die Kindheit.“

Elena Kuts in der Nähe von Koblenz vermisst vor allem das ukrainische Essen und sagt gleichzeitig: „Meine Kinder lieben auch deutsche Gerichte. Ich koche auch mal Würstchen, Pfannkuchen oder Kartoffeln.“

Auf den Jahrestag angesprochen, zögert die 38-Jährige. Ein Jahr nach Kriegsbeginn habe sie sich noch viele Gedanken gemacht. Jetzt, nach drei Jahren wolle sie das nicht mehr. Zu oft sei die Hoffnung enttäuscht worden.

Gedanken über Rückkehr und Putin

Eine Rückkehr in die Ukraine sieht Kuts für ihre Familie ungewiss: „Ich frage mich nicht, ob ich zurück in die Ukraine möchte. Meine Kinder sind hier sozialisiert. Und zurzeit sind wir hier.“

Für Lesia Skoryk, die in Worms lebt, kommt eine Rückkehr unter einer Bedingung infrage: „Ich will nur in die Ukraine zurück, wenn Putin dort nicht regiert. Ich bin Ukrainerin und möchte Ukrainisch sprechen.“ Mit Blick auf den russischen Präsidenten sagt sie: „Mit Putin ist das unmöglich. Das wäre ein anderes Land.“

Die 45-Jährige kam 2022 mit ihrer Tochter nach Deutschland, hat Deutsch gelernt und hilft mittlerweile anderen Menschen, sich in Deutschland zu integrieren, als Integrationshelferin im baden-württembergischen Mannheim, wie sie erzählt.

Von der Ukraine in eine Schule in Nierstein

Für Skoryk ist die Unterstützung aus Deutschland ebenso groß wie zu Beginn des Krieges. Vielleicht gebe es weniger materielle Hilfe, die Meinung der Deutschen sei jedoch gleich unterstützend geblieben. „Aber wir wissen, dass es einige Parteien gibt, die denken, dass es zu viele ausländische Menschen in Deutschland gibt.“ Mit Blick auf die Gesamtsituation am dritten Jahrestag sagt sie: „Gerade habe ich mehr Sorgen als Hoffnung, aber wir haben keine Wahl als für unser Land zu kämpfen.“

Und junge Ukrainer in Rheinland-Pfalz? Im rheinhessischen Nierstein beispielsweise besucht Nikita seit 2022 die Carl-Zuckmayer Realschule plus und Fachoberschule. Er geht in die neunte Klasse, davor nahm er zunächst an einem Deutsch-Intensivkurs teil und verbrachte die restlichen Stunden im Unterricht seiner Klasse, wie das rheinland-pfälzische Bildungsministerium kürzlich mitteilte. Für Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ist Nikita ein gelungenes Beispiel für Integration.

„Viele Menschen wirken müde“

Einen anderen Blick auf die Dinge hat Sofia Samoylova. „Das Interesse hat abgenommen, andere Ereignisse haben die Ukraine etwas verdrängt“, sagt sie. Die 35-jährige Fotografin und Filmemacherin ist in Russland geboren und in der Ukraine aufgewachsen. Mit zehn Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Ludwigshafen.

„Viele Menschen wirken müde von diesem Thema“, meint sie. Anfangs sei die Hilfe sehr greifbar gewesen, etwa durch Spenden und konkrete Aktionen. „Heute sind die benötigten Hilfen komplexer und weniger direkt spürbar, was das Engagement verringert hat.“

Extreme Umstände hier, überhebliche Diskussionen dort

Nach Äußerungen von US-Präsident Donald Trump gebe es Furcht, die Ukraine werde fallengelassen. „Angst hilft aber niemandem“, betont Samoylova. „Diese Ängste können lähmen. Ich versuche, mich nicht davon beherrschen zu lassen.“

In Kiew habe sie jüngst einen von einer russischen Drohne verletzten Freund getroffen. „Das Ungleichgewicht zwischen den Menschen, die unter diesen extremen Umständen leiden, und den teils überheblichen Diskussionen tut weh. Ich versuche aber, meine Energien zu bündeln, indem ich Brücken baue mit meinen Möglichkeiten und das Thema nicht nur als Beobachterin konsumiere.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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