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Chinesenfasching
Bayerische Kleinstadt zwischen Kulturerbe und Rassismus-Vorwürfen
Der Chinesenfasching in Dietfurt hat eine lange Tradition – und wenig mit Chinesen zu tun. In den vergangenen Jahren gab es Rassismus-Vorwürfe wegen Yellow-Facing. Nun gibt es Änderungen.
Von Gabriele Ingenthron Mittwoch, 26.02.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.02.2025, 9:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Gelbe Wimpel mit Drachen, bunte Lampions, Folkloremusik, dazu Fußgruppen im Chinesengewand oder auf einer Rikscha fahrend: Am Unsinnigen Donnerstag, in diesem Jahr am 27. Februar, mutiert das kleine Städtchen Dietfurt an der Altmühl (Kreis Neumarkt in der Oberpfalz) zu einem „Reich der Mitte“ wie am Jangtsekiang. Der Narrenruf lautet „Kille Wau“. Bei diesem Spektakel, das jedes Jahr etwa 18.000 Besucherinnen und Besucher in die 6.000-Einwohner-Gemeinde zieht, gibt es viele kulturelle Stereotype.
Und doch kommen selbst chinesische Staatsbürger in Scharen, um das bunte Treiben in „Bayrisch-China“ zu erleben – viele aus Neugier. Eine Besucherin etwa zeigte sich vor einigen Jahren befremdet. „Ich glaube die Deutschen haben ein eigenes Verständnis von chinesischer Kultur“, sagt sie in die Kameras und ergänzt: „Diese chinesische Kultur sieht anders aus als in China.“
„Nicht mehr so knallgelb wie früher“
Der Chinesenfasching gehört zu den bekanntesten Faschingsveranstaltungen in Bayern. Am „Unsinnigen“ bewegt sich ein rund 1.500 Teilnehmer zählender Umzug mit Kaiserpaar in Richtung Stadtplatz, wo ein „Empfang vor dem Thron“ den Höhepunkt bildet. Derzeit regiert das Kaiserpaar „DaKaRe“ und „DiMucki“ in Bayrisch-China. Im bürgerlichen Leben heißen sie Karl und Regina Donauer.
Morgens in der Früh schlüpfen die beiden in ihr goldfarbenes Kaisergewand, das eine Schneiderin für sie maßgefertigt habe, erzählt Karl Donauer. Dazu gehört auch ein wertvoller Kopfschmuck. Das Schminken übernimmt das Kaiserpaar selbst: „Es fällt aber nicht mehr so knallgelb wie früher aus.“
Rassismusvorwurf: „Yellow-Facing“
Die Tradition des Chinesenfaschings wird von Generation zu Generation weitergegeben. Schon im November rattern allerorten die Nähmaschinen, wenn Vereine und Gruppen aus Dietfurt und den umliegenden Dörfern ihre Kostüme zu schneidern beginnen. Kinder- und Erwachsenengarde, auch Sportvereine leisten ihren Beitrag.
Seit knapp drei Jahren steht der Chinesenfasching jedoch unter Rassismusvorwürfen. Eine Asiatin aus Köln hatte bei TikTok ein Video vom Chinesenfasching hochgeladen und den Dietfurtern „Yellow facing“ vorgeworfen – also das Verkleiden von Europäern als Asiaten. Seitdem habe die Stadt unter „Dauerbeschuss“ gestanden, sagt Bürgermeister Bernd Mayr (Freie Wähler) und atmet tief durch: „Ich finde, dass es jetzt auch mal gut sein muss mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung. Wir sind doch keine Rassisten, sondern weltoffene Menschen.“
Stadt reagiert: Fotos gelöscht
Die Stadtverwaltung hat auf die Vorwürfe reagiert und einige Änderungen vorgenommen. So wurden ältere Bilder mit gelb geschminkten Gesichtern aus dem Internet entfernt. Auch beim Faschingsumzug mit Fußgruppen und Wagen sollen keine mehr zu sehen sein. Verhindern könne die Stadt allerdings nicht, dass sich vielleicht Besucherinnen und Besucher gelb anmalen, sagt der Bürgermeister. Die asiatisch anmutenden Kostüme würden jetzt aus „Originalstoffen aus China“ herstellt, um deren Kultur auch zu würdigen. „Alles soll so authentisch wie möglich sein.“
Der Chinesenfasching in seiner heutigen Form wird seit den 1950er Jahren in Dietfurt gefeiert. Er spielt auf den historischen Necknamen „Chinesen“ für die Dietfurter an und wird seit dem frühen 20. Jahrhundert als Faschingsmotto umgesetzt. Der Bischof von Eichstätt schickte einst seinen Kämmerer nach Dietfurt, damit er dort die Steuern eintreibe. Die Dietfurter ließen ihn nicht die Stadttore passieren, und der Kämmerer berichtete dem Bischof verärgert, die Dietfurter verschanzten sich „wie die Chinesen hinter ihrer Mauer“.
Immaterielles Kulturerbe Bayerns
Die um 1450 entstandene Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen ist zum Teil noch erhalten. Der mächtige Goggerturm ist bis heute das Wahrzeichen der Stadt. Seit März vorigen Jahres gehört der Chinesenfasching zum immateriellen Kulturerbe Bayerns. „Die bewusste Pflege und Wertschätzung dieser besonderen Kultur in unserer Heimat fördert das Verständnis und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl“, begründete Bayerns Heimatminister Albert Füracker (CSU) die Auszeichnung.
Die chinesische Kultur steht nicht nur am „Unsinnigen“ im Fokus der Dietfurter. Im ortsansässigen Franziskanerkloster werden Kurse in Thai Chi, Qi Gong und fernöstlicher Meditation angeboten. Mit der Partnerstadt Nanjing gebe es „einen regen Kulturaustausch“, erläutert Bürgermeister Mayr. Im vergangenen Jahr sei der Dietfurter Fasching sogar im chinesischen Staatsfernsehen übertragen worden: „Das haben 325 Millionen Chinesen gesehen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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