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Rassismus benennen
Ja, Herr Lanz, wir führen die richtigen Debatten
Nicht marginalisierte Minderheiten sind schuld am Erfolg der AfD bei Wahlen, sondern soziale Ungleichheit – und Rassismus, zuletzt wieder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei Markus Lanz.
Von Yasemin Kamışlı Mittwoch, 26.02.2025, 18:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.02.2025, 22:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In der letzten ZDF-Polit-Talkshow „Markus Lanz“ vom 25. Februar 2025 wurde unter anderem darüber gesprochen, wie es der AfD gelingen konnte, in Gelsenkirchen den Wahlkreis zu gewinnen. Moderator und Journalist Markus Lanz findet schnell eine klare Antwort.
Er spricht davon, wie viele Probleme Ausländer vor Ort machen würden: Die jungen Sinti und Roma seien kriminell, würden die Schule abbrechen, viele von ihnen seien arbeitslos. Völlig verallgemeinernd und außen vor, dass strukturelle Probleme wie diese sehr eng mit Rassismus und Diskriminierung zusammenhängen, reproduziert Lanz in der nächsten Sekunde noch rassistische Sprache gegenüber einer Gruppe, die ohnehin nahezu unbeachtet bis heute Diskriminierung ausgesetzt ist.
Lanz’ Wortlaut: „Wir diskutieren dann in sehr abgehobenen Blasen darüber, ob man das Wort *******schnitzel noch aussprechen sollte oder nicht, aber dort gibt es ein ernsthaftes Problem, offensichtlich, mit einer Bevölkerungsgruppe, Sinti und Roma, und dann wird man als Anti-Z******* beschimpft, wenn man als Bürgermeisterin darauf hinweist. Dann denke ich manchmal: Führen wir überhaupt die richtigen Debatten?“.
„Ja, Herr Lanz, wir führen die richtigen Debatten. Und zwar indem wir darauf aufmerksam machen, keine rassistischen Bezeichnungen aus der Nazi-Zeit für Menschen zu verwenden.“
In diesem Kontext dieses rassistische Wort zu sagen, eine offensichtlich rassistische Aussage der SPD-Bürgermeisterin zu verteidigen (es als ‚Beschimpfung‘ zu bezeichnen) und eine solche Diskurs-Verschiebung ganz nach CDU-Sprech „Migration ist die Mutter aller Probleme“ zu fordern, ist erschreckend und lenkt von dem eigentlichen Problem ab.
Der Begriff verknüpft die vielfältige Minderheit mit negativen und rassistischen Stereotypen. Sogar Soßen tragen dieses abwertende Wort im Namen. Und das, obwohl im Nationalsozialismus Hunderttausende Sintizze und Romnja mit einem „Z“ gekennzeichnet und in Konzentrationslagern ermordet wurden.
Ja, Herr Lanz, wir führen die richtigen Debatten. Und zwar indem wir darauf aufmerksam machen, keine rassistischen Bezeichnungen aus der Nazi-Zeit für Menschen zu verwenden und sensibel über vorhandene Probleme und deren Zusammenhänge zu sprechen. Das ist Empathie und Respekt.
„Dass diese Menschen mehrfach diskriminiert und in einer der größten Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so verallgemeinert dargestellt werden, ist ebenfalls keine Überraschung. Es ist enttäuschend.“
Den Erfolg der AfD in die Schuhe von marginalisierten Menschen zu schieben, ist schlichtweg falsch. Mehrere Studien zeigen, dass AfD Wählerinnen und Wähler diese Partei aus Überzeugung wählen – ob sie nun gesichert rechtsextrem sind oder nicht, scheint keine Rolle zu spielen. Dass gerade dort, wo viele Menschen von Armut und Benachteiligung betroffen sind, strukturelle Probleme entstehen, ist längst bekannt und wissenschaftlich belegt.
Dass diese Menschen mehrfach diskriminiert und in einer der größten Talkshow im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so verallgemeinert dargestellt werden, ist ebenfalls keine Überraschung. Es ist enttäuschend und es unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit, wieso wir diese Debatten um sensible Sprache führen müssen. Gerade nach so einer Wahl.
Würden die Sorgen, Probleme und Ängste von Menschen mit Migrationsbezug ernst genommen werden, hätte an dieser Stelle in der gestrigen Sendung auch eine betroffene Person sitzen können. Denn sie fühlen sich durch Generalisierungen wie diese schon lange nicht mehr gesehen. (mig) Meinung
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